Warum sich der DGB aktiv gegen Rüstungsexporte einsetzen und „Runde Tische zur Rüstungskonversion“ einberufen muss
Rede von DFG-VK Bundessprecher Jürgen Grässlin anlässlich der Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum 1. Mai 2010 in Freiburg*
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
zuallererst möchte ich mich beim DGB Südbaden für die Einladung bedanken, im Namen des Freiburger Friedensforums und des RüstungsInformationsBüros bei der heutigen Kundgebung zum 1. Mai einige Worte an euch richten zu dürfen. Ich selbst bin Mitglied des Schriftstellerverbandes von ver.di und Mitglied der GEW, Mitbegründer des Freiburger Friedensforums und Vorsitzender des RIB e.V., zudem Bundessprecher der größten deutschen Friedensorganisation, der Deutschen Friedensgesellschaft Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK).
Zurzeit leben wir wirtschafts- wie finanzpolitisch in einer bedrohlichen Zeit. Deutschland, selbst hoch verschuldet, stemmt sich gemeinsam mit anderen EU-Staaten gegen den Kollaps Griechenlands. Was jedoch kein Regierungspolitiker anspricht: Das monetäre Sponsoring mit deutschen Steuergeldern dient zu einem erheblichen Teil auch der Absicherung milliardenschwerer Waffengeschäfte.
Rüstungsexport
Jürgen Grässlin:
Rüstungsgegner Jürgen Grässlin über heuchlerische Politiker, Amok laufende Prinzen und Deutschlands tödlichstes Unternehmen
Deutschland hat seine Rüstungsexporte in fünf Jahren verdoppelt. Die Meldung aus dem März hinterließ zwar bei vielen ein ungutes Gefühl, aber nur wenige brachte sie so in Rage wie Jürgen Grässlin. Er ist der Frontmann der Friedensbewegten, Deutschlands bekanntester Rüstungsgegner und Daimlers schärfster Widersacher. So schreiben die Zeitungen über Grässlin. Mit ihm sprach Marc Chmielewski.
Herr Grässlin, Sie führen seit vielen Jahren einen Feldzug gegen die Rüstungsindustrie. Warum?
Rüstungsexporte sind wegen ihrer riesigen Opferzahlen der schlimmste Auswuchs deutscher Außen- und Wirtschaftspolitik. Wir laden massiv Schuld auf uns. Das lässt sich in einer Gesellschaft mit unseren Werten nicht rechtfertigen.
SWR 1: Deutschlands Riesengeschäft mit der Rüstung – Wie viel Waffen braucht die Welt?
Deutschland hat es auf den dritten Platz der Rüstungsexporteure weltweit geschafft. Es ist ein Geschäft mit tödlicher Technik. Doch es beschert uns sichere Arbeitsplätze und willkommene Steuereinnahmen – wie unser Beispiel des Waffenherstellers Heckler und Koch im baden-württembergischen Oberndorf zeigt. Beim Rüstungsgeschäft prallen Wirtschaftsinteressen und moralische Fragen hart aufeinander. Über Deutschlands moralische Verantwortung sprechen wir mit dem friedenspolitischen Aktivisten und Buchautor Jürgen Grässlin aus Freiburg. Und von Jan Grebe vom Internationalen Konversionszentrum Bonn wollen wir wissen: eine Welt ohne Waffen – ist das wirklich unmöglich?
[Weiterlesen…] Infos zum Plugin SWR 1: Deutschlands Riesengeschäft mit der Rüstung – Wie viel Waffen braucht die Welt?Export von Kleinwaffen in alle Welt boomt Rüstungsexportbericht 2007 der Bundesregierun g ein moralischer Offenbarungseid
Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag
– Wieder hoher Kriegswaffenexport — kein Trend zum Besseren
– Kleinwaffenexporte in Länder außerhalb von NATO und EU übertreffen wieder Vorjahrsrekord
– Restriktive Rüstungsexportpolitik Fehlanzeige
Kassel/Hamburg, 21. Dezember 2008 – Anlässlich der Veröffentlichung des Rüstungsexportberichts 2007 am 17.12.08 durch die Bundesregierung stellen die Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag Dr. Peter Strutynski (Kassel) und Lühr Henken (Hamburg) fest:
Die Bundesregierung stellt den Rückgang der Kriegswaffenausfuhr von 15 Prozent im Jahr 2007 auf 1,114 Milliarden Euro heraus. Trotzdem bleibt das deutsche Rüstungsexportniveau weiterhin auf einem hohen Niveau. Der Wert des letzten Jahrfünfts von 2003 bis 2007 (6,58 Milliarden Euro) liegt fast doppelt so hoch wie die Summe des Jahrfünfts zuvor (1998 bis 2002: 3,5 Milliarden Euro). Das unabhängige schwedische Friedensforschungsinstitut SIPRI platziert Deutschland für 2007 auf Platz 3 in der Welt und auf Platz 1 in der Europäischen Union.
Rüstungsexportbericht 2006 der Bundesregierung
Grässlin: „Zeugnis aktiver Kriegs- und Bürgerkriegsbeteiligung“ / Bundesregierung trägt „Mitschuld am Massenmorden“
Der von der Bundesregierung vorgelegte Rüstungsexportbericht 2006 wird vom Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Jürgen Grässlin, als „ein Zeugnis aktiver Kriegs- und Bürgerkriegsbeteiligung“ durch die Bundesrepublik eingeschätzt. „Die Bundesregierung hat aus den Fehlern der Vergangenheit absolut nichts gelernt!“
Bester Beweis sei nach Grässlin, der auch Vorstandsmitglied im RüstungsInformationsBüro (RIB e.V.) ist, das „besondere Interesse“ an der „fortbestehenden Kooperationsfähigkeit der deutschen wehrtechnischen Industrie“ (1). Ergebnis dieser offensiven Waffenexportpolitik seien, wie im Vorjahr, Einzelausfuhrgenehmigungen im „exorbitanten“ Wert von 4,2 Milliarden Euro. Die Sammelausfuhrgenehmigungen seien gegenüber dem Vorjahr sogar um weitere 1,5 Milliarden € auf nunmehr 3,5 Milliarden Euro gesteigert worden (2).
Bis zum Kleiderhaken – alles EADS
Europas Rüstungskonzern hat Militärs und Abgeordnete im Griff – auch gegen Völkerrecht
Artikel von René Heilig in NEUES DEUTSCHLAND
Regelmäßig müssen die Haushälter des Bundestags die Bestellungslisten der Militärs absegnen. Man darf bezweifeln, dass dies mit dem nötigen Sachverstand geschieht. Dabei geht sogar vieles an den Abgeordneten vorbei. Ganz legal.
Von Laschen bis Laserwaffen – der führende europäische Luft-, Raumfahrt- und Rüstungskonzern EADS, der seit Monaten wegen der Airbus-Pleite in Verruf ist, liefert alles, was die Bundeswehr braucht. Doch viele Aufträge gehen glatt an den gewählten Ausgabenkontrolleuren vorbei. Erst ab 25 Millionen Euro muss der Haushaltsausschuss informiert werden. Weshalb Bestellungen und Aufträge für Studien gesplittet werden. Rund 3,65 Milliarden Euro sind jene »kleinvolumigen« Aufträge wert, die seit 2000 an den Konzern gingen. Dazu kommen über 13 Millionen Euro, die man als Anteil an multinationalen Projekten wie die Hubschrauber Tiger und NH90 oder den Eurofighter ausgab. Selbstverständlich ist die Liste für die nächsten 30 Jahre geheim. Sie liegt ND – wie offenbar auch Kollegen vom »Stern« – dennoch vor.
Enthalten sind allerlei Komponenten für geheime Waffensysteme. Beispielsweise erhielt EADS 2004 von der Bundeswehr 800 000 Euro, um den Nutzen von Laserwaffen zu erforschen. Auch gab es Geld für die Entwicklung neuer Bombenarten. Das deutsche Militär hat Interesse an thermobarischen Gefechtsköpfen. Gegen den Einsatz solcher Bomben durch die USA und die Entwicklung ähnlicher Waffen in Russland protestieren Mediziner wie Menschenrechtsorganisationen, denn sie verstoßen gegen das Kriegsvölkerrecht. Dennoch wurden der EADS-Tochter TDW für eine dementsprechende Studie 340 000 Euro überwiesen. Nach dem Motto »Kleinvieh macht auch Mist« stehen in der Liste zugleich Bestellungen über Handtuchspender (15 651 Euro) und Kleiderhaken (2556 Euro – siehe Faksimile).