Wir sind Teil der internationalen Campaign to Stop Killer Robots.
Die Kampagne setzt sich für ein völkerrechtliches Verbot von autonomen Waffensystemen ein.
Die Kampagne hatte Anfang Oktober die Möglichkeit vor dem ersten Ausschuss der UN-Vollversammlung zum Thema Race* und Intersektionalität in humanitärer Abrüstung zu sprechen.
Stellungnahme der Zivilgesellschaft zu Race* und Intersektionalität in humanitärer Abrüstung
Erster Ausschuss (Ausschuss für Abrüstung und internationale Sicherheit) der UN-Vollversammlung
New York, 8. Oktober 2021
Als der Mord an George Floyd im letzten Jahr weltweite Proteste und Diskussionen zum Thema Rassismus und insbesondere Rassismus gegen Schwarze entfachte, musste auch die Gemeinschaft auf dem Gebiet der humanitären Abrüstung ihren Blick nach innen wenden, um zu hinterfragen und zu untersuchen, wie wir Frieden und Sicherheit weiterentwickeln wollen.
Als Instrumente kolonialer und imperialistischer Macht, wirken sich Waffen, die Krieg und Konflikt schüren, disproportional auf marginalisierte und vulnerable Gruppen verschiedener races, Geschlechter, Fähigkeiten, sozioökonomischer Status, Glauben
Struktureller Rassismus und systematische Unterdrückung beschränken sich nicht auf individuelle Wahrnehmungen oder diskriminierende Handlungen in einigen wenigen Ländern, sondern offenbart sich in verschiedensten Formen in allen Staaten.
Daher ist die internationale Gemeinschaft weder immun gegen die Auswirkungen noch frei von einer Mitschuld und der Aufrechterhaltung der gegenwärtigen Machtstrukturen.
Konkrete Folgen
Aufgrund von Atomwaffentests wurden indigene Völker und Gemeinden pazifischer Inselstaaten vertrieben indem durch die Tests ihr Land vergiftet, es unsicher und unbewohnbar gemacht wurde.
Gezielte Tötungen und Angriffe durch bewaffnete Drohnen verstetigen genderspezifische und rassistische Vorurteile in einem Vakuum rechtlicher Begründungen.
Algorithmische Voreingenommenheit in autonomen Waffensystemen birgt die Gefahr der Verankerung historischer Unterdrückungssysteme, die Verschärfung von Ungleichheit und die Erhaltung disproportionaler Machtstrukturen.
Die Produktion, Weitergabe und der Gebrauch von Waffen erleichtert und erhöht die Zahl von Vorfällen genderspezifischer Gewalt.
Die Bereitstellung von Opferhilfe ist wichtig, damit die Herausforderungen, denen die Opfer und nachhaltig geschädigten Überlebenden von Landminen und Streumunition bei ihrer Betreuung und Pflege ausgesetzt sind, angegangen werden können.
Gefahr für Menschenrechte
Rassismus, kombiniert mit anderen Unterdrückungssystemen, wird von imperialistischen, kolonialen und patriarchalen Machtstrukturen aufrechterhalten und ist damit sozusagen selbst eine Vernichtungswaffe.
Er ist Gefahr für die Menschenrechte, die Werte der Gleichberechtigung, des Frieden, der Sicherheit und Menschenwürde – allesamt zentrale, im Völkerrecht verankerte Werte.
Diese Werte werden bestärkt durch den Ansatz der humanitären Abrüstung, der die Freiheit von Not, Freiheit von Angst und Freiheit von Demütigung als die Säulen der menschlichen Sicherheit in den Fokus stellt.
Neue Ansätze
Humanitäre Abrüstung aus einer antirassistischen, intersektionalen Perspektive zu betrachten ist deshalb fundamental, um menschliche Sicherheit und Frieden in den Mittelpunkt zu stellen.
Indem nicht nur verstanden wird, wie sich der Einsatz von solchen Waffen auf Menschen auswirkt, sondern auch welche Gemeinschaften den Leidensdruck und die Folgen nach ihrem Einsatz ertragen müssen.
Es ist wichtig, dass wir fragen: wessen Stimmen werden gehört und ernst genommen, welche Menschen führen die Gespräche an und machen Abrüstungspolitik und wessen Stimmen, Erfahrungen und Expertise ist in diesen Räumen und Prozessen nicht präsent.
Rassistische Annahmen und unbewusste Vorurteile im Rechtswesen, in der Politik und in Entscheidungsfindungen haben ernstzunehmende Auswirkungen auf Abrüstungsprozesse.
Es ist ein erheblicher Missstand, dass bis heute antirassistische Ansätze keine wesentliche Rolle im Bereich der Abrüstung spielen.
Wenn über diese Annahmen und Vorurteile nicht gesprochen wird, werden vulnerable Gruppen und Menschen auch weiterhin unverhältnismäßig von durch Waffensystemen ausgeübter Gewalt betroffen sein.
Zukunft
Eine Zukunft von Frieden und Sicherheit, die die Werte der Menschenwürde und Gleichberechtigung hochhält, erfordert, dass wir Systeme von Unterdrückung und Rassismus, die Gewalt und Konflikte, antreiben, die durch den Gebrauch von Waffen weiter befeuert werden, dekonstruieren.
Auf diese Weise machen wir deutlich, dass sich die Zukunft, die wir uns wünschen, tatsächlich nicht um die Waffen dreht, sondern um die Menschen.
Diese Stellungnahme wurde verfasst von Farah Bogani, mit Beiträgen von Isabelle Jones, Clare Conboy und Ousman Noor von der Campaign to Stop Killer Robots, und Hayley Ramsay-Jones von Soka Gakkai International.
*Wir haben den englischen Begriff race bewusst nicht übersetzt.
Dass race oft mit Rasse übersetzt wird, ist sehr problematisch. Die Ungleichheit der zwei Begriffe wird zum Beispiel klar, wenn man sich überlegt, dass beim Sprechen über race als Rasse das gleiche Wort benutzt wird, mit dem Hunde in ihrer Art unterschieden werden.
Im Englischen gibt es dafür den Begriff breed, der als Gattungsbeschreibung für Tiere und nicht Menschen gilt.
Grund dafür, dass race und Rasse einfach nicht gleichzusetzen sind, ist unter anderem, dass hinter diesen zwei Begriffen deutlich unterschiedliche Diskurse stehen. Im Deutschen wird der Begriff Rasse nach wie vor mit etwas Biologischem verbunden, als würde es “echte” Menschenrassen geben.
Die gibt es natürlich nicht, und dennoch können wir nicht ganz auf ein Wort verzichten, das gelebte Realitäten abbildet, die durch Rassismus strukturiert sind.
Menschen, die sich mit den englischsprachigen Diskursen zu race, racism und critical whiteness auseinandergesetzt haben, wissen, dass diese auf soziale Konstruktionen verweisen sollen.
Deshalb benutzen einige Übersetzungen auch im Deutschen den Begriff race, der im Gegensatz zu Rasse dazu dient, gesellschaftliche Phänomene zu beschreiben und zu analysieren, die menschengemacht sind und von Institutionen aufrechterhalten werden.
(Erklärung von der Website des Goethe Instituts)
Civil Society Statement on Humanitarian Disarmament
UN General Assembly First Committee on Disarmament and International Security
New York 8 October 2021
As protests and discussions of racism and anti-blackness swept across the world following the murder of George Floyd last year, the humanitarian disarmament community has had to turn its gaze inwards to question and investigate how we advance peace and security.
As tools of colonial and imperial power, weapons that fuel war and conflict disproportionately affect marginalized and vulnerable groups of different races, gender identities, sexual orientations, abilities, socioeconomic status, faiths, and other social identities.
Far from being limited to individual beliefs or acts of discrimination happening in some countries, structural racism and systemic oppression manifests in varied forms across all states.
As a result, the global community is neither immune to its effects nor absolved of its role in being complicit and upholding current structures of power.
Consequences
Nuclear weapons testing has displaced Indigenous and Pacific Islander communities, rendering their lands unsafe, uninhabitable, and toxic.
Targeted killings and strikes by armed drones perpetuate gendered and racial biases in a vacuum of legal justification.
Algorithmic bias in autonomous weapons systems risks entrenching historical systems of oppression, exacerbating inequality, and upholding disproportionate structures of power.
The production, transfer, and use of arms facilitates and increases incidences of gender-based violence.
Providing victim assistance is vital to address the challenges of care and support faced by victims and survivors with disabilities sustained from landmines and cluster munitions.
Possible effects
Racism, intersected with other systems of oppression, is upheld by structures of imperialist, colonialist, patriarchal, and white supremacist power. It is, in a manner of speaking, its own weapon of destruction.
It poses a direct threat to the values of human rights, equality, peace, security, and human dignity – all of which are core values that are enshrined in international law.
These values are strengthened by the humanitarian disarmament approach that centres freedom from want, freedom from fear, and freedom from indignity as the pillars of human security.
New approaches
Taking an anti-racist, intersectional perspective to humanitarian disarmament is therefore fundamental for centring human security and peace, by understanding not only how people are affected by the use of these weapons but which communities will bear the burden of suffering and the aftermath.
It is necessary that we question: whose voices are valued, who are the people that lead the conversations and make the policies on disarmament, and whose voices, experiences, and expertise are missing from these spaces and processes.
Racial assumptions and unconscious biases in law, policy, and decision-making have a serious impact on disarmament.
That a deliberate and intentional anti-racist approach has not been central to disarmament, even till today, is a monumental oversight.
Without addressing these assumptions and biases, vulnerable communities and people will continue to be disproportionately affected by violence caused by weapons systems.
Outlook
A future of peace and security that upholds human dignity and equality demands that we dismantle the systems of oppression and racism that both propel violence and conflict, and are perpetuated by the use of weapons.
In doing so, we make clear that the future we want is not about the weapons but truly about the people.
Farah Bogani
Project Officer
Campaign to Stop Killer Robots