Die Gefahren für eine zivile demokratische Gesellschaft wachsen
(von Monty Schädel)
Entsprechend dem Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD zielt die Politik in den kommenden Jahre auf die Ausweitung der Militarisierung des bisher zivilen gesellschaftlichen Lebens. Zur Bestätigung dieser nach Propaganda klingenden Aussage brauchen Interessierte lediglich in den Koalitionsvertrag zu schauen. Nicht irgendwie verklausuliert, sondern in erschreckender Deutlichkeit wird dort unter dem Punkt ?Neuausrichtung der Bundeswehr formuliert: Wir bekennen uns zu einer starken Verteidigung mit modernen und leistungsfähigen Streitkräften. (…) Wir werden diese Neuausrichtung konsequent fortsetzen und zum Erfolg führen. (S. 176) Bereits auf Seite 168 war zu lesen: Deutschland stellt sich seiner internationalen Verantwortung. Wir wollen die globale Ordnung aktiv mitgestalten.
Auch wenn es dann noch minimalen Interpretationsspielraum gibt, deutlicher ist kaum zu sagen, dass es um Militär für Krieg(e) geht. Wofür sowohl das Militär wie auch die Kriege notwendig sind, wird natürlich auch erwähnt: Wir bekennen uns zur Nato und zu ihrem neuen strategischen Konzept. Die transatlantische Allianz ist und bleibt das zentrale Fundament unserer Sicherheits- und Verteidigungspolitik angesichts neuer Risiken und Bedrohungen einer globalisierten Welt. (S. 168) Verkürzt interpretierend ausgedrückt: Wir wollen die Vorherrschaft auf dem Planeten. Militärisch werden wir unsere wirtschaftliche Ausbeutung des Restes der Welt absichern und durchsetzen und diejenigen, die sich das nicht gefallen lassen oder gegen unseren Willen daran teilhaben wollen, bekämpfen.
Zur Unterstützung dieser größere und kleinere Kriegseinsätze ankündigenden Außenpolitik wird im Koalitionsvertrag auch deutlich auf die Militarisierung der Gesellschaft und vor allem der nachfolgenden Generationen abgehoben. Da der gesellschaftliche Anspruch in der Bundesrepublik bisher (mindestens propagandistisch, in vielen Fällen aber auch in der Realität durch handelnde Eltern, LehrerInnen, SozialarbeiterInnen u.a. ) von selbstbestimmten, rechtskonformen und solidarischen Menschen in Freiheit und Verantwortung geprägt war, wollen sich immer weniger junge Menschen dem undemokratischen, Freiheit und Verantwortung zerstörenden Militärsystem unterordnen. Nach dem Fall der Wehrpflicht fehlt dem militärischen Bereich die Zwangsform, um Menschen nach der allgemeinbildenden Schule mit den von ihm gewollten politisch-gesellschaftlichen Anforderungen zu indoktrinieren. Die Lehren von Gehorsam und Achtung vor/von Autoritäten, die Akzeptanz von Militär und Gewalt aus der Schule der Nation fehlt heute. Da diese an sich positiven Entwicklungen in der Gesellschaft den Zielen von CDU, CSU und SPD offensichtlich nicht (mehr) gefallen, hat die Koalition zur Steigerung der Attraktivität des Militärs und der ihm innewohnenden Systematiken festgelegt: Wichtig ist es, dass der Dienst in der Bundeswehr attraktiv bleibt. Wir werden eine Attraktivitätsoffensive voranbringen. Wir treten dafür ein, das Verständnis für die Besonderheiten des Soldatenberufes zu erweitern und so die breite Anerkennung für den Dienst in den Streitkräften sicherzustellen. (S. 176)
Es wird entsprechend zu erwarten sein, dass die bisherige Präsenz der Bundeswehr und ihrer Angehörigen in der (zivilen) Öffentlichkeit weiter zunehmen wird. Ziel ist es, zu erreichen, dass Militär und SoldatenInnen als Teil der Gesellschaft gesehen werden und Normalität im Umgang mit ihnen erreicht wird.
Dabei wird nach meiner Überzeugung wie bereits in der Propaganda für die Kriegseinsätzen der Vergangenheit sowohl robust, d.h. mit Masse an SoldatInnen, Material und Geld, vorgegangen werden, als auch schleichend, unterschwellig, subtil. Im Koalitionsvertrag liest sich dass dann z.B. so: ?Feierliche Gelöbnisse etwa sind Ausdruck der Verankerung der Bundeswehr in der demokratischen Gesellschaft. Die Koalition unterstützt den fortgesetzten Dialog der Bundeswehr in und mit der Gesellschaft.?
Dabei werden die Bundeswehr und SoldatInnen in Notsituationen Hilfe anbieten und leisten, um so durch ihre Anwesenheit als Personen Werbung für die Normalität des Mordsberufes zu machen. Die wirklich normalen Ausbildungs- und Tätigkeitsbereiche der SoldatInnen, das möglichst effektive Töten und die Unterstützung dazu, spielen bei diesen Auftritten keine Rolle.
Ebensowenig wird bei diesen Hilfen thematisiert werden, dass die Hilfe nur wegen Versäumnissen der Politik und Verwaltung notwendig sein wird. Auch weiterhin wird eher auf eine Attraktivitätsoffensive für die Bundeswehr gesetzt, als z.B. den Katastrophenschutz oder die Feuerwehren für ihre Aufgaben so personell, finanziell und organisatorisch-materiell auszustatten, dass sie im Bedarfsfall auch ohne Militär gegen Hochwasser, Vogelgrippe oder Schnee vollumfänglich einsatzfähig sind.
Wenn SoldatInnen in der Kinder und Jugendfreizeit mit Angeboten aufwarten, muss nicht nur darauf hingewiesen werden dass dieses immer (!) Werbung/Indoktrination von sich in der Entwicklung befindlichen jungen Menschen, die unter dem Schutz der Kinderrechtskonvention fallen, ist, sondern auch gefragt werden, warum denn das Militär für diesen artfremden Bereich seiner eigentlichen Aufgaben Mittel und Personal zur Verfügung hat, während diese in der Jugendarbeit, in der Schule, in der Kita fehlen.
Nur unter dem Gesichtspunkt, dass die Militarisierung der Gesellschaft vorangetrieben, und auf weitere Kriege vorbereitet werden soll, ist dann auch zu erklären, dass der Koalitionsvertrag feststellt: Die Jugendoffiziere leisten eine wichtige Arbeit bei der Information über den Auftrag der Bundeswehr. Wir begrüßen es, wenn möglichst viele Bildungsinstitutionen von diesem Angebot Gebrauch machen. Der Zugang der Bundeswehr zu Schulen, Hochschulen, Ausbildungsmessen und ähnlichen Foren ist für uns selbstverständlich. (S. 177)
Militär hat in Schulen nichts zu suchen. Die Bildung in unserem Land sollte durch die Erziehung zu Gewaltfreiheit, Solidarität und Miteinander geprägt sein. SoldatInnen in Schulen bedeutet, das System von Befehl und Gehorsam, von Oben und Unten bei Kindern zu etablieren. Dieses widerspricht demokratischen Ansprüchen, da so Unterwürfigkeit ebenso wie Herrschaftsanspruch gefördert und Gewalt zum Erreichen von Zielen legitimiert wird. Die Konfrontation von Kindern und Jugendlichen in der Zwangsgemeinschaft Schule mit den extra dafür ausgebildeten Jugendoffizieren missbraucht die Schule zur Rekrutierung für das Militär. Dieses System in der Bundesrepublik von heute unterscheidet sich nur noch marginal von dem System anderer Länder, die, tatsächlich oder in heutiger hiesigen Geschichtsschreibung, militaristisch und/oder diktatorisch geführt wurden.
Durch fehlende Unterstützung in zivilen gesellschaftlichen Bereichen werden künstlich Engpässe für Ausbildung, Studium, Beruf und Perspektive geschaffen, um sie über das Militär und den Krieg anzubieten. Dabei werden persönliche Risiken und Gefahren ebensowenig genannt, wie auch die freie Entwicklung des einzelnen Menschen unterlaufen wird, und daneben die Gefahren für eine zivile demokratische Gesellschaft ignoriert werden.
Es scheint, dass diese Koalition nicht nur unangenehm und irgendwie auch ungewollt, sondern vor allem auch gefährlich ist. Gerade die Ankündigungen zum Militär, zum Krieg und zu internationalen Partnern für die Durchsetzung von Interessen lassen befürchten, dass der seit einigen Jahren stattfindende Umbau der Gesellschaft im Interesse der Kapitalmehrung zugunsten einiger Weniger und zulasten Vieler unter noch aggressiveren Bedingungen mit Unterstützung durch das Militär fortgesetzt wird. Dabei verstecken die Koalitionäre ihre Absichten nicht einmal, sondern formulieren klar. Es ist bedauerlich und bezeichnend für die aktuellen gesellschaftlichen Zustände, dass es im Prozess des SPD-Mitgliederentscheides außer einigen wenigen Stimmen aus der Anti-Kriegs- und Friedensbewegung keinen Hinweis auf gerade diese Passagen des Koalitionsvertrages gab. Anti-Kriegs- und Friedensbewegung, aber auch andere gesellschaftliche Bereiche müssen diese Zustände endlich zur Kenntnis nehmen, in ihre Situationsanalysen einfliessen lassen und bisherige Bündnis- und Strategiekonzepte überdenken. Um den akzeptierten Normalzustand von Krieg, Militär und Ausbeutung zu verhindern, müssen jetzt lebendige Zeiten breiter Aktionen für Abrüstung, Solidarität und Miteinander anbrechen. Wenn der vorgesehenen Politik dieser neuen Bundesregierung nicht deutlicher, breiter und spürbarer Widerstand entgegengesetzt wird, steht zu befürchten, dass sich diese menschenfeindlichen Positionen durchsetzen.
Der Krieg beginnt hier! Hier und jetzt können wir etwas dagegen tun! Ich bin für radikale Abrüstung und die Abschaffung der Bundeswehr!
Monty Schädel ist Mitglied im DFG-VK-BundessprecherInnenkreises und Politischer Geschäftsführer der DFG-VK.
Veröffentlicht in ZivilCourage 2013/5 im Dezember 2013
http://www.bundeswehr-abschaffen.de