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Die Wurzeln der Europäische Union (EU) reichen bis 1951 zurück. Damals wollte man Europa wirtschaftlich stärken sowie für Frieden und Stabilität sorgen. Und tatsächlich gab es zwischen den Staaten der EU seitdem keine Kriege mehr. Militärisch aktiv ist man trotzdem – führt nun gemeinsam Kriege außerhalb der EU und rüstet andere Staaten auf. Die EU hat viel Potenzial eine Friedensmacht zu werden – dafür muss sich aber viel ändern.
Nein zu PESCO, Verteidigungsfonds und einer EU-Armee
Schon 2003 wurde eine „Europäische Sicherheitsstrategie“ verabschiedet und im EU-Verfassungsvertrag ist die militärische Ausrichtung der Außenpolitik der EU festgeschrieben. Hintergrund ist das Bestreben in relevanten Teilen der EU-Eliten, die weltpolitische Bedeutung der EU zu stärken. So äußerte sich der damalige EU-Parlamentspräsiden Martin Schulz 2013 so: „Europas Partner erwarten zu Recht, dass (…) aus der Wirtschaftssupermacht auch eine weltpolitische Supermacht wird.“ Wir denken, dass die „Partner“ das eher fürchten als erwarten!
Bereits seit 2007 stehen EU-Gefechtsverbände (so genannte „Battlegroups“) bereit, die innerhalb von 5-30 Tagen in Marsch gesetzt werden können. Konkret sind oder waren EU-Militärverbände in Bosnien, Somalia, am Horn von Afrika und in Mali aktiv. In der 2016 beschlossenen „EU-Globalstrategie“ heißt es: „Im Zusammenhang mit dem Interesse der EU (…) besteht die Notwendigkeit von (…) weltweiter Sicherheit im Seeverkehr, wodurch offene und geschützte Wege auf Ozeanen und Meeren, die für den Handel von entscheidender Bedeutung sind, und der Zugang zu den natürlichen Ressourcen sichergestellt werden.“
Im Dezember 2017 beschloss der Europäische Rat dann die „Ständige Strukturiert Zusammenarbeit“ (PESCO). Damit sollen u.a. die militärischen Fähigkeiten gebündelt werden, Mit PESCO wird das bisher gültige Konsensprinzip bei außenpolitischen Aktivitäten aufgebrochen. Nun können sich Gruppen von EU-Staaten zu militärischen Aktivitäten zusammenschließen, ohne die anderen zu fragen.
Und eine EU-Armee ist inzwischen auch im Gespräch. Sowohl der französische Präsident Emmanuel Macron als auch Bundeskanzlerin Angela Merkel haben in den letzten Monaten mehrfach eine solche gemeinsame Armee ins Spiel gebracht. Diese wäre natürlich kein Beitrag zur europäischen Integration oder gar ein Schritt zur Überwindung von nationalen Armeen. Sie wäre ein riesiger Schritt der weiteren Militarisierung der EU.
Der Vertrag von Lissabon verbietet die Finanzierung von Rüstungsprojekten und Militäreinsätzen aus dem Gemeinschaftshaushalt der Europäischen Union. Trotzdem soll jetzt ein Europäischer Verteidigungsfonds eingerichtet werden, um gemeinsame Rüstungsprojekte umzusetzen.
Kein neues atomares Wettrüsten in Europa, Modernisierung von Atomwaffen in der EU verhindern. Verbot von Atomwaffen beschließen.
Mit der Kündigung des INF-Verbotsvertrages 2019 für atomare Mittelstreckenwaffen droht ein neues Wettrüsten und die Stationierung neuer Atomwaffen in Europa! Diese würden wie im Kalten Krieg die Gefahr eines Atomkriegs drastisch erhöhen. Dazu sagen wir deutlich Nein!
Weltweit gibt es immer noch etwa 15.000 Atomsprengköpfe im Besitz von neun Ländern: USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich, Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea. Davon sind circa 2.000 in ständiger Alarmbereitschaft. US-Atombomben sind in den EU-Staaten Niederlande, Belgien, Deutschland und Italien sowie in der Türkei stationiert. 1.000 Milliarden US-Dollar wollen allein die USA in den nächsten dreißig Jahren für atomare Rüstung und neue Atomwaffen ausgeben, darunter zehn Milliarden US-Dollar für ein Programm, das auch die in Europa gelagerten Atombomben beinhaltet. Geplant sind neue Atomwaffen und die Umwandlung der bisherigen in zielgenaue Angriffswaffen. Damit sinkt die Schwelle für ihren Einsatz. Die EU muss diesen Vorhaben klar widersprechen. Auch Großbritannien und Frankreich dürfen kein Geld in neue Atomwaffen investieren.
Atomwaffen wurden zum ersten Mal 1945 eingesetzt. Binnen Sekunden wurden in Hiroshima und Nagasaki mehr als 200.000 Zivilist*innen getötet. Unzählige Menschen erlitten schwerste Verletzungen. Genetische Schäden, ausgelöst durch die radioaktive Strahlung, belasten noch heute die nachfolgenden Generationen.
Über 120 Staaten beschlossen 2017 den UN-Atomwaffen-Verbotsvertrag, der Besitz und Einsatz der Waffen völkerrechtlich verbietet. 50 Staaten müssen diesen Vertrag nun ratifizieren, damit er in Kraft tritt. Die EU muss sich für die Zustimmung zu diesem Vertrag durch ihre Mitgliedsstaaten aussprechen!
Aus der im Herbst 2018 veröffentlichten Studie „Don‘t Bank On The Bomb“ geht hervor, dass insgesamt329 Finanzdienstleister aus 24 Ländern in Unternehmen investieren, die Atomsprengköpfe sowie Atomwaffen-Trägersysteme entwickeln, produzieren oder warten. Finanzvolumen 2017: 525 Mrd. US-Dollar. Die Studie benennt konkret die Deutsche Bank und die Commerzbank als Investoren von Atomwaffen-Herstellern. Die EU muss sich dafür einsetzen, in ihren Mitgliedsstaaten direkte wie indirekte Investitionen für die Herstellung von Atomwaffen einzustellen.
Nein zur Rüstungsexportpolitik der EU, Stopp der Rüstungsexporte aus der EU, Beendigung der Förderung der Rüstungsforschung durch die EU
Mit der Verabschiedung eines Gemeinsamen Standpunktes der EU für „gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern“ hat sich die EU am 8. Dezember 2008 rechtlich verbindliche Regularien für Waffentransfers gegeben. In der Folge hätten die Kriegswaffenausfuhren drastisch sinken müssen. Doch die Realität sieht ganz anders aus: In den letzten Jahren gingen über 80 Prozent der Rüstungsexportgenehmigungen aller EU-Mitgliedsstaaten an Länder außerhalb der EU. Waffen aus der EU kommen in Kriegs- und Krisenregionen zum Einsatz. Im Jemen-Krieg, einer der größten humanitären Katastrophe der letzten Zeit, werden deutsche Kleinwaffen eingesetzt und es fallen Bomben einer italienischen Tochterfirma des Düsseldorfer Rüstungskonzerns Rheinmetall. Für Bombardierungen stehen dem saudischen Königreich Eurofighter- und Tornado-Kampfjets zur Verfügung – beides Flugzeugtypen, die von Rüstungsunternehmen in EU-Mitgliedsstaaten gemeinsam gebaut werden. Die Luftangriffe des von Saudi-Arabien angeführten Militärbündnisses sind eine Hauptursache für die Opfer unter der Zivilbevölkerung.
Als Staatenverbund rangiert die EU mit mehr als einem Viertel aller Rüstungsexporte weltweit hinter den USA aber noch vor Russland. Von 2014 bis 2019 nahm Deutschland laut dem Friedensforschungsinstitut SIPRI erneut den vierten Platz der Weltwaffenexporteure ein.
Die Rüstungsindustrie ist über ihre Lobbyist*innen massiv an der Hochrüstung der EU beteiligt. Sie sorgt über ihre Konzernbüros in Brüssel mit dafür, dass in der EU Jahr für Jahr Unsummen für Rüstungsforschung, -produktion und -export verschwendet werden. Durch PESCO und den Europäischen Verteidigungsfonds soll bei der Beschaffung und Entwicklung von Militärtechnik noch enger zusammengearbeitet werden, die Rüstungsproduktion gesteigert werden.
Die Gelder für Rüstungsforschung und -beschaffungen fehlen für die Bildungs- und Sozialsysteme. Die Lösung liegt in der Rüstungskonversion, der Umstellung auf eine sinnvolle nachhaltige zivile Fertigung in ganz Europa. So könnten europaweit weitaus mehr Arbeitsplätze gesichert werden als in der Rüstungsindustrie.
Ausbau der EU-Institutionen für eine Zivile Konfliktbearbeitung
Wir fordern für den nächsten EU-Finanzrahmen (2021–2027) 7 Milliarden Euro für gewaltfreie Konfliktbearbeitung und Friedensförderung und 3 Milliarden Euro für die Förderung von Menschenrechten und Demokratie.
Die Europäische Union engagiert sich heute in einem großen Feld ziviler friedensschaffender und friedenserhaltender Maßnahmen, wie der Sicherheitssektorreform, Justizreform, Training und Beratung, ziviler Schutz der Bevölkerung usw. – doch die Institutionen und Mittel für diese Vorhaben sind so unzureichend, dass die EU kaum Erfolge vorweisen kann. Die EU braucht eine zivile Friedensstrategie. Hierzu gehören:
– Ausbildung und Training der EU-Mitarbeiter*innen in ziviler Konfliktbearbeitung und Gender im Rahmen der Personalentwicklung für die gemeinsame Außenpolitik.
– Eine systematische Einbindung der Zivilgesellschaft und substanzielle Stärkung des Instruments für Stabilität und der Peacebuilding Partnerschaft.
– Eine klare Trennung ziviler Friedensförderung von militärischen Maßnahmen der EU oder ihrer Mitgliedsstaaten. Langfristig muss es einen vollständigen Verzicht auf militärische Missionen und eine Fokussierung der EU als rein ziviler Akteur geben.
– Ein Verzicht auf die Förderung militärischer Kapazitäten lokaler und regionaler Akteure, wie etwa der sogenannten „Friedensfazilität“ der Afrikanischen Union. Stattdessen Unterstützung der Regionalorganisationen beim Aufbau ziviler Kapazitäten für Früherkennung und Krisendiplomatie, insbesondere für größere Monitoringmissionen von Wahlen, Menschenrechtskrisen, Waffenstillständen usw.
– Der Ausbau der zivilen Managementkapazitäten innerhalb der gemeinsamen Außenpolitik, insbesondere der Abteilung für Konfliktprävention, Peacebuilding und Mediation. Bessere Abstimmung mit anderen EU-Institutionen, insbesondere der langfristigen Konfliktvorsorge im Rahmen der Entwicklungshilfe.
Mischen Sie Sich ein!
Alle fünf Jahre werden EU-weit die Abgeordneten für das Europäische Parlament gewählt. Das Europäische Parlament ist das einzige Organ der Europäischen Union, das direkt von der europäischen Bevölkerung gewählt wird, diese repräsentiert und ihr im parlamentarischen Bereich Einflussmöglichkeiten gibt.
Die EU bezeichnet sich heute, 80 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs, als Friedensmacht. Diesem Selbstbild stehen aber aktuell zahlreiche Kriegseinsätze der EU-Mitgliedsländer, die Aufrüstung der EU sowie die militarisierte Flüchtlingsabwehr (FRONTEX) entgegen. Die Europäische Union verfügt inzwischen über ein ansehnliches Instrumentarium militärischer Rüstungs- und Interventionsfähigkeit. Am Beispiel der Ukraine-Krise wird deutlich, wie schädlich die kurzsichtige, auf Machtausdehnung orientierte Außenpolitik der EU ist.
Für eine EU, die für eine friedliche, sichere Zukunft ihrer Bürger steht und die eine Außenpolitik betreibt, die sich für eine gerechte und nachhaltige Entwicklung aller Menschen auf diesem Planeten stark macht, brauchen wir eine andere Politik im EU-Parlament.
Als Basis einer solchen anderen Politik fordern wir die Kandidat*innen zum EU-Parlament auf, sich für die Friedenspositionen einzusetzen, die wir hier zusammengestellt haben.
Werden Sie als Wählerin und Wähler damit im Wahlkampf aktiv:
– konfrontieren Sie die Kandidat*innen vor Ort mit den Forderungen
– fragen Sie danach auf Wahlkampfveranstaltungen
– befragen Sie die Abgeordneten und Kandidat*innen auf abgeordnetenwatch.de nach deren Positionen
Für eine friedliche und zivile EU!
Text: DFG-VK NRW