EU-VERFASSUNG – Nach dem Reformvertrag von Lissabon steht ein von den Bürgern geschriebenes europäisches Grundgesetz erst recht auf der Tagesordnung
(von Marcus Hawel)
Nach der Ablehnung in Frankreich und den Niederlanden 2005 lag die EU-Verfassung auf Eis, bis 2007 unter deutscher Ratspräsidentschaft jene Elemente des Verfassungsvertrages ausfindig gemacht wurden, die Aufnahme in ein erneuertes Vertragswerk fanden. Den so entstandenen Reformvertrag haben die EU-Regierungschefs am 13. Dezember 2007 in Lissabon unterzeichnet. Nun muss das Dokument von allen 27 Mitgliedsländern ratifiziert werden. Einzig in Irland ist dazu ein Referendum vorgeschrieben – in den anderen EU-Staaten scheut man nach der Erfahrung des Jahres 2005 Volkes Stimme.
Militarisierung der EU
EU-Verfassung kommt als „EU-Reformvertrag“
Friedensforum 5/2007
Komitee für Grundrechte und Demokratie / Wolf-Dieter Narr
(red) Mitte Oktober hat der EU-Gipfel von Lissabon die gekippte EU-Verfassung unter neuem Tarn-Namen nun doch verabschiedet. Das gesamte Werk wird statt Verfassung schlicht und einfach „EU-Reformvertrag“ genannt. Alle vonseiten der Friedensbewegung kritisierten Vorhaben zur EU-Militarisierung sind im „Reformvertrag“ nach wie vor enthalten. Volksabstimmungen sollen nun nicht mehr stattfinden, sondern die Regierungen werden den fertigen Vertrag ohne weitere Diskussionen ratifizieren. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie veröffentlichte kurz vor dem EU-Gipfel eine Erklärung zum neuen EU-Vertrag, die wir nachstehend dokumentieren. Vgl. zum Thema auch den Beitrag von Martin Hanke und Tobias Pflüger „EU: Aufrüstung und Militarisierung“ in FF 4/2007, S. 21f.
Raider heisst jetzt Twix
EU: Aufrüstung und Militarisierung – Tücken im Entwurf für den neuen EU-Reformvertrag – vormals EU-Verfassungsvertrag
von Martin Hantke und Tobias Pflüger (beide sind auch für die DFG-VK aktiven)
Seit 1. August 2004 arbeitet die EU-Rüstungsagentur. Mit einem Jahresbudget von 60 Millionen Euro ist sie verantwortlich für die Koordination von Rüstungsprojekten, für die Stärkung des EU-Rüstungssektors und die Etablierung eines gemeinsamen EU-Rüstungsmarkts. Mit Unterstützung von EU-Industriekommissar Günter Verheugen ist es ihr gelungen, 2007 erstmals einen Posten für Sicherheits- und Rüstungsforschung im EU-Haushalt zu etablieren und eine koordinierte Öffnung der einzelstaatlichen Rüstungsmärkte in Angriff zu nehmen.
Für eine zivile Verfassung Europas – Friedensbewegung lehnt diesen Verfassungsentwurf ab
Abschlussresolution der Konferenz „Für ein ziviles Europa“
Fakten zur Militarisierung der EU
Der Entwurf einer „Verfassung für Europa“ führt zu einer neuen Qualität in der Militär- und Rüstungspolitik der EU: So verpflichten sich „die Mitgliedsstaaten, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern“ (Artikel I-40); eine Aufrüstungsverpflichtung, die es in keiner anderen Verfassung gibt. Sie wird unterstützt durch ein neues „Amt für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten“ (Art. I-40 Abs. 3). Die Mitgliedstaaten verpflichten sich auch zu „Kampfeinsätzen als Unterstützung für Drittstaaten bei der Bekämpfung des Terrorismus in ihrem Hoheitsgebiet“ (Art. III-210), also etwa im Hindukusch – ein extrem weit gefasstes Mandat mit völlig offener Grenzziehung. Weiter: „Über militärische Einsätze der EU entscheidet der Ministerrat“ (Art. I-40; III-205). Das EU-Parlament ist von Mitsprache und Mitentscheidung ausgeschlossen. Eine gerichtliche Kontrolle der Beschlüsse durch den Europäischen Gerichtshof ist durch die Verfassung untersagt (Art. III-282).