Perspektiven der Anti-Atomwaffenbewegung
Von Joachim Schramm (in ZivilCourage 1/2012 – Zeitschrift der DFG-VK für Antimilitarismus und Pazifismus)
Der Raketenabwehrschirm der Nato, der Konflikt um die Atompläne des Iran, der auf die Atommacht Pakistan überzugreifen drohende Afghanistankrieg, Berichte über die Modernisierung der in Europa (auch in Büchel) gelagerten US-Atombomben: Die andauernde atomare Bedrohung sorgt immer wieder für Schlagzeilen. Die Katastrophe von Fukushima hat erneut deutlich gemacht, dass das Spiel mit dem nuklearen Feuer zu gefährlich ist und dass „Sicherheit“ für die normalen Menschen meist etwas anders bedeutet als für Staatsführer und Militärs. Anlass genug also, die brennendsten Fragen der Atomwaffenthematik mit Experten aus Politik, Wissenschaft und Friedensbewegung zu diskutieren und nach Lösungen zu suchen.
Am 12. Mai veranstalten die DFG-VK, pax christi, IPPNW, Ohne Rüstung leben und das Essener Friedensforum in der Essener Volkshochschule die Tagung „Friedenskultur.2012 – Unsere Zukunft atomwaffenfrei“. Zwei Jahre nach dem viel gelobten Kongress „Friedenskultur.2010 – Unsere Zukunft atomwaffenfrei“ im Kulturhauptstadtjahr 2010 stellen in einer eintägigen Veranstaltung renommierte ReferentInnen die aktuellen Entwicklungen dar und bieten eine Plattform zum Diskutieren. Konkrete Schritte auf dem Weg zur atomwaffenfreien Welt stehen dabei im Mittelpunkt.
Büchel
IALANA: Bundesregierun g wird verklagt!
Überblick über das Anliegen der Klage
Die Apothekerin Frau Dr. Elke Koller, die nur knapp 4 km vom Fliegerhorst Büchel der Bundesluftwaffe entfernt wohnt, erhebt Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland und beantragt,
– dass Deutschland von den USA verlangt, dass die in Büchel noch stationierten 20 Atombomben abgezogen werden
– und Deutschland sich aus der Nuklearen Teilhabe in der Planungsgruppe der NATO verabschiedet.
Sie vertritt nämlich die Überzeugung, dass es nicht ausreicht, wenn die Bundesegierung entsprechend dem Koalitionsvertrag mit den Mitteln der Diplomatie auf die nukleare Abrüstung hinwirkt. Vielmehr gebietet das Grundgesetz, dass sie im Sinn der hier gestellten Anträge tätig wird.
Das ergibt sich aus dem Friedensgebot des Grundgesetzes, das ein zentrales Prinzip des Grundgesetzes auf Basis der konkreten friedensrechtlichen Regeln darstellt (II. in der Klageschrift). Hier einschlägige Norm ist das Gewaltverbot der UN-Charta, das nach Art. 25 Satz 1 GG als „allgemeine Regel des Völkerrechts“ als Bestandteil des Bundesrechts gilt (III.).
Atomwaffen abschaffen – bei uns anfangen!
Kommt am 4. April um fünf vor Zwölf ins Dorf Büchel an der B259 zwischen Ulmen und Cochem!
50 Jahre Ostermärsche haben ihren Ursprung im Widerstand gegen Atomwaffen!
„Fliegerhorst“ Büchel
Büchel ist mit 42 Tornados und ca. 1.500 Soldat_innen der größte NATO-Luftwaffenstützpunkt der Bundeswehr. Deutschland stellt dort mit den Tornado-Kampfflugzeugen des Jagdbombergeschwaders 33 (JaboG 33) das Trägersystem für die B 61 Atomsprengköpfe. Bundeswehrsoldat_innen müssen sich dem Gewissenskonflikt stellen, die Atombomben bei Befehl ins Zielgebiet zu fliegen und abzuwerfen.
Europaweiter Aktionstag
Das Osterwochenende 2010 wurde vom europäischen Netzwerk der gewaltfreien Anti-Atomwaffen/Anti-NATO-Gruppen zum europäischen Aktionstag an allen Atomwaffen-Standorten erklärt. Hiermit soll einen Monat vor der Atomwaffensperrvertrags- (NVV) Konferenz der UN in New York für wirkliche Abrüstungsverhandlungen mit einer starken europäischen Stimme Druck gemacht werden, denn hier in Europa bedroht auch die aktuelle „Modernisierung“ genannte Aufrüstung der Atomwaffensysteme Großbritanniens und Frankreichs ernsthafte internationale Abrüstung. Außerdem soll Deutschland endlich seinen Verpflichtungen durch den NVV nachkommen, indem es den Abzug der letzten ca. 20 US-Atombomben von deutschem Boden fordert und das Ende der „nuklearen Teilhabe“ in der NATO verkündet. Nicht-Atomwaffenstaaten dürfen die Verfügungsgewalt über Atomwaffen weder mittelbar noch unmittelbar annehmen. Und auch umgekehrt dürfen z. B. die USA Atomwaffen ihren Verbündeten nicht zur Verfügung stellen!
Vor der eigenen Türe kehren – Am 30.08. nach Büchel!
Bundesweite Aktionen Ende August am Atomwaffenlager Büchel
Für den 23. August bis 1. September wird ein großes Aktionscamp am einzigen Atomwaffenlager Deutschlands, Büchel/Eifel organisiert. Unter dem Motto „vor der eigenen Türe kehren“ wird dabei die 7. Umrundung des Atomwaffenlagers am 30. August stattfinden. Hunderte von Aktivisten werden den Besen schwingen und die dort gelagerten Atomwaffen symbolisch in die Tonne kehren. Parallel dazu werden die Radsportler um die Pacemakers einen Rundkurs von 29 km um Büchel sieben Mal befahren.
Im Vorfeld dieses Aktionstages finden täglich Umrundungen und Friedensfrühstücke einzelner Gruppen am Haupttor statt. Im Anschluss an die siebte Umrundung sind gewaltfreie Aktionen Zivilen Ungehorsams geplant, die im Aktionscamp durch Trainings vorbereitet werden.
Die Aktionen sind der Schwerpunkt der Kampagne „unsere zukunft – atomwaffenfrei“ mit dem Ziel eines atomwaffenfreien Deutschland bis spätestens 2010.
Interview mit Otfried Nassauer zur nuklearen Teilhabe
Nach Berichten über Mängel in den US-Lagern in Deutschland verlangt die Opposition den Abzug aller Atomwaffen. Wir sprachen darüber mit Otfried Nassauer vom Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS):
Menner (Münchener Merkur): Wie sicher sind die Atomwaffen in Deutschland gelagert?
Nassauer: Die US-Luftwaffe hat festgestellt, dass es Sicherheitsprobleme gibt, die Sicherheit aber nicht grundsätzlich gefährdet ist. Es ging um reparaturbedürftige Zäune, Beleuchtungseinrichtungen und Gebäude, und um Dinge, die sich aus einer unterschiedlichen Sicherheitskultur ableiten. Für die USA stellt es zum Beispiel ein Sicherheitsrisiko dar, wenn Wehrpflichtige oder Gewerkschaftsmitglieder Atomwaffen bewachen. Europäer sehen das anders.
Menner: Ist es theoretisch vorstellbar, dass Terroristen Zugriff auf diese Waffen bekommen könnten?
Nassauer: Als die Unterflur-Magazine in Büchel (Rheinland-Pfalz) Ende der 80er- und Anfang der 90er-Jahre angelegt wurden, in denen die Atomwaffen lagern, wurden sie so konzipiert, dass sie einem Feuer oder einem terroristischen Angriff für mindestens 30 Minuten standhalten sollten. US-Wacheinheiten üben auch für eine eventuelle Rückeroberung der Waffen. Das ist ein unwahrscheinliches Szenario – es kommt auch so nicht in dem Bericht vor.
Atomwaffensta ndort Büchel
von Otfried Nassauer
Der Bundeswehrfliegerhorst Büchel in der Eifel beheimatet das Jagdbombergeschwader 33 der Bundesluftwaffe. Die beiden fliegenden Staffeln des Geschwaders sind seit den achtziger Jahren mit dem zweisitzigen Jagdbomber Tornado IDS ausgerüstet und werden im Kriegsfall zum Luftangriff eingesetzt. Der besonders für Einsätze im Tiefflug konzipierte Jagdbomber kann eine Vielzahl konventioneller Bomben und Raketen tragen, aber auch amerikanische Atomwaffen vom Typ B-61. Die nukleare Rolle unterscheidet das Geschwader in Büchel heute von den restlichen Tornado-Einheiten der Bundeswehr.
Die Besatzungen werden schon in Friedenszeiten für den Atomwaffeneinsatz ausgebildet. Die Nuklearwaffen werden von den USA bereitgestellt und auf dem Flugplatz gelagert. Sie bleiben stets unter Kontrolle der US-Luftwaffe bis der US-Präsident sie freigegeben hat.