Der einzige Weg, die Bundeswehr attraktiv zu machen, ist sie abzuschaffen!
Von Monty Schädel
Die öffentlichen Auftritte mit SoldatInnen und traditionellem militaristischen Gehabe, der Einsatz bei Hochwassern und anderen Katastrophen, die offene und unterschwellige Werbung in Schulen oder mit künstlich geschaffenen Jugendevents, die wiedergekäuten Formeln aus der das Militär unterstützenden Politik: All das konnte noch nicht dazu führen, dass die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland die unter dem Vorwand von Freiheit, Menschenrechten und Demokratie geführten Kriege unterstützen. Am 31. Januar berichtete der ARD-Deutschland-Trend, dass 61 Prozent der Befragten eine Ausweitung von Bundeswehreinsätze in internationalen Krisengebieten ablehnen.
Es wurde also richtig Zeit für die von der Großen Koalition beschlossene Attraktivitätsoffensive. Nachdem in den vergangenen Jahren, mal mehr mal weniger intensiv, die Werbung für die Bundeswehr und das Militärische allein mit Geld und Materialeinsatz voran gebracht wurde, wird die Taktik jetzt noch um eine Charmeoffensive erweitert. Ja, dass da mehr als die Hälfte der männlichen Soldaten ihre Kameradinnen nicht als gleichwertig betrachtet, und dass auch mehr als 50 Prozent der Soldatinnen von Belästigungen in der Kaserne berichten und dass der Wehrbeauftragte des Bundestages von hohen Beschwerdezahlen und allgemeiner Unzufriedenheit berichtet, das passt da alles (noch) nicht ganz so rein, aber das sind auch nur Tagesmeldungen. Nicht einmal auf diese Stufe schaffte es die Nachricht, dass in den letzten Jahren mehr als 3000 Minderjährige, also Jugendliche unter 18 Jahren, durch die Bundeswehr rekrutiert worden sind gegen klare Beschlüsse und Empfehlungen der Vereinten Nationen. Über diese deutschen Kindersoldaten berichteten lediglich wenige vorwiegend regionale Medien.
Familienfreundliches Militär
Dass die vormalige Arbeits- und ehemalige Familienministerin nun das Kriegsministerium führt, ist angesichts der aktuellen Offensive der MilitärbeführworterInnen sicher kein Zufall. Sie hat Erfahrung in der Manipulation der Öffentlichkeit, wenn man sich z.B. an die ständigen Verschärfungen im Hartz-IV-Bereich oder die Mär von ?der sicheren Rente erinnert, die fast immer positiv durch Medien begleitet wurden. Unter dem Schlagwort familienfreundliche Bundeswehr wird jetzt wieder versucht, das Militärische zum Normalen zu erheben. Die Botschaft: Unsere Soldaten und Soldatinnen leisten doch bloß ihren Dienst für die Gesellschaft, für uns alle. Während die Kriegsministerin im Bundestag, in den Medien und auf der (Un)Sicherheitskonferenz ein stärkeres Engagement der Bundeswehr fordert und ankündigt, wird am Bild vom normalen Menschen – wie du und ich – gearbeitet, der dort in der Kaserne Dienst schiebt. Der Familienvater und die Familienmutter, die zum Dienst gehen, so wie der Kassierer im Supermarkt, die Lehrerin in der Schule, die Köchin, die Schlosserin, der Friseur… Und weil das angeblich so ist, müsse auch darüber diskutiert werden, dass auch SoldatInnen nicht benachteiligt werden dürfen. Kindergärten sind dabei ein Thema, das viel Menschen nachvollziehen können.
Deutlich gegen die Märchenerzähler auftreten
Doch ist es normal, SoldatIn zu sein? Natürlich nicht! Jedenfalls nicht für eine sich auf Demokratie, Menschenrechte und unabhängige Justiz berufende Gesellschaft. Für uns als AntimilitaristInnen und PazifistInnen sowieso nicht. Es ist nicht normal, das Töten von Menschen zu trainieren, als organisierte Bande in andere Länder zu fahren und dort mit Gewalt Interessen durchzusetzen, in einem System von Befehl und Gehorsam zu gehorchen oder zu befehlen… Es bleibt dabei, und das muss sich, gerade bei einer Attraktivitätsoffensive der Regierung und des Militärs, in unserem Wirken zeigen und in unserer Argumentation besonders betont werden: Der einzige Weg, die Bundeswehr attraktiv zu machen, ist sie abzuschaffen! Wir werden mit Begeisterung auf eine Bundeswehr schauen, die ersatzlos abgeschafft wurde und gar nicht mehr da ist; und die dann freiwerdenden Mittel in eine wirklich familienfreundliche Gesellschaft investiert werden. Welche Lebensqualität werden wir als Gesellschaft haben, wenn diese Verschwendung von Finanzen, personellen Ressourcen, materiellen Gütern und produktiven Wissen nicht mehr für die Werbung, Vorbereitung, Planung und Führung von Kriegen verschwendet werden? Kindergärten für alle Kinder und alle Eltern, damit nicht nur ein Berufszweig seinen Kindern Bildung und soziale Kontakte von klein an zukommen lassen kann, das wäre das Mindeste.
Doch bis dahin gilt: SoldatInnen sind keine Menschen wie du und ich! Soldatische Kerntätigkeit ist das Töten von Menschen. Oder um es mit Kurt Tucholsky auf den Punkt zu bringen: Soldaten sind Mörder. Vergessen wir das nicht, sondern sprechen es deutlich aus, wenn uns Politik und Medien Märchen erzählen wollen!
Monty Schädel ist Politischer Geschäftsführer der DFG-VK.
Der Beitrag ist der
Zivilcourage 1-2014 im Februar 2014
entnommen