Europas Rüstungskonzern hat Militärs und Abgeordnete im Griff – auch gegen Völkerrecht
Artikel von René Heilig in NEUES DEUTSCHLAND
Regelmäßig müssen die Haushälter des Bundestags die Bestellungslisten der Militärs absegnen. Man darf bezweifeln, dass dies mit dem nötigen Sachverstand geschieht. Dabei geht sogar vieles an den Abgeordneten vorbei. Ganz legal.
Von Laschen bis Laserwaffen – der führende europäische Luft-, Raumfahrt- und Rüstungskonzern EADS, der seit Monaten wegen der Airbus-Pleite in Verruf ist, liefert alles, was die Bundeswehr braucht. Doch viele Aufträge gehen glatt an den gewählten Ausgabenkontrolleuren vorbei. Erst ab 25 Millionen Euro muss der Haushaltsausschuss informiert werden. Weshalb Bestellungen und Aufträge für Studien gesplittet werden. Rund 3,65 Milliarden Euro sind jene »kleinvolumigen« Aufträge wert, die seit 2000 an den Konzern gingen. Dazu kommen über 13 Millionen Euro, die man als Anteil an multinationalen Projekten wie die Hubschrauber Tiger und NH90 oder den Eurofighter ausgab. Selbstverständlich ist die Liste für die nächsten 30 Jahre geheim. Sie liegt ND – wie offenbar auch Kollegen vom »Stern« – dennoch vor.
Enthalten sind allerlei Komponenten für geheime Waffensysteme. Beispielsweise erhielt EADS 2004 von der Bundeswehr 800 000 Euro, um den Nutzen von Laserwaffen zu erforschen. Auch gab es Geld für die Entwicklung neuer Bombenarten. Das deutsche Militär hat Interesse an thermobarischen Gefechtsköpfen. Gegen den Einsatz solcher Bomben durch die USA und die Entwicklung ähnlicher Waffen in Russland protestieren Mediziner wie Menschenrechtsorganisationen, denn sie verstoßen gegen das Kriegsvölkerrecht. Dennoch wurden der EADS-Tochter TDW für eine dementsprechende Studie 340 000 Euro überwiesen. Nach dem Motto »Kleinvieh macht auch Mist« stehen in der Liste zugleich Bestellungen über Handtuchspender (15 651 Euro) und Kleiderhaken (2556 Euro – siehe Faksimile).
Waffenhandel
Für ein Verbot von Landminen und Streubomben
Die 1997 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete internationale Kampagne für das Verbot von Landminen wurde von anbeginn auch von der DFG-VK unterstützt. Heute sind die Landminen geächtet.
[Weiterlesen…] Infos zum Plugin Für ein Verbot von Landminen und StreubombenWaldkircher Erklärung zum Rüstungsexport – Skandal ohne Grenzen – den Waffenlieferungen muss Einhalt geboten werden!
Trotz aller gesetzgeberischen und politischen Vorkehrungen stiegen die deutschen Waffenexporte in den vergangenen Jahren stetig – zuletzt sogar rasant – an. Wie das schwedische Friedensforschungsinstitut SIPRI errechnete, steigerte Deutschland den Export konventioneller Waffen von 1,5 Milliarden Dollar im Jahre 2005 auf – sage und schreibe – 3,8 Milliarden im Jahre 2006. Damit avancierte Deutschland zum drittgrößten Waffenexporteur der Welt. Gleich hinter den USA und Russland. So geschehen 17 Jahre nach der deutsch- deutschen Vereinigung und trotz eines weitgehend befriedeten europäischen Kontinents. Dieser dramatische Zuwachs ist nicht im Mindesten nachvollziehbar.
Mit dem Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG), dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und den „Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ verfügt die Bundesrepublik Deutschland zwar über ein im internationalen Vergleich als restriktiv geltendes Rüstungsexportkontrollregime, aber diese Regelungen haben den Skandal ohne Grenzen nicht verhindert.
Infos über Streubomben
Beim Aktionsbündis Landmine.de gibt es eine umfangreiche Sammlung mit Informationen zu Streubomben.
[Weiterlesen…] Infos zum Plugin Infos über Streubomben„Deutsches Aktionsnetz Kleinwaffen Stoppen“ (DAKS)
„Kleinwaffen“ – Die Dimension einer globalen Bedrohung
Die weltweite Verbreitung von so genannten „Kleinwaffen“ bildet zum Beginn des 21. Jahrhunderts eine der größten Herausforderungen an die internationale Staatengemeinschaft und an die Zivilgesellschaft. „Kleinwaffen“ – Pistolen, Gewehre, Maschinengewehre, Landminen und ähnliche Waffen, die von einer oder zwei Personen getragen und eingesetzt werden können – spielen eine zentrale Rolle in den fast 50 Bürgerkriegen und Kriegen, die weltweit ausgefochten werden und Gewalt, Tod und Leid vor allem über die Zivilbevölkerung bringen. Darüber hinaus sind gerade „Kleinwaffen“ häufig die Werkzeuge der Täter bei den Menschenrechtsverletzungen, die in vielen Staaten immer noch an der Tagesordnung sind.
Weltweit sind etwa 500 Millionen Kleinwaffen im Einsatz. Heute sind rund 90 Prozent aller Toten und Verletzten in Kriegen und Bürgerkriegen auf den Einsatz von Kleinwaffen zurückzuführen. Diese werden vorwiegend in den Industriestaaten produziert und in der Regel legal an Militär- und Polizeieinheiten in alle Welt exportiert. Durch den illegalen Waffenhandel und Beutewaffen geraten Kleinwaffen zudem in die Hände von Guerillaeinheiten, Milizen und Kindersoldaten.
Rot-grüne Politik: Waffenexporte steigern
Der jüngst veröffentlichte Rüstungsexportbericht 2003 dokumentiert, wie weit sich die rot-grüne Bundesregierung vom selbst gesetzten Ziel einer restriktiven Exportpolitik verabschiedet hat. In Zeiten von Hartz IV zählen neue Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie offensichtlich mehr als Moral und Ethik. So wurden die Genehmigungen für Waffentransfers insgesamt und auch die an menschenrechtsverletzende Regimes, in Entwicklungsländer und an Krieg führende Staaten massiv gesteigert. Der Artikel des DFG-VK-Bundessprechers Jürgen Grässlin belegt eindringlich, wie wichtig die Forderung der DFG-VK in ihrer Kampagne »Schritte zur Abrüstung« nach einem »Stopp aller Rüstungsexporte« ist.
Von Jürgen Grässlin in der Mitgliederzeitung ZivilCourage Nr. 1/2005
Die Theorie: Politische Grundsätze zum Rüstungsexport
Am 31. Januar 2000 traten die neuen »Politischen Grundsätze zum Rüstungsexport« in Kraft. Diese sind, anders als das Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG) und das Außenwirtschaftsgesetz (AWG), rechtlich nicht bindend. Dennoch bilden sie die Grundlage der Waffentransferpolitik der Bundesregierung.
Erfreulich deutlich formulierte Rot-Grün darin, dass von nun an »der Beachtung der Menschenrechte im Bestimmungs- und Endverbleibsland bei den Entscheidungen über Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern besonderes Gewicht beigemessen« werde. Genehmigungen für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungs»gütern« würden »grundsätzlich nicht erteilt, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass diese zur internen Repression im Sinne des EU-Verhaltenskodex für Waffenausfuhren oder zu sonstigen fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden«. Nunmehr sollte »die Menschenrechtssituation im Empfängerland eine wichtige Rolle« spielen.