Das Bundesverteidigungsministerium versucht derzeit die Bewaffnung deutscher Drohnen bis Juni 2020 durchzubringen – ohne die im Koalitionsvertrag von 2018 beschlossene breite gesellschaftliche Debatte. Aus diesem Grund haben sich die Bundessprecher*innen der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen mit einem Schreiben an die Mitglieder des Verteidigungs- und Haushaltsausschusses, des Auswärtigen Ausschusses und des Unterausschusses Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung im Bundestag gewandt.
Die IAI Heron TP der Bundeswehr soll bis Juni 2020 bewaffnet werden.
Sehr geehrte Damen und Herren,
laut dem geltenden Koalitionsvertrag darf eine parlamentarische Entscheidung über eine mögliche Bewaffnung von Drohnen erst nach „ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung” stattfinden. Das Bundesministerium der Verteidigung hat beteuert, dass die Diskussion dieser Fragen „eine breite gesellschaftliche Debatte“ beinhaltet.
Wir wiederholen diese Feststellungen der Drohnen-Kampagne (einem bundesweiten Netzwerk aus ca. 150 Unterstützergruppen) in ihrem Offenen Brief an die Bundestagsabgeordneten vom 23. März 2020, weil auch wir besorgt sind, dass das BMVg diese wichtige und schon lang versprochene gesellschaftliche Debatte weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit führen will.
Auch wir fordern die Bundestagsfraktionen dazu auf,
1) alle Pläne, Drohnen für die Bundeswehr zu bewaffnen, bis nach der Beendigung der Coronavirus-Krise zu stornieren, um die „breite gesellschaftliche Debatte“ zu ermöglichen; und
2) konkrete Vorstellungen zu veröffentlichen, wie diese „breite gesellschaftliche Debatte“ vor einer parlamentarischen Entscheidung über die Bewaffnung von Drohnen für die Bundeswehr gestaltet werden kann.
Dieses Thema ist für uns von zentraler Bedeutung, weil bewaffnete Drohnen die Schwelle zur Kriegsführung senken. Drohneneinsätze fordern ferner hohe zivile Opfer, immer wieder werden auch Frauen und Kinder getötet. Zudem sind die psychischen Belastungen durch eine andauernde Präsenz von militärischen Drohnen eine Zumutung und können sich schädigend auf die Entwicklung und das Leben größerer Bevölkerungsgruppen in den betreffenden Regionen auswirken. Sie sind deshalb eine wichtige Ursache für Flucht und Radikalisierung von Betroffenen, und untergraben auf gefährliche Weise das internationale Völkerrecht und die Menschenrechte.
Das Grundgesetz verbietet gezielte Tötungsaktionen. Zwar beteuert die Bundesregierung, dass sie Kampfdrohnen nicht für völkerrechtswidrige Tötungen einsetzen wird. Doch hat sie sich bisher nicht ausreichend um die Aufklärung von völkerrechtlich fragwürdigen Einsätzen von Drohnen gekümmert, wie das Oberverwaltungsgericht in Münster in seinem Urteil vom 19. März 2019 festgestellt hat. Zudem förderte der 1. Untersuchungsausschuss („NSA“) der 18. Legislatur eine mögliche aktive Unterstützung dieser Einsätze durch die Datenweitergabe deutscher Nachrichtendienste – zumindest in der Vergangenheit – zu Tage. Dies schädigt das Vertrauen in die Beteuerung der Bundesregierung, dass völkerrechtswidrige Tötungen abgelehnt werden.
Drohnen ermöglichen eine Art permanente, niedrigschwellige Militärintervention, die die Grenze zwischen Krieg und Frieden aufhebt. Drohnen sind laut der Politikerin Antje Vollmer der waffentechnische Irrweg, mit dem sich der Krieg den menschlichen Absprachen immer mehr entzieht und droht, sich zu verewigen.
Die Bewaffnung von Drohnen sowie ihr vermehrter Einsatz zur Überwachung ist außerdem ein entscheidender Schritt in Richtung einer Kriegsführung, in der aufgrund von wachsenden Datenmengen und der Absicht, schneller agieren und reagieren zu können, mehr und mehr Abläufe durch Automatisierung und den Einsatz von autonomen Systemen unterstützt werden. Dabei entscheiden Algorithmen so schnell, dass menschliche Erwägungen, Vernunft und Gewissen keinen Platz haben und die Kontrolle über die Anwendung von Gewalt dem Menschen zu entgleiten droht.
Die Bundesregierung sollte sich intensiv in den schon bestehenden internationalen Foren für eine umfassendere und verbindliche Einbeziehung von unbemannten bzw. unbefrauten Systemen in Rüstungskontroll- und Abrüstungsregime einsetzen. Wo die bestehenden Instrumente unzureichend sind, sollte sie sich für die Schaffung von neuen Instrumenten einsetzen. Die Konferenzen des Auswärtigen Amtes unter dem Titel „Rethinking Arms Control“ sind ein willkommener Anfang. Jedoch können hier zivilgesellschaftliche Akteur*innen noch mehr einbezogen werden. Auch sollte sich die Bundesregierung in den Gesprächen der Regierungsexpert*innen zu tödlichen autonomen Waffensystemen in Genf bei der Konvention über bestimmte konventionelle Waffen klar für ein völkerrechtliches Verbot aussprechen. Derzeit klafft eine Lücke zwischen der Ankündigung im Koalitionsvertrag von 2018, autonome Waffensysteme „weltweit ächten“ zu wollen und den Äußerungen in Genf. Diese Lücke sollte geschlossen werden. Die Bewaffnung von Drohnen wäre ein Schritt in die gegenteilige Richtung.
Auch in Anbetracht der Corona-Krise ist es höchste Zeit für einen Kurswechsel, weg von einer militärischen Durchsetzung unserer Interessen und dem Missverständnis von „Verantwortung“ als militärische Stärke und gewalttätige Intervention – hin zu einer Politik, die auf Gewaltprävention und Kooperation setzt. Die weltweiten gesundheitlichen, ökologischen, politischen und sozialen Herausforderungen und Konflikte lassen sich nachweislich nicht mit militärischen Mitteln lösen.
Über eine kurze Stellungnahme zu Ihrer Position zum Thema würden wir uns sehr freuen.
Mit den besten Grüßen
Katharina Müller, Marius Pletsch und Thomas Carl Schwoerer
Im Namen des Bundessprecher*innenkreises der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen
Das Schreiben gibt es hier zum Download als PDF.
Foto: Airbus