Von Jürgen Grässlin (in ZivilCourage 4/2008)
Seit Jahren rangiert Deutschland unter den Top Ten der Weltwaffenexporteure. Als „Europameister“ lieferte die Bundesrepublik im vergangenen Jahr für 3,395 Milliarden US-Dollar Waffen in alle Welt – so viel wie nie zuvor. Diesen Fakt dokumentiert der neue Jahresbericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri 2008 für das Vorjahr. Panzer, Kampfflugzeuge oder Kriegsschiffe, Gewehre und Munition wurden ganz legal an kriegführende Nato-Staaten und an menschenrechtsverletzte Entwicklungsländer geliefert. Wie in den Vorjahren bricht die Bundesregierung damit erneut ihre eigenen „Politischen Grundsätze zum Rüstungsexport“.
Dass Deutschland auch bei den legalen Exporten so genannter „Kleinwaffen“, wie Gewehre und Maschinenpistolen, neue Rekorde erzielt, musste die Bundesregierung bereits in ihrem Rüs- tungsexportbericht 2006 eingestehen. Jüngst konnten Friedensorganisationen sogar den illegalen Export von G36-Gewehren ins Krisengebiet am Kaukasus nachweisen, was weltweit Aufsehen erregte.
Auch bei zivil wie militärisch einsetzbaren Dual-Use-Gütern betreibt die Bundesregierung Außenwirtschaftsförderung statt restriktiver Rüstungsexportkontrolle. Aktuelles Beispiel sind Mercedes-LKWs mit israelischen Streumunitionswerfern in Georgien – die persönliche Unterstützungserklärung auf der DFG-VK-Website ist wichtiger denn je.
Durch die im Rahmen der Schritte-zur-Abrüstungs-Kampagne von der DFG-VK mitinitiierte „Waldkircher Erklärung gegen den Rüstungsexport“ (siehe ZivilCourage 4/2007) gibt ein breites Bündnis von friedenspolitischen, kirchlichen und gewerkschaftlichen Organisationen dem Widerstand eine gewichtige Stimme. Denn wir dürfen nicht länger hinnehmen, dass deutsche Außenhandels- und Wirtschaftspolitik als Kriegsunterstützungspolitik betrieben wird.
Waffen & Rüstung
Die deutsche Rüstungslobby
Wie die deutschen Rüstungsproduzenten in der Wirtschaft und der Politik ihre Interessen einbringenund Vertreten lassen hat der Abgeordnete des Bundestages Paul Schäfer (Linksfraktion) in einer Broschüre zusammen gestellt.
Aus dem Inhalt:
Die Arbeit der Rüstungslobby in Deutschland
Besonderheiten der Lobbyarbeit im Rüstungssektor
Ziele der Interessenverbände der Rüstungsindustrie
Formen der Lobbyarbeit im Rüstungsbereich
Struktur der Interessenverbände der deutschen Rüstungsindustrie
Zukünftige Herausforderungen abrüstungsorientierter Politik
Kleine Waffen auf dem Prüfstand
(In einem Gespräch stellte DFG-VK-Bundessprecher Jürgen Grässlin die Gefahr von Kleinwaffen dar.)
In New York tagt eine UN-Konferenz, die den Handel mit Kleinwaffen besser kontrollieren will. NGOs fordern ein weltweites Waffenhandelsabkommen, das Rüstungsexporte generell beschränkt.
Weltweit sollen 875 Millionen Schusswaffen in Umlauf sein, schätzt das Projekt „Small Arms Survey“ in Genf. „Kleinwaffen sind klein, handlich, billig, gut zu verbreiten. Mit Kleinwaffen wird in Masse gemordet“, sagt Rüstungsexperte Jürgen Grässlin. 90 Prozent aller Todesopfer in Kriegen gehen heute auf das Konto dieser Waffen.
Vor der eigenen Türe kehren – Am 30.08. nach Büchel!
Bundesweite Aktionen Ende August am Atomwaffenlager Büchel
Für den 23. August bis 1. September wird ein großes Aktionscamp am einzigen Atomwaffenlager Deutschlands, Büchel/Eifel organisiert. Unter dem Motto „vor der eigenen Türe kehren“ wird dabei die 7. Umrundung des Atomwaffenlagers am 30. August stattfinden. Hunderte von Aktivisten werden den Besen schwingen und die dort gelagerten Atomwaffen symbolisch in die Tonne kehren. Parallel dazu werden die Radsportler um die Pacemakers einen Rundkurs von 29 km um Büchel sieben Mal befahren.
Im Vorfeld dieses Aktionstages finden täglich Umrundungen und Friedensfrühstücke einzelner Gruppen am Haupttor statt. Im Anschluss an die siebte Umrundung sind gewaltfreie Aktionen Zivilen Ungehorsams geplant, die im Aktionscamp durch Trainings vorbereitet werden.
Die Aktionen sind der Schwerpunkt der Kampagne „unsere zukunft – atomwaffenfrei“ mit dem Ziel eines atomwaffenfreien Deutschland bis spätestens 2010.
„Bad Company“ und „Bad Boys“: Heckler & Koch in Hollywood
Die schwäbische Waffenschmiede Heckler & Koch (H&K) setzt nach Erkenntnis-sen des britischen Fernsehsenders Channel4 beim Marketing zunehmend auf Schleichwerbung in Film und Fernsehen: „You can’t advertise guns on TV, so what do you do?“ Die Oberndorfer versuchen demnach verstärkt, ihre neusten Modelle in Hollywood zu platzieren. Bereits 2004 hatte die damalige H&K-Sprecherin Andrea Franke dem Greenpeace-Magazin bestätigt, dass die US-Tochter von H&K eng mit den dortigen Waffenrequisiteuren kooperiert.
Von dem Ulmer Pistolen-Produzenten Carl-Walther ist bekannt, dass stets der Firmeninhaber persönlich zu den James-Bond-Dreharbeiten reist, um die PPK bzw. die neue P99 für 007 zu übergeben. Ob dies auch die H&K-Gesellschafter Andreas Heeschen und Keith Halsey so halten, die ohnehin in der britischen High-Society verkehren, ist hingegen nicht überliefert. Auffällig ist jedenfalls, dass Bond in „Casino Royal“ (2006) seinen Gegenspieler mit der Maschinenpisto-le HK UMP bezwingt, die vor allem von Spezialeinheiten der US-Polizei eingesetzt wird. Das Poster für den neuen Film „Quantum of Solace“, der im November 2008 in die Kinos kommt, zeigt Bonds Silhouette mit der H&K-Maschinenpistole MP5 (). Und der Kriegskino-Experte Peter Bürger weist darauf hin, dass Bonds Gegner in „Stirb an einem anderen Tag“ (2002) ei-ne HK XM29 benutzt, die H&K für die US-Armee entwickelt hatte.
Deutsches Kriegsgerät im Sudan
von Roman Deckert
Im Sudan herrscht seit einem halben Jahrhundert Bürgerkrieg, nur von 1972 bis 1983 gab es einen fragilen Frieden. Zwei Kriege im Süden haben 2,5 Millionen Zivilisten das Leben gekostet, der seit langem schwelende Konflikt in der Westregion Darfur hat bis zu 300.000 Menschen den Tod gebracht. Trotzdem wurde der Vielvölkerstaat bis vor wenigen Jahren mit deutschem Kriegsgerät vollgepumpt. Wie kam es dazu?
Für die Strategen des „Kalten Krieges“ hatte der größte afrikanische Flächenstaat, der 1956 als zweites Land des Kontinents die Unabhängigkeit erlangte, hohe geostrategische Bedeutung. Dies vor allem als „Hinterhof“ Ägyptens, da der Nil auf seiner längsten Strecke durch den Sudan fließt. Vor diesem Hintergrund wurde die Bundesrepublik Deutschland bald ein Hauptpartner des sudanesischen Militärs und der Polizei- und Geheimdienste. Dokumente aus deutschen, britischen und amerikanischen Archiven beweisen, dass die Bonner Verantwortlichen dabei keineswegs als Handlanger der Alliierten agierten, sondern aus rein deutschlandpolitischen Motivenvollkommen eigenständig vorgingen. Die Aktivitäten waren so umfangreich, dass hier nur die wichtigsten Stationen skizziert werden können:
Bereits 1959, kurz nach dem Putsch der sudanesischen Militärs, errichtete die bundeseigene Firma Fritz-Werner (Geisenheim) bei Khartoum eine Munitionsfabrik für das NATO-Kaliber 7,62 mm.