Aktionskonferenz PAXX – Peace Action Trainings
(Von Roland Blach, Stephan Brües und Otto Reger
https://zivilcourage.dfg-vk.de
für Zivilcourage 5-2010
)
Vom 29. Oktober bis 1. November fand im Volkshaus Neckarau in Mannheim eine intensive und kreative Aktionskonferenz statt: PAXX – Peace Action Trainings. Neben dem Hauptinitiator DFG-VK waren auch das Heidelberger Party-Kollektiv „Party & Activism“, die Werkstatt für Gewaltfreie Aktion Baden, das Friedensplenum Mannheim und der Bund für Soziale Verteidigung aktiv beteiligt.
Die Idee der Aktionskonferenz war, frischen Wind in die Friedensbewegung zu bringen, neue und altbewährte Aktionsformen (wieder) kennenzulernen und einzuüben und mit den besprochenen Inhalten zu verknüpfen.
Drei Meter hohe Großpuppen und Straßentheaterszenen zeigten, dass die rund 60 TeilnehmerInnen der viertägigen PAXX – Peace Action Trainings in den Workshops erfolgreich neue Formen gefunden haben, Abrüstung und Frieden wieder stärker in die öffentliche Debatte zu bringen.
Das ist dringend nötig angesichts der Tatsache, dass Deutschland Europameister im Rüstungsexport ist und auch die Bundeswehr selbst permanent teure und effizienter tötende Waffen beschafft. Während die Bundeswehr ihre Einsätze im Ausland und ihre Werbefeldzüge im Inland verstärkt, kommt die atomare Abrüstung kaum voran: Immer noch lagern die Atomsprengköpfe im Fliegerhorst Büchel in der Eifel in Rheinland-Pfalz. Darüber wurde in den Themen-Workshops intensiv informiert und diskutiert.
Ausgelassen Party feiern und beim Lachworkshop Tränen lachen lässt sich sehr gut mit inhaltlicher Arbeit verbinden: In den Workshops beschäftigte man sich – unterstützt durch kompetente Referentinnen wie z. B. Regina Hagen oder Lisa Schindler und Referenten wie Andreas Buro, Torsten Schleip und Roland Vogt – mit aktuellen Fragen. Wie Konflikte gewaltfrei ohne Blutvergießen bearbeitet werden können, war dabei ebenso ein Thema wie die Konversion von Militärflächen. Wie die BürgerInnen-Bewegung FREIe-HEIDe in Brandenburg der enorme Erfolg gelang, dass die Bundeswehr auf den Bombenabwurfplatz verzichtet, berichtete Roland Vogt.
Anlass der Aktion war die Mannheimer Bundesakademie für Wehrverwaltung und Wehrtechnik. Als „Dialogforum“ zwischen Streitkräften, Rüstungsbeschaffungsbürokratie, Rüstungsindustrie und Forschung sorgt sie dafür, dass die Waffenentwicklung unablässig vorangetrieben wird und passende Bedrohungsszenarien in die Medien gepuscht werden.
Welche Rolle die Bundesakademie spielt, schilderte Jürgen Grässlin in seiner Kundgebungsrede. Anhand von konkreten Beispielen verdeutlichte er, was es für die Menschen in anderen Ländern bedeutet, dass Deutschland nach den USA und Russland der drittgrößte Rüstungslieferant geworden ist: tausendfachen Tod, Verstümmelung und unendliches Leid. Dieser Zusammenhang wurde in verschiedenen, überaus kreativen Aktionsformen – ob durch die Großpuppen oder durch Straßentheater – verdeutlicht.
Konkret praktizierte Kreativität
Ja, Kreativität wurde großgeschrieben: In den Workshops an den Vormittagen wurden Aktionsformen wie Ziviler Ungehorsam, Rebel Clowns, Straßentheater und Großpuppenbau eingeübt. Da war Körperarbeit angesagt: Maschinen bilden, Emotionen ausdrücken, neue Definitionen alltäglicher Dinge erfinden („My lie“). Mitreißende Clowns- oder Straßentheater-TrainerInnen wie Captain Chameleon oder Anita Bertolani und Shiva Grings inspirierten die überaus motivierten Akteure – junge wie alte – zu kreativen Höchstleistungen, die bei der Aktion am 1. November am „Technoseum“ (Museum für Technik und Arbeit) aufgeführt wurden.
Ein echter „Hingucker“ (Überschrift im „Mannheimer Morgen“ am 2.11.2010) waren die drei Meter hohen Schreibtischtäter/töter, die unter der Anleitung von Larry Swingle an drei Tagen gebaut wurden.
Sie waren die Umsetzung unserer Interpretation dessen, was auf dem Mannheimer Bundeswehr-„Bildungscampus“ geschieht: Einerseits das Erlernen von Kompetenzen, wie man einen Militärapparat wie die Bundeswehr am Laufen hält, um so als Schreibtischtäter zu fungieren. Andererseits das Handeln als Schreibtischtöter, indem man dafür sorgt, Waffensysteme zur Truppe zu bringen. Oder indem man die Vernetzung von Militärverwaltung, Politik und Rüstungsindustrie und deren Bedrohungsspirale perfektioniert („Terrorismus“ – Sicherheitstechnik, Aufklärungstechnik, Waffensysteme – weitere Bedrohung, „skrupellosere Terroristen“, „gefährdete Versorgungssicherheit“ – Sicherheitstechnik …)
Vor der eigentlichen Kundgebung gab es noch ein „entrüstendes/entrüstetes Fotoshooting“ auf dem Gelände des Bildungscampus, bei welchem die Schreibtischtäter/töter und Entrüster für ein Foto in Szene gesetzt wurden. Eine „kreative Hinterlassenschaft“ in Form eines Flyers in den Briefkästen der Wohnheime der Bundeswehrangehörigen sollte diesen einen bleibenden Eindruck von der „Invasion der PAXXianer“ vermitteln. Eine prompte, empörte eMail eines Soldaten erreichte uns und zeigte, dass wir registriert wurden. Übrigens wurde diese unangemeldete Aktion noch de facto „polizeilich genehmigt“, denn eine Polizeistreife kam zufällig des Weges, fragte, was denn hier auf dem Bundeswehrgelände geschehe. Ein Fotoshooting, oh, interessant (mit Blick auf die Großpuppen), dann macht mal weiter, wir gehen dann unseres Weges… Und so zogen sie von dannen.
Wie gehen Gewaltfreie mit Gewaltbereiten um?
Einer der Anlässe für das PAXX Action Training waren die für gewaltfreie AktivistInnen frustrierenden Ereignisse in Straßburg 2009. Wie sollen Gewaltfreie mit Gewaltbereiten umgehen? In einem Workshop von Andreas Speck (War Resisters´ International) und Renate Wanie (Werkstatt für Gewaltfreie Aktion Baden) wurden verschiedene Akteure wie Polizei und DemonstrantInnen in ihren Beweggründen und Handlungen analysiert. Mithilfe des Forumtheaters (nach Augus- to Boal) wurde in einem konkreten Rollenspiel ausprobiert, wie man in einem Demonstrationszug reagiert, wenn jemand – im Schutz der gewaltfreien Gruppe – einen Stein auf die Polizei wirft. Die Patentlösung gibt es nicht, aber zweckmäßige Vorschläge. Die überzeugendste Idee schlug die jüngste Teilnehmerin vor: Die DemonstrantInnen, die damit nicht einverstanden sind, skandieren „Keine Steine“, ohne dass der Zug gestoppt wird.
Was bleibt?
Mit 20 bis 80 Jahren (Andreas Buro) war das Alter der TeilnehmerInnen und ReferentInnen breit gestreut; etwa ein Drittel waren jüngeren Alters. Eigentlich wollten die OrganisatorInnen jedoch mehr junge Leute erreichen, um auch personell frischen Wind in die Friedensbewegung bringen zu können. Künftig könnte das besser gelingen, wenn wir die jungen Leute bereits in der Planungsphase besser einbinden und so die passende (An-) Sprache für diese Zielgruppe finden.
Die DFG-VK war gut vertreten: AktivistInnen aus Hamburg, Leipzig, Witten, Heidelberg, Mannheim, Karlsruhe, Freiburg, Kirchheim-Teck, Ludwigsburg, Erlangen, Ansbach, Wetzlar, Trier, Tübingen und Weinheim waren als Teilnehmende oder ReferentInnen dabei. Neben den bereits genannten ReferentInnen waren auch AktivistInnen aus der lokalen Szene (Rote Hilfe Heidelberg, Radio-und Internet-AktivistInnen aus Heppenheim) vertreten.
Alle zeigten sich in der Auswertungsrunde sehr zufrieden mit der Veranstaltung: „tolle Leute kennengelernt“, „viel Spaß gehabt“, „neue MitstreiterInnen gefunden“, „klasse Essen“ (ein Lob an Markus und Gina für ihre edle vegane Küche).
Die Presseresonanz war gut, selbst dpa, die sonst eher selten auf solche Aktionen anspringt, waren interessiert. Die örtlichen Medien berichteten positiv.
(bild656) Das Fazit: Es war eine kreative und ungeheuer Spaß machende Veranstaltung, die in jedem Fall wiederholt werden sollte – ohne die organisatorischen Mängel, die es (leider) auch gegeben hat. Die Auswertung durch das Orga-Team hat bereits stattgefunden – eine Neuauflage wird angestrebt. Wann das geschehen könnte, ist allerdings noch ungewiss, jedoch sicher nicht kurz vor einem Castor-Transport.
Eine DVD mit einem Video und vielen Fotos ist beim DFG-VK-Landesverband Baden-Württemberg erhältlich. Weitere Informationen, insbesondere Pressartikel, sind im Internet zu finden unter
http://www.paxx-action.net
www.paxx-action.net
Roland Blach ist Geschäftsführer des DFG-VK-Landesverbands Baden-Württemberg, Stephan Brües ist ZivilCourage-Redakteur, Otto Reger ist aktiv in der DFG-VK-Gruppe Mannheim. Alle drei waren in der Vorbereitung von PAXX engagiert.
Die Veranstaltung fand im Rahmen des EU-Projekt „EUROPE FOR PEACE“ statt und wurde mit Unterstützung eines EU-Programm gefördert.
http://www.paxx-action.net