Rede von Jürgen Grässlin
anlässlich der Verleihung des AMOS-Preises für Zivilcourage 2015
am 1. März 2015 in der Erlöserkirche Stuttgart
Liebe Frau Stepper, lieber Herr Helber, lieber Herr Schilling,
sehr geehrter Prof. Dr. Eppler,
sehr geehrte Mitglieder und Gäste der Offenen Kirche Württemberg,
liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,
liebe Wegbegleiterinnen und Begleiter!
Anlässlich der heutigen Verleihung des AMOS-Preises will ich mich meiner Vision einer gerechten und friedlichen Welt an einem einzigen Punkt, zugleich einer entscheidenden Forderung, annähern: dem Stopp des Waffenhandels der Bundesrepublik Deutschland. Seit Jahren schon bestätigt das Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI), dass Deutschland – nach den USA und Russland – auf Platz 3 der Weltwaffenexporteure rangiert. Europameister beim Waffenhandel, was für ein unrühmlicher Titel.
Jahr für Jahr dokumentiert die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung in ihrem Rüstungsexportbericht eine Übersicht über problematische Empfängerländer deutscher Rüstungsexporte. Zu Ihnen zählten 2013 Ägypten, Algerien, Indien, Indonesien, Irak, Israel, Kolumbien, Libyen, Marokko, Oman, Pakistan, Russland, Saudi-Arabien, Singapur, Turkmenistan, Türkei, die Vereinigten Arabischen Emirate und Vietnam. Dankenswerter Weise gewichten die evangelische und die katholische Kirche die Frage von Menschenrechten und die Aspekte von Moral und Ethik bei der Bewertung des Waffenhandels.
Jürgen Grässlin
Millionen? Ja, Millionen Opfer deutscher Gewehrexporte
Von Jürgen Grässlin
1. Persönliche Vorbemerkung: drei Jahrzehnte der Recherche
Seit nunmehr drei Jahrzehnten recherchiere ich harte Fakten zum Themenbereich Waffenhandel. Beim RüstungsInformationsBüro (RIB e.V.) werten wir hierzu die nationale wie internationale militärische Fachpresse aus. Zudem treffe ich mich mit Beschäftigten der Unternehmen oder diskutiere mit Repräsentanten der Rüstungsindustrie, des Militärs und der Politik.
Im Mittelpunkt meiner Recherchen stehen die entscheidenden Fragen: Wer erforscht, entwickelt und produziert Kriegswaffen, Rüstungsgüter, wie z.B. Militärfahrzeuge, oder zivil wie militärisch nutzbare Dual-Use-Güter? Wer genehmigt aus welchem Grund Waffentransfers an kriegführende und menschenrechtsverletzende Staaten, selbst an Diktaturen? Auf welchen Wegen werden deutsche Waffen legal wie illegal in diese Länder transferiert? Und: Was passiert, wenn ?Kleinwaffen?, wie Pistolen, Maschinenpistolen, Sturm- oder Maschinengewehre, in den Krisen- und Kriegsgebieten ankommen?
Von Anfang an hatte ich die Betroffenen des Einsatzes aus Deutschland gelieferter oder in deutscher Lizenz nachgebauter Kriegswaffen ? allen voran des europaweit führenden Pistolen- und Gewehrfabrikanten Heckler & Koch (H&K) ? im Blick. Bei zahlreichen Recherchereisen nach Südafrika, Kenia, Somalia und in die Türkei standen und stehen seit Ende der Neunzigerjahre die Opfer der deutschen Rüstungsproduktions- und -exportpolitik im Fokus meiner Recherchen.
In den besagten Staaten traf bzw. treffe ich Menschen, die ? je nach gesammelter Erfahrung und erlittenem Schicksal ? mehr oder minder präzise beschreiben können, mit welchen Waffen ihnen oder anderen Leid angetan worden ist. Bei diesen Zusammenkünften habe ich mit mehr als 220 Opfern des Einsatzes aus Deutschland gelieferter oder in deutscher Lizenz im Ausland nachgebauter G3-Gewehre des in Oberndorf am Neckar ansässigen Kleinwaffenproduzenten Heckler & Koch intensiv Gespräche geführt. Ausnahmslos alle von mir interviewten bzw. exemplarisch erstmals in dem Buch Versteck dich, wenn sie schießen biografierten Menschen sind angesichts der erlebten Kriegsgeschehnisse traumatisiert.(1)
Interview mit Rüstungsgegner: Waffenhandel wird weiter wachsen
Deutschland hat das Regime Mubarak jahrzehntelang hochgerüstet, sagt Jürgen Grässlin von der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG-VK). Der Rüstungsgegner beklagt mangelhafte Kontrollen der Bundesregierung.
Ägypten hat 2009 mehr Waffen aus deutscher Produktion als jedes andere Entwicklungsland gekauft. Jetzt hat die Bundesregierung ihren Rüstungsexport nach Ägypten auf Eis gelegt. Zu spät?
Deutschland hat das menschenrechtsverletzende Regime Mubarak jahrzehntelang – etwa mit MP5-Maschinenpistolen von Heckler&Koch, Militärelektronik, gepanzerten Fahrzeugen und Panzerteilen – hochgerüstet und an der Macht gehalten. Alle Bundesregierungen der letzten Jahre tragen damit massiv Mitschuld an der Gewalteskalation in Ägypten.
Gibt es andere Problemkunden im arabisch-islamischen Raum?
Jenseits der rhetorischen Seifenblasen der Wahrung von Menschenrechten, Frieden und Freiheit beliefern deutsche Unternehmen weiter legal menschenrechtsverletzende Staaten im Mittleren und Nahen Osten sowie im Maghreb. Zu ihnen zählen Libyen, Saudi-Arabien, Israel, Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate.
Radioreportage »Kampf ohne Waffen. Der Rüstungsgegner Jürgen Grässlin« im Deutschlandradio Kultur
RUNDMAIL von Jürgen Grässlin (u.a. Bundessprecher der DFG-VK) vom 11.09.2010
Sehr geehrte Damen und Herren,
gerne möchte ich Sie einladen, am morgigen Sonntag, den 12. September, ab 13.05 Uhr die knapp halbstündige Radioreportage »Kampf ohne Waffen. Der Rüstungsgegner Jürgen Grässlin« im Deutschlandradio Kultur anzuhören.
Die Radioredakteurin Sonja Heizmann begleitete mich im Mai 2010 zur Hauptversammlung der European Aeronautic Defence and Space Company EADS N.V. nach Amsterdam. Dort übte ich als EADS-Aktionär und einer der Sprecher der Kritischen AktionärInnen Daimler vehement Kritik an den grenzenlosen Rüstungsexporten des Unternehmens – unterstützt von Friedensfreundinnen aus Deutschland und Holland vom Bündnis Stop Wapenhandel. Größte EADS-Anteilseigner sind die Daimler AG und Sogeade. Frau Heizmann hat auch führende Vertreter der EADS um eine Stellungnahme gebeten.
Jürgen Grässlin:
Rüstungsgegner Jürgen Grässlin über heuchlerische Politiker, Amok laufende Prinzen und Deutschlands tödlichstes Unternehmen
Deutschland hat seine Rüstungsexporte in fünf Jahren verdoppelt. Die Meldung aus dem März hinterließ zwar bei vielen ein ungutes Gefühl, aber nur wenige brachte sie so in Rage wie Jürgen Grässlin. Er ist der Frontmann der Friedensbewegten, Deutschlands bekanntester Rüstungsgegner und Daimlers schärfster Widersacher. So schreiben die Zeitungen über Grässlin. Mit ihm sprach Marc Chmielewski.
Herr Grässlin, Sie führen seit vielen Jahren einen Feldzug gegen die Rüstungsindustrie. Warum?
Rüstungsexporte sind wegen ihrer riesigen Opferzahlen der schlimmste Auswuchs deutscher Außen- und Wirtschaftspolitik. Wir laden massiv Schuld auf uns. Das lässt sich in einer Gesellschaft mit unseren Werten nicht rechtfertigen.
60 Jahre H&K: Gewehre für Nato-Krieger und Diktatoren
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Waffenschmiede Heckler & Koch feiert 60. Geburtstag − unter Protest der Friedensbewegung!
von Jürgen Grässlin
Im Jahr 2009 „feiert“ nicht nur die Nato ihr 60-jähriges Bestehen, sondern auch einer ihrer wichtigsten Waffenlieferanten: Am 28. Dezember 1949 wurde die Oberndorfer Waffenfirma Heckler & Koch (H&K) gegründet, heute Europas größter Gewehr- und Pistolenhersteller. Dabei ist H&K das deutsche Unternehmen, mit dessen Waffen nach dem Zweiten Weltkrieg die meisten Menschen getötet oder verstümmelt worden sind – bei Kampfeinsätzen der Nato, in Kriegen und in Bürgerkriegen in aller Welt. Möglich wurde dieses Szenario durch 15 Lizenzvergaben für das Schnellfeuergewehr G3 und fast ebenso viele für die Maschinenpistole MP5 und andere H&K-Waffen. Das tödliche G3-Szenario vergangener Jahrzehnte wiederholt sich mit dem neuen, noch treffsicheren G36. Spanien besitzt bereits eine G36-Lizenz zum Nachbau, viele Armeen, Spezialeinheiten und Polizeien setzen G36 bei ihren Kampfeinsätzen ein – z.B. im Irak, in Afghanistan, in Georgien, Nepal, dem Libanon und vielen weiteren Ländern.
60 Jahre Heckler & Koch: Kein Grund zum Feiern! sagt die Friedensbewegung und ruft 2009 zur Teilnahme an den Informationsveranstaltungen und Aktionen gegen die menschenverachtenden H&K-Rüstungsexporte auf.