Internes »Handbuch« der Bundeswehr zeigt: Offiziere sollen Jugendliche indoktrinieren. Oberstes Ziel ist es, Zustimmung zu Kriegseinsätzen zu bekommen von Frank Brendle
Jugendoffiziere der Bundeswehr werden gerne als »Experten in Sachen Sicherheitspolitik« dargestellt, die Schülerinnen und Schülern »aus erster Hand« Informationen über das Militär und den Afghanistan-Krieg vermitteln können. Die interne Arbeitsgrundlage, das »Handbuch: Der Jugendoffizier« verrät hingegen: Diese Soldaten sind keine Experten, sondern Propagandaarbeiter.
Rund 115000 Schüler mußten im vergangenen Jahr Vorträgen der Jugendoffiziere während des Unterrichts lauschen. Weitere rund 30000 nahmen an Seminaren sowie an Truppenbesuchen teil.
»Du bist nun auf einem der schönsten, aber auch anspruchsvollsten Dienstposten, den die Bundeswehr zu bieten hat.« Mit diesen Worten beginnt das Handbuch. Zivilisten können es nur in einer der wenigen Bundeswehrbibliotheken einsehen. Zum Kopieren benötigt man schon eine Erlaubnis von ganz oben, und Ausleihen geht gar nicht. Das Reinschaun genügt allerdings, um das offizielle Bild des »Experten« zurechtzurücken.
Als oberstes Ziel beschreibt es, die »Zustimmung der Bevölkerung« zum »Verfassungsauftrag« der Bundeswehr zu erhalten. Dieser deckt offiziell auch »Einsätze deutscher Streitkräfte im Rahmen des erweiterten Sicherheitsbegriffs« ab, also Angriffskriege wie gegen Jugoslawien 1999 oder die Teilnahme an der Besetzung Afghanistans. Damit ausgewachsene Bürger in Uniform nicht kritisch einwenden, die Verfassung sehe nur die Landesverteidigung vor, wird den derzeit 94 Jugendoffizieren gleich auf der ersten Seite eingeschärft: »Für die Arbeit müssen Sie sich immer an politische Grundsatzaussagen, Analysen und Hintergrundinformationen aus den Bereichen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik des BMVg« (des Verteidigungsministeriums) bzw. anderer vorgesetzter Dienststellen halten. Ein Jugendoffizier sei »Repräsentant der Exekutive der Bundesrepublik Deutschland in der Öffentlichkeit«. Persönliche Meinungen oder Stellungnahmen seien als solche zu kennzeichnen.
Das Jahresplanziel lautet: Mindestens 80 Vorträge vor Schulklassen und anderen Multiplikatoren nebst Akquise beim Lehrpersonal durchzuführen. Zuzüglich sind zehn Truppenbesuche und zehn Seminare zu organisieren. Dabei gilt die Auftragstaktik: »Sie sind zumeist ›Einzelkämpfer‹ und müssen eigenständig tätig werden! Gehen Sie auf die Schulen und ihre Lehrer zu und nehmen Sie persönlich Kontakt mit ihnen auf.« Dazu dient eine Adreßkartei mit Kontaktdaten von Schulen und einzelnen Lehrern. Im Unterricht referieren die Offiziere dann zu Themen wie »Sicherheitspolitik« der BRD, das NATO-Konzept, die Legitimation des Soldatenberufs und »der neue Auftrag der Bundeswehr als Instrument der Friedenserhaltung, Krisenbewältigung und Kriegsverhinderung«.
Wichtiger als die Überzeugungskraft der Argumente ist allerdings der äußere Anschein. »Sie müssen die Diskussion nicht gewinnen! Wenn nichts von dem Thema in Erinnerung bleibt, so muß auf jeden Fall ein positiver Eindruck des Jugendoffiziers als Vertreter der Bundeswehr entstehen«, wird befohlen.
Besonders beliebt ist das Spiel »Pol&iS« (für »Politik und internationale Sicherheit«), an dem über mehrere Tage hinweg meist 50 Jugendliche teilnehmen. Dabei werden Rollen zur Verwaltung der Welt vergeben: Die von Regierungschefs, UN-, Weltbank-, Presse-, NGO-Vertretern usw. Die Simulation soll »aufzeigen, warum falsches Handeln interne und externe Krisen auslösen kann« und warum »Sicherheitspolitik unabdingbar« ist. Das Handbuch enthält explizite Aufforderungen, das Game zur militärpolitischen Indoktrination zu nutzen: Zwischen den einzelnen Spielschritten sollen thematisch zugeschnittene Impulsvorträge erfolgen. Außerdem soll der Jugendoffizier »den eigenen Unterricht und die Simulation thematisch miteinander verknüpfen, indem z.B. die Einsatzgebiete der Bundeswehr fokussiert werden.« Auch das Weißbuch der Bundeswehr gilt es, als angemessene Antwort auf sicherheitspolitische Herausforderungen darzustellen.
Zuletzt enthält das Handbuch den Tipp, mit Lokaljournalisten zusammenzuarbeiten. Deren Medienverständnis werde zwar »manchmal auch als ›Hofberichterstattung‹ bezeichnet, aber das soll Ihnen ja nur recht sein.«
Quelle:
http://www.jungewelt.de/2010/07-20/017.php
Tageszeitung junge Welt