Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat eine restriktivere Rüstungsexportpolitik versprochen. Dennoch genehmigt er weiterhin Waffenexporte in Krisenregionen. Mehrere Friedensorganisationen – darunter IPPNW und pax christi haben zum Internationalen Tag der Solidarität mit dem palästinensischen Volk eine Online-Petition zum Waffenhandel mit allen Ländern des Nahen Ostens gestartet. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, den Handel mit Waffen, Rüstungsgütern und „Dual-Use“-Produkten mit allen Ländern des Nahen Ostens einzustellen, die am israelisch-palästinensischen Konflikt direkt beteiligt sind. Dies gelte auch für Rüstungslieferungen, die für die Empfänger unentgeltlich sind oder anders kompensiert werden. Ebenso müsse die Zusammenarbeit mit den Streitkräften dieser Staaten beendet werden, etwa zum Zweck der Ausbildung im Häuser- und Tunnel-Kampf.
Die Forderung bezieht sich auf die Staaten Israel, Ägypten, Libanon, Syrien, Jordanien sowie auf Palästina. Der Bundestag und die in ihm vertretenen Parteien sollen alle politischen und rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, die Bundesregierung und den Bundessicherheitsrat zu einer Umsetzung dieses Beschlusses zu bewegen.
Rüstungsexport
Der Waffenhandel bleibt ungebremst
Der Koalitionsvertrag täuscht die Öffentlichkeit über die dramatischen Folgen beim Rüstungsexport (von Jürgen Grässlin)
Mit wohlklingenden Worten zum Waffenhandel wird im Koalitionsvertrag ein hoher Anspruch formuliert. Bereits die Präambel weckt Hoffnungen. So wollen die Koalitionäre von CDU/CSU und SPD Stabilität durch „neue Initiativen der Abrüstung und durch eine zurückhaltende Rüstungsexportpolitik fördern“. (S. 12) Im Passus „Rüstungsexporte“ folgen Konkretisierungen. Bei Waffentransfers in Drittstaaten – gemeint sind diejenigen Länder, die nicht der Nato angehören bzw. mit ihr assoziiert sind – sollen die am 19. Januar 2000 beschlossenen „strengen Politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ für das kommende Regierungshandeln als verbindlich gelten. Über die abschließenden Genehmigungsentscheidungen im Bundessicherheitsrat werde „die Bundesregierung den Deutschen Bundestag unverzüglich unterrichten“.
Weitere Fortschritte gegenüber der christlich-liberalen Vorgängerregierung werden klar zugewiesen. So liegt die Entscheidung darüber, wem gegenüber die Unterrichtung erfolgt, beim Deutschen Bundestag. Und mehr noch: Die Transparenz gegenüber Parlament und Öffentlichkeit werde durch die fortan früher erfolgende Publikation des Rüstungsexportberichtes „noch vor der Sommerpause“ des jeweiligen Folgejahres erhöht, zudem durch „einen zusätzlichen Zwischenbericht verbessert“. (S. 16)
Badische Zeitung: „Unerträgliches Geschäft mit dem Tod“
Es ist „ein Skandal ohne Grenzen“, den die inzwischen schon mehr als 12 000 Unterzeichner der „Waldkircher Erklärung“ gegen Rüstungsexporte nicht länger hinnehmen wollen: Deutschland ist drittgrößter Waffenexporteur der Welt. Tendenz seit 2004: rapide steigend.
Von Sylvia Timm
WALDKIRCH. Als im vergangenen Juli auch in der Badischen Zeitung Zahlen aus dem damals vom schwedischen Friedensforschungsinstitut SIPRI herausgegebenen Rüstungsexportbericht für 2006 veröffentlicht wurden, sorgte das nicht nur in den deutschen Friedensgruppen und kirchlichen Kreisen für erheblichen Gesprächsstoff, sondern auch in der Waldkircher SPD. Laut SIPRI steigerte Deutschland den Export konventioneller Waffen von 1,5 Milliarden US-Dollar im Jahre 2005 auf 3,8 Milliarden im Jahr 2006 und wurde zum drittgrößten Waffenexporteur der Welt nach den USA und Russland.
In Gesprächen innerhalb der SPD-Ortsgruppe, unter anderem zwischen Prof. Wolfram Wette, der Stadtverbandsvorsitzenden Sabine Wölfle und dem Fraktionsvorsitzenden Armin Welteroth, wurden Überlegungen angestellt, was konkret dagegen getan werden könne. Zusammen mit Jürgen Grässlin, dem Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), wurde dann die Idee für die „Waldkircher Erklärung“ geboren.
EADS vor Teilverstaatlich ung
Daimler-Offerte löst Skepsis aus
Der Autobauer will Anteile am europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern EADS abgeben. Die Regierung ist einer heikle Lage: Einerseits will sie die Machtbalance bei EADS erhalten. Andererseits stößt die Teilverstaatlichung auf Vorbehalte.
Der Autobauer Daimler will die Hälfte seiner Beteiligung am europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern EADS an die Bundesregierung abtreten, hieß es am Donnerstag in der Regierung. Denn ein privater deutscher Investor ist bisher nicht in Sicht. In Berlin stößt die von Daimler angestrebte Teilverstaatlichung allerdings auf Vorbehalte.
„Wir müssen weg kommen von den Verstaatlichungen, die in der Krise, aber nur in der Krise nötig waren“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der Union, Michael Fuchs, der Frankfurter Rundschau. Aus seiner Sicht ist EADS wohl nicht die Ausnahme, die den Bruch mit den ordnungspolitischen Grundsätzen rechtfertige, betonte der CDU-Politiker.
Interview mit Rüstungsgegner: Waffenhandel wird weiter wachsen
Deutschland hat das Regime Mubarak jahrzehntelang hochgerüstet, sagt Jürgen Grässlin von der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG-VK). Der Rüstungsgegner beklagt mangelhafte Kontrollen der Bundesregierung.
Ägypten hat 2009 mehr Waffen aus deutscher Produktion als jedes andere Entwicklungsland gekauft. Jetzt hat die Bundesregierung ihren Rüstungsexport nach Ägypten auf Eis gelegt. Zu spät?
Deutschland hat das menschenrechtsverletzende Regime Mubarak jahrzehntelang – etwa mit MP5-Maschinenpistolen von Heckler&Koch, Militärelektronik, gepanzerten Fahrzeugen und Panzerteilen – hochgerüstet und an der Macht gehalten. Alle Bundesregierungen der letzten Jahre tragen damit massiv Mitschuld an der Gewalteskalation in Ägypten.
Gibt es andere Problemkunden im arabisch-islamischen Raum?
Jenseits der rhetorischen Seifenblasen der Wahrung von Menschenrechten, Frieden und Freiheit beliefern deutsche Unternehmen weiter legal menschenrechtsverletzende Staaten im Mittleren und Nahen Osten sowie im Maghreb. Zu ihnen zählen Libyen, Saudi-Arabien, Israel, Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate.
Rüstungsexportunterstützung
von Arno Neuber als: IMI-Standpunkt 2010/048
Im September 2009 haben die deutschen Rüstungskonzerne ein neues Lobbyinstrument geschaffen. Der „Bundesverband der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV)“ soll Rüstungsinteressen bündeln und auf der politischen Ebene durchsetzen.
Am 28. September 2010 traf man sich mit zahlreichen Gästen aus Politik, Diplomatie, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien zum ersten „Parlamentarischen Abend“.
Der Verbandsvorsitzende Fritz Lürßen pries in seiner Ansprache die deutsche Rüstungsindustrie, die „maßgeblich zu Sicherheit, Innovations- und Wirtschaftskraft sowie zur Beschäftigung in Deutschland beiträgt“. Damit liege das Wohl der Waffenproduzenten im „nationalen Interesse“. In Zeiten begrenzter Haushaltsmittel müsse man sich daher „innovativer Ansätze sowohl bezüglich der Beschaffung als auch der Finanzierung der Ausrüstung der Bundeswehr“ befleißigen.