FÜR EINE PAZIFISTISCHE WENDE
und eine Politik der Abrüstung und Entmilitarisierung
Positionspapier der DFG-VK
Einleitung
Dieses Positionspapier »Für eine pazifistische Wende« soll nach dem grundsätzlich gehaltenen Programm und ergänzend zu diesem eine Basis für eine gemeinsame Politik in unserer pazifistischen Organisation sein.
Das Positionspapier gibt eine Einschätzung der globalen Lage mit der Perspektive auf Kriegsursachen und kriegerische Konflikte und schätzt unser gesellschaftliches und politisches Umfeld in der Bundesrepublik Deutschland ein, um daraus Handlungskonzepte und Forderungen an politische Entscheidungsinstanzen abzuleiten und Handlungsfelder und Aufgabenbereiche für unsere Organisation des politischen Pazifismus benennen.
1. Zur Situation der Staatenwelt aus friedenspolitischer Perspektive
Bei der Betrachtung der Staatenwelt wird oftmals stillschweigend vorausgesetzt, dass souveräne Staaten ihre politische, ökonomische und militärische Macht zur Durchsetzung ihrer Interessen einsetzen.
Die Charta der Vereinten Nationen von 1945 entwirft hingegen ein Bild von gleichberechtigten souveränen Staaten, die ihre zwischenstaatlichen Streitigkeiten vor dem Internationalen Gerichtshof beilegen, auf die Anwendung von Militärgewalt verzichten und daher abrüsten können.
Im Widerspruch dazu wird die Welt von den politischen und wirtschaftlichen Eliten in den reichen und mächtigen Staaten weiterhin als System konkurrierender Machtblöcke betrachtet. Unter dieser Prämisse werden viele der gegenwärtigen Kriege und Konflikte von der Konkurrenz der militärisch und wirtschaftlich stärksten Länder getrieben.
1.1 Die globale Perspektive
1.1.1 Weltpolitische Gewichte
Die weltpolitischen Gewichte verschieben sich weiter. Die »BRICS«-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) stellen den weltpolitischen Machtanspruch der USA in Frage. Sie besitzen bzw. erwerben eine eigenständige Rüstungsindustrie und teilweise Atomwaffenpotenziale. Das „Schanghai-Bündnis« zwischen China und Russland sowie die »Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit« (OVKS) können als neue Gegenbündnisse zur NATO gesehen werden.
Die USA betrachten ein ökonomisch und militärisch stärker werdendes China als wichtigsten Gegner. Sie wollen neue politisch-militärische Bündnisse mit den Anrainerstaaten des Pazifiks entwickeln (primär mit Australien und Neuseeland) und die Staaten der EU in eine gemeinsame Front gegen China einbinden.
Die völkerrechtlichen Institutionen und Organe werden derzeit nur begrenzt als legitime oder effektive Foren für die Regelung von weltpolitisch relevanten Herausforderungen akzeptiert. Dies zeigt sich vor allem in gegenseitigen Vorwürfen doppelmoralischen Handelns. Dadurch verengen sich Kanäle für friedenspolitisch bedeutungsvolles Handeln in internationalen Organisationen.
In einigen Staaten primär des Westens wird seit jüngerer Zeit eine Idee einer feministischen Außen- und Sicherheitspolitik verfolgt, in die viele Akteure Hoffnungen auf Veränderung des internationalen Systems und der Diplomatie sowie Krisenhilfe setzen. Diese Hoffnungen sind bislang vielfach enttäuscht worden.
1.1.2 Ein befeuerter Ost-West-Konflikt
Die Hoffnungen auf ein kooperatives und entspanntes Verhältnis zwischen den Staaten des NATO Bündnisses und der Russischen Föderation sind zerschlagen. Die stetige Eskalation in den 2000er Jahren durch Vertragskündigungen (ABM, OpenSkies, INF usw.) erlebte Verletzungen einstmals getroffener Absprachen, begrenzt erfolgreiche Abrüstungsbemühungen und sich zuspitzende Systemkonkurrenz hat zu einem fundamental gestörten Verhältnis geführt. Diese Entwicklung tiefgreifenden Misstrauens und strategischen Großmachtverhaltens (bspw. Aufrüstung der NATO-Ostflanke usw.) fand dann letztendlich ihren Niederschlag im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Beide Seiten trauen einander (auch als Vertragspartner) nicht mehr, die einseitige Interessendurchsetzung und Ressourcensicherung hat erneut Vorrang vor ausgeglichenen Verhältnissen. Dies hat auch dramatische Folgen für friedenspolitischen Spielraum.
Der Ukrainekrieg muss nicht nur als ein Krieg um ukrainisches Territorium verstanden werden, sondern auch als Krieg mit Symbolwirkung für die sich neu strukturierende geopolitische Ordnung: Aus russischer Sicht soll der Einfluss von USA und EU zurückgedrängt und mit einer russischen Hegemonie überschrieben werden. Aus westlicher Perspektive gilt die Ukraine weiterhin als legitimes Interventionsfeld westlicher Interessen mit hoher Symbolkraft für den post-sowjetischen Raum.
Die Folgen dieser Eskalation in der Ukraine sind aber auch nicht nur lokal zu spüren (direkte dramatische Kriegsfolgen), sondern führen zu einem neuen Wettrüsten, eskalierender Kriegsrhetorik und einer beispiellosen Militarisierung der öffentlichen Diskussion im Westen wie im Osten. Mittlerweile zeigt sich eine Verschärfung einer ganzen Reihe von Konfliktdimensionen: Ein erhöhtes Risiko der Eskalation zum Atomkrieg, energie- und wirtschaftspolitische Entkoppelung, diplomatische Blockadehaltungen, gegenseitige Sanktionspolitiken und ein weiteres Erstarken der NATO durch die Neumitglieder Schweden und Finnland. Die ökonomischen Folgen der Aufrüstung im Westen und der Kriegswirtschaft in Russland machen sich mittlerweile durch die stetige Beschneidung sozialer Fürsorge und einer wachsenden versteckten Verschuldung bemerkbar.
Trotz erneut gestiegener Bedeutung der NATO (vgl. Abschnitt 1.2) verfolgen Teile der politischen Eliten in Frankreich und Deutschland (und evtl. weiteren Staaten der EU) das Projekt eines strategisch eigenständigen Europas. Dies wird allerdings nicht friedenspolitisch in Abgrenzung zu Militärbündnissen verstanden, sondern primär als wirtschaftlich und militärisch »autonomes« Europa skizziert, das sich dabei als konkurrenzfähig markieren möchte und in Konfrontation zu v.a. Russland und China steht. Auch dieses Projekt befeuert ein konfliktives »Ost-West-Verhältnis«.
1.1.3 Das Nord-Süd-Verhältnis bzw. globale Ressourcen
Das »globale Nord-Süd-Verhältnis« ist die zweite bedeutende Konfliktstruktur. Der »Globale Norden« ist weiterhin abhängig von Rohstoffen und Agrarprodukten zur Absicherung seines vergleichsweise hohen Lebensstandards, der extreme Ausbeutung und Ungleichheiten im »Nord-Süd-Verhältnis« verankert und gleichzeitig zu hochgradiger Ungleichheit und Konkurrenz in den Gesellschaften des »Globalen Nordens« führt.
Der im vergangenen Jahrhundert dominierende Krieg um Öl ist in den Hintergrund getreten und wurde abgelöst durch einen Wettlauf um viele unterschiedliche Rohstoffe, wie z.B. Seltene Erden, Holz und Sand. Dieser zeigt sich in vielfältigen Formen der Einmischung durch die Industriemächte, multinationale Konzerne und private Söldnertruppen. Die interessengeleitete Ressourcensicherung (und deren militärischer »Schutz«) ist allen Blöcken gemein. Die Volksrepublik China will Anteile an diesen Ressourcen sichern und stellt damit die überkommenen Privilegien der multinationalen Konzerne »des Westens« bei der Ausbeutung der Ressourcen im »Globalen Süden« in Frage.
1.1.4. Aufrüstung, Atomwaffen und Kriegsgefahr
Mit der einseitigen Kündigung des ABM-Vertrags (2001), des INF-Vertrags (2019) und des »Open Skies«-Abkommens (2003) durch die USA sowie des Endes des »New START«-Vertrages 2023 durch den Rückzug Russlands gibt es derzeit keine vertraglichen Schranken mehr gegen ein Wettrüsten bei Angriffs- und Abwehrwaffen, sondern lediglich Absichtserklärungen und politische Zusagen. Die Zahlen zu Aufrüstung und Modernisierung von Waffensystemen zeigen seit mehreren Jahren eine sich kontinuierlich steigernde globale Rüstungsspirale mit einer dramatischen Zunahme zwischen 2021 und 2023.
Einen kleinen Lichtblick bietet das neue Rahmenvertragswerk des Atomwaffenverbotsvertrags (TPNW), der seit 2021 in Kraft ist und einen normativen und auch politischen Kontext bietet, die Frage der Ächtung atomarer Waffen voranzutreiben. Die Atomwaffenstaaten und ihre Alliierten ignorieren den Vertrag bislang – doch immerhin haben einige NATO-Staaten als Beobachter*innen an Verhandlungen teilgenommen. Noch wurden im Krieg gegen die Ukraine keine Atomwaffen eingesetzt. Die Möglichkeit der Ausschaltung oder Manipulation der Frühwarn- und Führungssysteme erhöht die Gefahr eines Atomkrieges aus Versehen oder aufgrund einer Fehleinschätzung der Lage.
1.1.5 Klimakrise und planetare Grenzen
Der Klimawandel ist die dominante global wirkende Krise, auf die sich die meisten Anstrengungen richten müssten. Dessen Folgen, der Verlust von landwirtschaftlich nutzbaren Flächen und der Raubbau an Ressourcen sind Grund genug, die Frage nach den ökologischen Grenzen des Wachstums und einer nachhaltigen Wirtschaftsweise zu stellen, nicht nur im »Globalen Süden«. Durch die Folgen des Klimawandels werden Konflikte verschärft, aber nachhaltige Klimapolitik wird nirgendwo betrieben, obwohl die Szenarien bei weiterer Eskalation düster sind.
Die Pläne zur ökologischen Wende auf der Grundlage des Pariser Klimaabkommens waren schon vor dem Krieg in der Ukraine unrealistisch. Die aktuelle Politik der Aufrüstung und Militarisierung seit der „Zeitenwende“ verschlingt enorme Ressourcen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die für andere Probleme dringend benötigt werden. Krieg, Militär und Rüstung tragen wesentlich zur Klimaerwärmung und Verschlechterung der Klimabilanzen bei und entfernen uns immer weiter von den Zielen des Pariser Klimaabkommens. Kriege führen nicht nur direkt zu Fluchtbewegungen aus den Krieg führenden Ländern, sondern auch indirekt durch die Folgen der Klimaerwärmung, die immer mehr Landstriche des Planeten Erde unbewohnbar machen. Statt sich zu erweitern werden die Handlungsspielräume ökologischen Handelns durch Krieg und Aufrüstung weiter eingeschränkt. Der Kampf gegen den durch Krieg und Aufrüstung befeuerten Klimawandel ist daher notwendiger Teil der antimilitaristischen Politik der DFG-VK.
Für effektiven Klimaschutz benötigen wir internationale Kooperation, die wiederum auf Vertrauen beruht, das nur durch Abrüstung geschaffen werden kann. Ebenso ist Abrüstung eine notwendige – aber nicht ausreichende – Bedingung für eine friedliche und menschenwürdige Anpassung an die Folgen des Klimawandels.
1.1.6 Regionale Konflikte
Minderheitenkonflikte und Separationsbestrebungen existieren in vielen Staaten, aber aus europäischer Perspektive wird die Bedeutung dieser Konflikte und Kriege nur dort gesehen, wo eigene wirtschaftliche, militärische oder politische Interessen europäischer Länder vorhanden sind.
So gibt es in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens noch keine Regelung, die Selbstbestimmung und Gleichberechtigung aller Bevölkerungsgruppen sowie Frieden und Gerechtigkeit fördert. Gleiches gilt für territoriale und ethnische Konflikte im Kaukasus. Hoffnungen auf den »Arabischen Frühling« oder kurdische Autonomie haben sich weitgehend zerschlagen. Stattdessen gewinnen imperiale und national-chauvinistische Positionen weltweit wieder an Boden.
Von besonderer Bedeutung ist der jahrzehntelange Konflikt in Israel/Palästina, der im Oktober 2023 neu eskalierte und zu einem Flächenbrand in der Region führen kann. Eine dringend notwendige Befriedung dieses Konfliktes muss Sicherheit für die Bevölkerung Israels herstellen und palästinensische Eigenstaatlichkeit mit sicheren Lebensverhältnissen umsetzen. Dies ist nur unter Einbeziehung der weiteren involvierten Staaten möglich, die entweder eine der beiden Konfliktparteien unterstützen oder aber als Vermittler in Frage kommen. Dazu zählen sowohl die USA und die EU Staaten als auch der Iran, Saudi-Arabien, Katar, der Libanon, Ägypten, Jordanien und die Türkei.
Dahingegen dürfen regionale Konflikte von weniger großer Bedeutung für die europäischen Staaten nicht vergessen werden, zum Beispiel: Sudan (militärische Vormachtstellung konkurrierender Fraktionen), Eritrea, Kolumbien, Chile, Peru, Guatemala (innergesellschaftliche Konflikte), Indien, Myanmar, Indonesien (Sezessions- und Dekolonisierungskonflikte) und Kongo–Ruanda (zwischenstaatliche Interessenkonflikte).
Durch ihr strategisches Agieren in einer Vielzahl regionaler Konflikte treffen auch die hegemonialen Interessen der Großmächte immer wieder aufeinander – das Zeitalter der Stellvertreterkriege ist mitnichten zu Ende.
1.1.7 Krieg gegen den Terrorismus
Derzeit spielt der sogenannte Krieg gegen den Terrorismus global eine untergeordnete Rolle. Mit dem Scheitern des Krieges in Afghanistan ist der Krieg gegen den Terrorismus jedoch noch nicht beendet.
Ziel des »Kriegs gegen den Terror« von USA und wechselnder Alliierter nach den Anschlägen vom 11. September 2001 war nicht der Schutz der Bevölkerung, sondern die Beseitigung der Regime im Irak, in Afghanistan, Syrien, Libyen und Jemen.
Hunderttausende Menschen sind ihm zum Opfer gefallen, das Völkerrecht und die internationalen Beziehungen wurden geschwächt, die Reputation der USA und ihrer Verbündeten auf Dauer schwer beschädigt. Die Konsequenzen davon zeigen sich heute deutlich.
Der Krieg gegen den Terror wurde auch nach mehr als zwei Jahrzehnten nicht gewonnen – und er kann auch niemals gewonnen werden. Terrorgruppen können jederzeit einen Kämpfer in irgendein Café schicken, eine Bombe zünden lassen und damit demonstrieren, dass die mächtigsten Länder der Welt nicht in der Lage waren, sie zu schlagen.
1.2 Die Rolle der NATO
Die NATO ist die militärische Organisation der »westlichen« Industrienationen. Sie wurde zuerst als Bündnis gegen die von der Sowjetunion angeführten sozialistischen Staaten gegründet. Nach dem Ende des »Ost-West-Konflikts« richtete sich die NATO auf militärische Interventionen aus, wie beispielsweise auf dem Balkan, in Somalia und Afghanistan[i]. Dahinter steckt das strategische Ziel, den eigenen Einflussbereich zu erweitern oder Handelswege und industrielle Rohstoffe zu sichern.
Durch die Vergrößerung der schnellen Eingreiftruppen und die Modernisierung der Atomwaffen baut die NATO sowohl ihre konventionelle Schlagkraft als auch die atomare Erstschlagkapazität weiter aus.[ii] [iii]
Ausgehend von ihren eigenen nationalen Interessen definieren die Mitgliedsstaaten die Rolle des NATO-Bündnisses unterschiedlich:
- Die USA sichern mit Hilfe der NATO-Organisation den Fortbestand ihrer zahlreichen Militärbasen auf dem Territorium der Mitgliedsstaaten. Die guten wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen zwischen einzelnen EU-Ländern (wie Deutschland) und Russland werden belastet[iv], woran die NATO-Osterweiterung einen nennenswerten Anteil hatte.[v] [vi] [vii]
- Die seit dem Jahr 1999 beigetretenen Länder sehen in der NATO ein Bündnis zum Schutz vor befürchteten Angriffen Russlands.[viii]
- Die westeuropäischen Bündnispartner sind bemüht, in zunehmendem Maße eigenständig Kampfeinsätze durchführen zu können, oft im Einvernehmen mit den USA (siehe Abschnitt 1.3).
Darüber hinaus hat sich die NATO selbst das Mandat erteilt, Militärmacht auch in Teilen Asiens und Afrikas zu sein (also über das Bündnisgebiet hinaus) und ist zudem entlang der Seewege zwischen Europa und Südostasien aktiv. Marineschiffe der europäischen NATO-Mitglieder (Deutschland[ix], Großbritannien[x]) demonstrieren gemeinsam mit den USA im Südchinesischen Meer militärische Stärke gegen China. Dadurch befeuert die NATO einen neuen »Ost-West-Konflikt«, der an eine Neuauflage des Kalten Kriegs erinnert und das Potenzial hat, zum heißen Krieg zu führen.
1.3. Die Rolle und Entwicklung der EU
15 Jahre nach der Unterzeichnung des Vertrags von Lissabon stellt sich die Außenpolitik der Europäischen Union neu dar. Der im Vertrag mit angestrebte Aufbau einer Militärmacht ist vorangeschritten, parallele Verstärkungen der polizeilichen Grenzabschreckung vervollständigen die machtpolitische Perspektive.
Der Europäische Rat kann Militärinterventionen in aller Welt beschließen. Die Mitglieder verpflichten sich zur Unterstützung solcher Interventionen sowie zur Aufrüstung. Einige Staaten der EU, insbesondere Deutschland und Frankreich, betreiben den Aufbau einer Militärmacht der EU und stellen dazu eigene bi- oder trilaterale Kampftruppen auf. Die EU wird zu einem Militärbündnis und damit sowohl zum Kooperationspartner der NATO, als auch in Teilen zu ihrem Konkurrenten (Stichwort: »strategische Autonomie«).
Wegen der inneren Widersprüche in der EU sind zwar militärische Strukturen im Aufbau, aber die geplanten gemeinsamen Streitkräfte weiterhin nicht im vollen Umfang verfügbar. Auch die Idee einer EU-Armee wird immer wieder ins Spiel gebracht, findet aber aktuell keine Mehrheit.
Mit der EU-Globalstrategie (EUGS) von 2016 wird ein potenzieller militärischer Handlungsbedarf u.a. zur Sicherung des Zuganges zu natürlichen Ressourcen und von Handelswegen beschrieben. Als Einsatzraum wird darin eine Region bis Zentralasien und Zentralafrika benannt, die Sicherung der Handelswege umfasst sogar das Südchinesische Meer.
Der Raum für zivile und nichtmilitärische Alternativen schrumpft weiter zusehends – und entzieht auch zusätzlich den parallel aufrechterhaltenen friedenspolitischen Ambitionen der EU zunehmend den Boden (beispielsweise in den Bereichen Mediation und Konfliktvermittlung).
Die wirtschaftlich und politisch Verantwortlichen in einigen EU-Staaten wollen die EU zur stärksten Wirtschaftsmacht der Welt machen. Die wirtschaftliche Leistungs- bzw. auch Konkurrenzfähigkeit untereinander wurde mit einer Absenkung des Lohnniveaus sowie der Senkung von Steuern und daraus folgender gigantischer Staatsverschuldung erkauft. Die sogenannte Schuldenkrise hat gezeigt, dass sich die EU nicht zu einer Staatengemeinschaft mit gleichem Wohlstandsniveau entwickelt, sondern Profite und Finanzkapital in die ökonomisch führenden Staaten, v.a. Deutschland und Frankreich, transferiert werden.
Die nationalen Regierungen in der EU haben kein Konzept für ein gemeinsames Europa der sozialen Gerechtigkeit und des nachhaltigen Wirtschaftens. Regressive Trends und europafeindliche Stimmungen lassen überall populistische Parteien entstehen und etablierte Parteien nach rechts rücken – die daraus resultierende Politik hat auch schon »Erfolge« erzielt: vom Brexit Großbritanniens 2020 über die autoritären politischen Positionen in den Visegrad-Staaten, allen voran in Ungarn, bis hin zur Erstarkung offen faschistischer Parteien in Deutschland, wie der AfD.
Gegenüber dem »Globalen Süden« ist zudem eine »Festung Europa« entstanden, die große Teile von Flüchtenden abhalten soll. Das System der Grenzabschreckung bleibt trotz anhaltender Kritik bislang weitgehend unberührt.
Das nach innen vielfach positiv gesehene »Friedensprojekt« EU tritt nach außen immer stärker konfrontativ auf. Dieser Widerspruch führt auch zu Frustrationen und Enttäuschung über die EU als friedenspolitischem Akteur. Die Tendenzen der Militarisierung befeuern diesen Eindruck – eine kohärente friedenspolitische Vision hingegen fehlt vollkommen.
1.4. Die Rolle und Situation Deutschlands
Vertreter*innen der Bundesregierung[xi] sprechen gern von einer veränderten Rolle Deutschlands hin zu mehr Verantwortung in der Welt, die vorrangig militärisch wahrgenommen werden sollte. In Zahlen zeigt sich das in der Verdoppelung des stetig steigenden Rüstungshaushalts seit 1990, dem Sondervermögen für die Bundeswehr im Umfang von 100 Milliarden Euro und der Umsetzung des Zwei-Prozent-Ziels der NATO. Ab dem Jahr 2026 wollen die USA neue Mittelstreckenraketen in Deutschland stationieren.
Mit der Durchsetzung des Zwei-Prozent-Ziels werden der deutschen Rüstungsindustrie die Mittel zur Verfügung gestellt, mit deren Hilfe sie ihre Kapazitäten erweitern, die Waffensysteme für eine »zukunftsfähige, einsatz- und kriegstüchtige Bundeswehr« produzieren und mit den Überschüssen zum weiteren Ausbau der deutschen Rüstungsexporte beitragen kann.
Deutschland greift auch ohne direkte militärische Beteiligung in laufende Kriege ein, zum Beispiel durch Waffenlieferungen und Ausbildung ausländischer Soldat*innen. Zudem stationiert Deutschland erstmals Einheiten der Bundeswehr dauerhaft (also ohne zeitliche Befristung) außerhalb des eigenen Staatsgebiets, nämlich eine Brigade in Litauen. In ihrer Nationalen Sicherheitsstrategie und ihrer China-Strategie hat die Bundesregierung ihre wichtigsten Gegner benannt: Russland und China. Die jahrzehntelang gepflegte bundesdeutsche Entspannungspolitik hinsichtlich des Ostens Europas und darüber hinaus wird nicht fortgesetzt. Ziele und Mittel einer so deutlich werdenden Machtpolitik werden in Papieren wie der „Nationalen Sicherheitsstrategie“ verschleiert. Dazu dient der Begriff der „Sicherheit unseres Landes“
Die Ausrichtung der Politik auf Krieg lässt sich nicht verwirklichen, ohne dass die Gesellschaft zur Mitarbeit herangezogen wird. Die »Sicherheit im Luftraum, im Cyber- und Informationsraum sowie die Weltraumnutzung« werden laut den Verteidigungspolitischen Richtlinien »aufgrund zivil-militärischer Schnittstellen ressortübergreifend oder ggf. sogar ressortgemeinsam etabliert. Ihre Überführung in den militärischen Einsatzbetrieb in Krise und Krieg ist vorzusehen.« Die Verteidigungspolitischen Richtlinien sehen auch vermehrte Anstrengungen im Bereich »Zivile Verteidigung« vor. Dabei geht es um die Unterstützung militärischen Handelns durch zivile Kräfte. Das Bundesministerium des Innern und für Heimat beschreibt die Aufgaben der Zivilen Verteidigung folgendermaßen:
»1. Aufrechterhaltung der Staats- und Regierungsfunktionen, 2. Zivilschutz, 3. (Not-)Versorgung der Bevölkerung, 4. Unterstützung der Streitkräfte« (Stand: Dezember 2023). Mittel der zivilen Konfliktlösung werden nicht ernsthaft in Betracht gezogen.
Trotz seit Jahren überparteilich versicherter Aufstockung ihres Finanzrahmens erhält die Zivile Konfliktbearbeitung nur den hundertsten Teil der Mittel, die für die Finanzierung militärischer Mittel aufgewendet werden. An anderer Stelle werden Mittel der Entwicklungszusammenarbeit zweckentfremdet[xii]. Pazifistische Forderungen werden im Kontext der »Zeitenwende« in einem seit Jahrzehnten ungekannten Maße diffamiert, ein gesellschaftlicher Pazifismus, auf den man sich lange Zeit berufen konnte, ad acta gelegt.
Innenpolitische Konflikte bestehen mannigfaltig – und werden doch als friedenspolitisch nicht relevant und auch im Außenverhältnis als nicht weiter wichtig betrachtet: Ökonomische und soziale Ungerechtigkeiten, faschistische Umsturzfantasien und das Erstarken rechter und offen faschistischer Parteien, rassistische, antimuslimische und antisemitische Hassgewalt, Fremdenfeindlichkeit und viele weitere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit bestehen bis tief in die Mitte der Gesellschaft hinein.
Die Lastenungerechtigkeit aufgrund sich verändernder klimatischer Bedingungen und die Kriminalisierung sozialer Gerechtigkeitsbewegungen weisen auf eine autoritäre und selbstbezogene Politik ohne eigenes Transformationsziel hin – die Wahrung des Besitzstandes und die Sicherung der Ressourcenzugänge hat Priorität.
2. Eine pazifistische Wende in einer militarisierten Welt
Die militarisierte Welt hat keine Zukunftsperspektive für die jetzigen und kommenden Generationen. Die Zukunft ist vielfach bedroht:
- durch unmittelbare Vernichtung durch Atomkrieg, wobei auch schon ein »regional begrenzter« Einsatz von wenigen Atomwaffen ausreichen würde, unsere Zivilisation auszulöschen.[xiii]
- durch Fehlinvestition von Arbeitskraft, Ressourcen und Steuergeld in Militär- und Rüstungsausgaben, so dass die für Energiewende und nachhaltige Kreislaufwirtschaft nötigen Mittel fehlen und die Klima- und Umweltkatastrophe weiter angeheizt wird.
Die Entscheidung für die pazifistische Wende und gegen ein neues Wettrüsten ist nicht nur moralisch richtig, sondern auch die Entscheidung, die man aus rationalen Überlegungen zu Verantwortungsbewusstsein und einem »Selbsterhaltungstrieb« treffen sollte.
Wir beobachten ein stetig sich verschärfendes und verhärtendes globales Konfrontationsverhältnis. Diese konfrontativen Verhältnisse müssen durch Deeskalation aktiv beendet werden. Einige Grundpfeiler einer solchen Deeskalation können klar benannt und angegangen werden: Gesprächskanäle, vertrauensbildende Maßnahmen, Rüstungskontrollgespräche, Abrüstungsmaßnahmen u.a. Dabei kann Europa eine Schlüsselrolle einnehmen.
2.1 Zusicherung gegenseitigen Nichtangriffs, Sicherheit des Gegners als erster Schritt einer Demilitarisierung
Eine stabile Sicherheitsarchitektur gründet auf der wechselseitigen Zusicherung des Nichtangriffs und besteht aus folgenden Elementen:
- Nichtangriffs-, Abrüstungs- und Rüstungskontrollverträge
- Abbau der eigenen Offensivfähigkeit wie auch der der Gegenseite
- Entmilitarisierung zu Land, Luft und Wasser, im Weltraum, Cyberspace und Inforaum
- Einführung von Maßnahmen gegenseitiger Vertrauensbildung
- Reform und Stärkung der UN im Rahmen ihrer ursprünglichen Zielsetzung
2.2 Sicherheitslogik beenden, Friedenslogik verankern
Auf Macht und Militär gestützte Sicherheit ist stets zerbrechlich und unvollkommen. Der Schutz der Menschen vor und in bewaffneten Konflikten hat Priorität. Deshalb erkennen wir zwischen- und innerstaatliche bewaffnete Konflikte zunächst als Probleme der Gewalt, wogegen wir auf Soziale Verteidigung anstelle von Militär setzen. Der Vorbeugung gegen Krieg und Gewalt kommt dadurch eine sehr große Bedeutung zu. In einem Konflikt sind alle Parteien an der Entstehung beteiligt, weshalb die Beiträge aller Seiten herausgearbeitet und anschließend Wege zur zivilen Konfliktdeeskalation und Konflikttransformation beschritten werden müssen. Diese friedenslogische Herangehensweise vermeidet, den Gegenüber als Feind zu betrachten, vor dem ich mich mit Waffen schützen muss. Stattdessen sehe ich in ihm einen Partner, mit dem ich zwar in Konflikt geraten kann, aber mit dem auch ein Interessenausgleich möglich ist.
2.3 (Menschliche) Sicherheit neu ausrichten
Wir brauchen neue Konzepte und Institutionen der Sicherheit, die das regionale und globale Zusammenleben der Menschen gemäß einer »erweiterten menschlichen Sicherheit« gestalten können und über vorrangig staatlich interessenbasierte Sicherheit hinausgehen. Dazu ist es notwendig, die zu sichernden Interessen und Rechte aller Menschen global erneut und umfassender in den Blick zu nehmen, als dies bisher geschieht. Hier wäre der wirkliche Ort für eine ihrem Wesen nach echte „feministische Außenpolitik“, die auf eine wesentliche Verbesserung der Sicherheitsbedürfnisse aller Menschen setzt. Dafür baut sie auf folgenden Prinzipien auf: Intersektionalität, Empathie, substanzielle Repräsentation und Partizipation, Rechenschaftspflicht und aktives Friedensengagement.[xiv]
Eine von solchen Prinzipien getragene Arbeit für menschliche Sicherheit nimmt gezielt den Schutz der Grundfreiheiten, der Grundbedürfnisse, der Unversehrtheit des Lebens und der Menschenrechte in den Blick. Ein gewendetes Verhältnis drückt sich dann aus im Abbau von Armut und dem Abbau extremer Ungleichverteilung des Reichtums, im Zugang zu Bildung und der Zusicherung der Menschenrechte auf Freizügigkeit und Asyl.
2.4 De-Kolonialisierung und Abbau globaler Abhängigkeitsverhältnisse
Deutsche Außenpolitik muss auf die Entwicklung nachhaltiger und eigenständiger wirtschaftlicher Strukturen der Länder des »Globalen Südens« abzielen, die Vorrang vor dem neokolonialen Transfer von Ressourcen in den »Globalen Norden« haben. Eine pazifistische Wende in der globalen Wirtschaftsstruktur bedeutet auch, den militärisch unterstützten Zugriff auf begrenzte Rohstoffe zu delegitimieren. Anstatt weiter auf die Überausbeutung der ökologischen Ressourcen der Erde zu setzen, ist eine Umorientierung zu einer nachhaltigen und fairen Lebens- und Wirtschaftsweise erforderlich, nicht zuletzt durch die vorrangige Umsetzung des Pariser Klimaabkommens von 2015 und der Folgeabkommen.
Dafür müssen neue ethisch akzeptable Regelwerke für den Welthandel erarbeitet und die Macht transnational operierender Konzerne begrenzt werden. Entsprechend muss die Außenwirtschaftspolitik für mehr Gerechtigkeit in den Wirtschaftsbeziehungen neu konzipiert und in den Zusammenhang mit Kriegsverhütung und Schutz der Menschenrechte gestellt werden. Die strukturelle Gewalt der globalisierten Ökonomie ist neben inneren Konflikten mitverantwortlich für das Scheitern von Staaten, die dann zum Objekt von Militärinterventionen werden.
3. Forderungen
Die vorangegangene Analyse und Beschreibung einer alternativen Welt führt uns zu konkreten und handlungsleitenden Forderungen an eine Reihe von Akteur*innen.
3.1 Weltweit
Alle Staaten dieser Welt sollen ihre Konflikte durch »vertrauensbildende Maßnahmen« wie Manöverbeobachtung, Ankündigung und Begrenzung von Manövern deeskalieren, die globalen Kapazitäten für Konfliktverhandlung und -nachsorge stärken und global abrüsten.
Rüstung muss in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt werden:
- Weltweit müssen Obergrenzen für die Anzahl von Waffen eingeführt werden, damit die Rüstungsspirale gestoppt und der Neuanfang einer allgemeinen globalen Abrüstung im Rahmen einer UN-Abrüstungskonferenz ermöglicht wird.
- Neben der Anzahl müssen auch besonders gefährliche Waffensysteme durch Abkommen begrenzt oder ganz gebannt werden, wie die »intelligenten« Waffensysteme oder autonome Waffen, Landminen, Streubomben und Chemiewaffen.
- Bestehende Kontrollregime wie das »Missile Technology Control Regime« (MTCR = Raketentechnik Kontrollregime) und der »Haager Verhaltenskodex gegen die Proliferation ballistischer Raketen« müssen zu einem internationalen Vertragswerk entwickelt werden.
- Atomwaffen sind weltweit zu ächten. Alle Staaten, die dies noch nicht getan haben, sollen dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten, die darin enthaltenen Maßnahmen umsetzen und die Atommächte diplomatisch dazu drängen, die im folgenden Abschnitt aufgezählten Abrüstungsschritte zu gehen. Staaten, die über die nukleare Teilhabe Atomstreitkräfte unterhalten, wie die Bundesrepublik Deutschland, würden darauf verzichten.
3.2 Staaten im Besitz von Atomwaffen
Die neun Atommächte USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, VR China, Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea sollen:
- eine sofortige, umfassende und von allen Atomwaffen-Staaten unterzeichnete völkerrechtlich verbindliche Erklärung zum Verzicht auf die Erstverwendung abgeben;
- sämtliche Kapazitätsausbau- und Modernisierungsprogramme von Atomwaffen stoppen;
- der Verpflichtung zur atomaren Abrüstung aus dem NPT-Vertrag nachkommen (auch, wenn sie diesen nicht ratifiziert haben);
- schrittweise alle Atomwaffen abrüsten.
3.3 NATO-Staaten, Russland und China
Über das Vorgenannte hinaus sind die NATO-Mitgliedsstaaten, Russland und China aufgefordert:
- keine Mittelstreckenwaffen zu stationieren und zu entwickeln
- den KSE-Vertrag und das Open-Skies-Abkommen neu zu verhandeln mit der Zielsetzung einer Zone mit reduzierter Militärpräsenz in Osteuropa bzw. einer neutralen Pufferzone zwischen NATO und Russland,
- einen sofortigen und umfassenden Waffenstillstand in der Ukraine sowie Verhandlungen für einen nachhaltigen Frieden zu unterstützen,
- zum völkerrechtlichen Grundsatz der territorialen Integrität zurückzukehren und ihre Militärangehörigen aus der Ukraine abzuziehen und
- die OSZE zu retten oder eine alternative Struktur kollektiver Sicherheit zu etablieren
3.4 Europäische Union
Wir fordern von den Staaten Europas und den Institutionen der EU:
- den Aufbau europäischer gemeinsamer Militärstrukturen (z.B. Oberkommando, gemeinsame Eingreiftruppen) zu stoppen und die Auflösung schon bestehender Strukturen,
- ein Ende der militärisch-polizeilichen Übergriffe der Grenzagentur FRONTEX und den Ersatz durch zivile Seenotrettung,
- die umgehende Beendigung aller Militär-Programme der EU: Weder Rüstungsindustrieförderung (PESCO, FCAS u.a.), noch eine europäischen Rüstungsagentur,
- die Umwidmung der »Europäischen Friedensfazilität« (EFF[xv]) in eine Organisation, die zivile und diplomatische, menschenrechtliche und humanitäre Instrumente fördert,
- die drastische Erhöhung der finanziellen Mittel für zivile Konflikttransformation, darin eingeschlossen die Unterstützung von Menschenrechtsverteidiger*innen, den Ausbau diplomatischer und ziviler Konfliktbearbeitungsstäbe sowie eine umfassende Implementierung von Maßnahmen zur Erfüllung des Entwicklungsziels SDG16 »Frieden und friedliche Institutionen«.
3.5 Forderungen an die Bundesrepublik
Darüber hinaus erheben wir an die Bundesregierung die folgenden Forderungen:
- die Abkehr von der »Nationalen Sicherheitsstrategie« und die Hinwendung zu ziviler Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und -nachsorge,
- weitgehende Investitionen in den Ausbau von Institutionen der zivilen Friedenssicherung und Konfliktbearbeitung, darin eingeschlossen die Ausbildung und Qualifizierung von Friedensfachkräften,
- keine Sonderschuldenprogramme für die Bundeswehr,
- Verringerung der Einzelhaushalte für Bundeswehr und NATO,
- Abschaffung der Bundeswehr,
- Ausbau und Erhalt von Institutionen der zivilen Daseinsfürsorge, der Sozialhilfe, medizinischer Versorgung sowie gerechter Wirtschaftsverhältnisse,
- Einsatz für einen sofortigen, umfassenden Waffenstillstand und Verhandlungen für einen nachhaltigen Frieden im Nahen Osten,
- Abschaffung der sogenannten Wehrpflicht! Weder militärische noch zivile Zwangsdienste! Uneingeschränktes Recht auf Kriegsdienstverweigerung. Asyl für alle Wehrdienstentzieher, Kriegsdienstverweigerer und Deserteure aus allen Ländern.
4. Arbeitsfelder / Handlungsfelder der DFG-VK
Aus der aktuellen Politik und unserer Analyse entstehen im Zusammenklang mit dem Programm der DFG-VK die folgenden aktuellen Handlungs- und Arbeitsfelder. Diese werden benannt, da sie auch als Richtschnur und Orientierung für Bündnisarbeit gelten können. Wir zielen eine sinnvolle themenübergreifende Zusammenarbeit mit anderen Bündnissen und Bewegungen an, wo wir sie in Einklang mit unserer friedenspolitischen Zielsetzung finden.
1. Friedenspolitik
Die DFG-VK unterstützt alle Forderungen nach Rüstungskontrolle und Abrüstung. Sie setzt sich ein für die Beendigung von Kriegen durch Waffenstillstand und Friedensverhandlungen. Der Verband wirbt für den verstärkten Aufbau von Einrichtungen und Instrumenten der zivilen Konfliktbearbeitung. Er unterstützt Konzepte für eine neue Sicherheitspolitik, wie z.B. »Sicherheit neu denken«.
2. Kriegsdienstverweigerung
Die DFG-VK unterstützt alle, die Kriegsdienste verweigern wollen. Dies betrifft erstens Zeit- und Berufssoldat*innen sowie Reservist*innen der Bundeswehr, die ihren Kriegsdienst legal oder total verweigern, zweitens ausländische Soldat*innen oder Rekrut*innen, die desertiert sind und/oder Asyl beantragen, drittens alle, die Zahlung der Kriegssteuer oder die Arbeit in der Rüstungswirtschaft verweigern.
3. Antirekrutierung
Die DFG-VK engagiert sich gegen die Rekrutierungsarbeit der Bundeswehr in der Öffentlichkeit, an Schulen und Hochschulen usw. und unterstützt entsprechende Aktivitäten von Betroffenen.
4. Allgemeine Abrüstung
Die DFG-VK betreibt und unterstützt eine langfristig angelegte Öffentlichkeitsarbeit für allgemeine und vollständige Abrüstung. Sie setzt sich ein für die Abschaffung der Bundeswehr als einen wichtigen Schritt auf dem Weg dorthin. Der Verband vermittelt die Überzeugung, dass das Militär nicht als Lösung für reale Konflikte, sondern als Problem zu sehen ist und bestreitet seine moralische Legitimität. Die DFG-VK will damit die Kriegführung politisch behindern, die sogenannte Sicherheits-Politik verändern und das Friedensbewusstsein der Öffentlichkeit befördern. Die DFG-VK versucht, die langfristig angelegte Arbeit für einseitige Abrüstung zur gemeinsamen Sache der Friedensbewegung zu machen und betreibt eine entsprechende Bündnisarbeit.
5. Rüstungsexporte
Die DFG-VK versucht, die kriegsfördernde Rolle der Rüstungsproduktion und Rüstungsexporte sowie die tödliche Rolle der politisch Verantwortlichen und wirtschaftlichen Profiteure ins öffentliche Bewusstsein zu bringen. Durch langfristige Kampagnen soll ein Verbot von Rüstungsexporten und Rüstungsproduktion erreicht werden.
6. Rüstungsausgaben
Die DFG-VK ergreift und unterstützt Initiativen für die Skandalisierung der hohen Rüstungsausgaben weltweit und in Deutschland. Dabei sucht die die Zusammenarbeit mit gesellschaftlichen Kräften, die sich gegen die zeitgleichen Kürzungen im sozialen Bereich, im Gesundheitsbereich, bei der Entwicklungszusammenarbeit und beim Umwelt- und Klimaschutz einsetzen.
7. Pazifistische Konzepte
Die DFG-VK verbreitet Kenntnisse von Sozialer Verteidigung, Ziviler Konfliktbearbeitung und Gewaltfreier Aktion sowie der Argumentationen für allgemeine und vollständige Abrüstung. Sie strebt den Wechsel von der aktuellen Sicherheitspolitik hin zu einer Friedenslogik in der Außenpolitik an.
8. Antifaschismus
Die DFG-VK ist sich dessen bewusst, dass rechtsradikale Kräfte an der Macht die Kriegsgefahr weiter erhöhen und den zivilgesellschaftlichen Einsatz für Frieden schwächen. Die DFG-VK stärkt demokratische, antifaschistische Positionen. Sie arbeitet nicht mit Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen zusammen, die unter dem Deckmantel gemeinsamer Bemühungen für den Frieden wissenschaftsfeindliche, nationalistische oder rechtsradikale Ideen propagieren und unsere Vorstellung von einer progressiven und emanzipatorischen Friedensbewegung konterkarieren.
[i] List of NATO operations (2024, 14. August) In Wikipedia (engl.). https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_NATO_operations
[ii] Major, Claudia und Swistek, Göran: Die Nato nach dem Gipfel von Madrid. Norderweiterung, neues Strategisches Konzept und militärische Neuaufstellung. SWP-Aktuell 2022/A 49 vom 28.07.2022. doi:10.18449/2022A49 https://www.swp-berlin.org/10.18449/2022A49/
[iii] Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der NATO: Strategisches Konzept der NATO 2022 Pressemitteilung vom 29.06.2022 (online). https://nato.diplo.de/nato-de/01-NATOStatements/-/2539668
[iv] Zimmermann, Konstantin: USA verhängen weitere Sanktionen wegen Nord Stream 2. In: DIE ZEIT (Online-Ausgabe), 23. November 2021. https://www.zeit.de/politik/2021-11/nord-stream-2-gaspipeline-usa-sanktionen-russland
[v] Erdmann, Lisa: Nato verspricht Georgien und Ukraine Aufnahme in ferner Zukunft – Russland wütend In: DER SPIEGEL (Online-Ausgabe), 03.04.2008. https://www.spiegel.de/politik/ausland/gipfel-in-bukarest-nato-verspricht-georgien-und-ukraine-aufnahme-in-ferner-zukunft-russland-wuetend-a-545145.html
[vi] Heinemann-Grüder, Andreas: Russland und die Vereinigten Staaten. Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), 12.06.2019 (online). https://www.bpb.de/themen/europa/russland/283698/russland-und-die-vereinigten-staaten/
[vii] WELT (online): Merkel stellt sich beim Gipfel gegen Bush. Veröffentlicht am 02.04.2008. https://www.welt.de/politik/article1863934/Merkel-stellt-sich-beim-Gipfel-gegen-Bush.html
[viii] Bundeszentrale für politische Bildung (bpb): NATO-Osterweiterung. Aktualisierte Fassung vom 20.04.2022 (online). https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/506585/nato-osterweiterung/
[ix] Handelsblatt: Deutschland schickt 2024 zwei Kriegsschiffe in den Indopazifik. https://www.handelsblatt.com/politik/international/asien-deutschland-schickt-2024-zwei-kriegsschiffe-in-den-indopazifik/29186610.html Online, 04.06.2023
[x] Keßler, Felix: China droht britischer Marine wegen Fahrt durch umstrittene Gewässer. In: DER SPIEGEL (Online-Ausgabe), 30.07.2021. https://www.spiegel.de/ausland/suedchinesisches-meer-china-droht-britischer-marine-wegen-durchfahrt-mit-gegenmassnahmen-a-0d5e5356-f0c1-4754-9391-2ec91aaf1979
[xi] Z. B. Rede des damaligen Bundespräsidenten, Joachim Gauck, auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 und Vorstellung der »Verteidigungspolitischen Richtlinien für die Zeitenwende« im November 2023 durch Verteidigungsminister Boris Pistorius
[xii] Beispielsweise wurden Mittel der bundeseigenen Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (giz), für Grenzsicherungsanlagen im Sudan verwendet.
[xiii] Helfand, I. (Hrsg.): Nuclear Famine: Two Billion Peope at Risk? Global Impacts of Limited Nuclear War on Agriculture, Food Supplies, and Human Nutrition, IPPNW, 2nd. Edition, 2013. https://www.ippnw.org/wp-content/uploads/2020/07/2013-Nuclear-Famine.pdf
[xiv] Siehe: Jessica Cheung, Dilek Gürsel, Marie Jelenka Kirchner, Victoria Scheyer (2022): Feministische Außenpolitik: ein Leitfaden zur praktischen Umsetzung. Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit. URL: https://www.wilpf.de/2022/11/17/feministische-aussenpolitik-ein-leitfaden/.
Siehe auch: Kritik an den beschlossenen Leitlinien – Netzwerk 1325 (2023): Die Leitlinien zur Feministischen Außenpolitik des Auswärtigen Amts. Ein Statement aus feministischer Perspektive.
URL: https://www.wilpf.de/2023/07/06/die-leitlinien-zur-feministischen-aussenpolitik-des-auswaertigen-amts/
[xv] Die »Europäische Friedensfazilität« (EFF) ist eine Fazilität der Europäischen Union zur Finanzierung außenpolitischer Maßnahmen mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen im Rahmen der Gemeinsamen Außen‑ und Sicherheitspolitik. Sie wurde durch Beschluss des Rates der Europäischen Union am 22. März 2021 gegründet. Quelle: Europäische Friedensfazilität (2024, 24. August). In: Wikipedia (dt,) https://de.wikipedia.org/wiki/Europäische_Friedensfazilität