
Einige ChristInnen in der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsgegnerInnen zum Jubiläum „500 Jahre Reformation“
– 34 Thesen –
- Jesus von Nazareth hat gewaltlos gelebt. Er hat Gewaltlosigkeit gepredigt. Er hat die Friedensstifter selig gesprochen. Er hat gelehrt, wie man aufrecht bleiben kann, auch wenn man angegriffen wird. Bei seiner Verhaftung hat er sich nicht gewehrt.
- Als ChristInnen sind wir berufen, mitten in dieser Welt, die voller Gewalt ist, ZeugInnen seines Friedens zu sein. Wir sind in seine Nachfolge gerufen. Wir dürfen im Geist seines Friedens leben.
- Eine Reform der Kirche ist auch heute dringend nötig. Reformieren heißt zurück-formen, sich immer neu an Jesus Christus orientieren.
- Jesus hat verkündet, dass das Reich Gottes nahe herbei gekommen ist und teilweise schon begonnen hat.
- Zum Reiches Gottes gehört zentral die Gewaltlosigkeit. Traditionell werden aber andere Dinge betont: die Vergebung der Sünden, die Einladung an Außenseiter, die Heilung der Kranken etc.
- Die ChristInnen der ersten Jahrhunderte haben alles Militärische entschieden abgelehnt haben, mindestens bis zum Anfang des 3. Jahrhunderts. Dieser Befund wird in der Theologie selten wahrgenommen.
- Seit der Konstantinischen Wende (4. Jh) wird der Gedanke der Nachfolge Christi an den Rand der Kirche gedrängt. Ebenso der Gedanke der Gewaltlosigkeit.
- Martin Luther und andere Reformatoren haben viele Bereiche der Kirche und des Lebens reformiert, aber sie haben das Thema „Militär und Gewalt“ ausgeklammert. Durch die Reformation hat sich in diesem Bereich nicht viel verändert.
- Das Jubiläum „500 Jahre Reformation“ könnte ein Anlass sein, dieses Stück Reformation nachzuholen.
- Die Kirchen sollten nicht länger zweigleisig fahren: „Wenn man ohne Gewalt keinen Erfolg hat, dann ist – als letzte Möglichkeit – doch Gewalt zulässig.“ Sondern die Kirchen sollten ganz auf gewaltlose Methoden vertrauen.
- Nicht nur der Glaube sondern auch die Vernunft sagt: Gewaltfreie Methoden sind nachhaltiger, effektiver und kosten weniger Menschenleben als militärische Methoden. Auch statistische Untersuchungen zeigen dies.
- Mit der Bergpredigt lässt sich Politik machen, und zwar nachhaltige Politik. Beispiele: die friedlichen Revolution in der DDR 1989 und in Liberia 2003.
- Paulus schreibt an die Kirchengemeinde in Rom: Man kann Böses nur mit Gutem überwinden. Wir meinen: Dies gilt auch für Konflikte zwischen Völkern.
- Die Botschaft von der Gewaltlosigkeit richtet sich an alle Menschen, nicht nur an wenige Auserwählte.
- Die Botschaft von der Gewaltlosigkeit gilt nicht nur für vergangene Zeiten (Paradies) oder zukünftige Zeiten (Himmel), sondern für unsere Zeit heute.
- In den Volkskirchen gibt es die Angst, Mitglieder zu verlieren, wenn man sich gegen Rüstung und Militär ausspricht. Angst bestimmt insbesondere das Handeln der Kirchenleitung. Aber nicht die Angst sondern Jesus Christus soll unser Handeln bestimmen.
- Die Kirche segnet heute zwar keine Waffen mehr. Aber die wohlwollende Begleitung der SoldatInnen durch Militärgeistliche wirkt wie ein dauerhafter Segen (Segens-Abo).
- MilitärpfarrerInnen begleiten, trösten und unterhalten die Soldaten in der Heimat und im Ausland. Sie sind nützliche Räder im militärischen Getriebe. Sie stabilisieren das militärische System. Nur selten hat jemals ein Militärpfarrer zur Kriegsdienstverweigerung aufgerufen.
- Auch in anderen Ländern der Erde gibt es Militärgeistliche. Sie benutzen Dienstfahrzeuge des Militärs, haben ihre Büros in Kasernen, tragen im Einsatz militärische Kleidung und werden vom Militär bezahlt. Details sind von Land zu Land verschieden, das Grundmuster ist dasselbe.
- Die Kirchen in der DDR haben positive Erfahrungen damit gemacht, dass Soldaten in ihrer Freizeit die Pfarrhäuser aufsuchen konnten und in ihrer Freizeit an kirchliche Veranstaltungen teilnehmen konnten.
- Jesus Christus hat sich Behinderten, Armen und Soldaten zugewendet. Aber es ist eine Sache, sich einem Menschen zuzuwenden. Es ist eine andere Sache, seine Aktivitäten zu begleiten und zu unterstützen.
- SoldatInnen sind und bleiben willkommen in unseren Gemeinden, bei Taufen, Hochzeiten und beim Abendmahl, als SängerInnen im Kirchenchor etc.
- In vielen Ländern gibt es AuslandspfarrerInnen. Diese werden von der Kirche bezahlt und organisiert. Unser Vorschlag: Diese PfarrerInnen sollten gleichermaßen für EntwicklungshelferInnen, DiplomatInnen, medizinisches Personal und SoldatInnen zuständig sein.
- Es gibt in jedem Jahr in Deutschland etwa 70 Militärkonzerte in evangelischen und katholischen Kirchen. Dabei werden in der Regel keine Märsche sondern christliche Stücke und Filmmelodien gespielt.
- Militärmusik in Kirchen ist Sympathie-Werbung für das Militär und den Krieg. Was würde Jesus zu einem Militärkonzert in seinem Haus sagen?
- Auf Kirchentagen gibt es Auftritte der Bundeswehr-Musikkorps, Werbestände der Militär-Seelsorge und i.d.R. einen Gottesdienst mit Militärbischof und Verteidigungsminister/in. Unsere Meinung: Der Kirchentag soll dem Frieden dienen, nicht aber dem Militär.
- So wie Jesus Christus die Händler und Geldwechsler aus dem Tempel vertrieben hat – nämlich gewaltlos aber energisch – so sollten auch wir heute alles Militärische aus den Kirchen vertreiben, vor allem die Militärkonzerte und die Militärseelsorge.
- Die großen Kirchen sollten ihren Mitglieder empfehlen, nicht beim Militär und nicht in der Rüstung zu arbeiten. Diese Empfehlung fehlt bislang.
- Viele Kirchengemeinden, in deren Bereich sich Rüstungsfirmen befinden, verschließen davor die Augen. Die Kirchenleitung soll solche Gemeinden dazu ermuntern, Informationen über diese Firmen zu sammeln, zu diskutieren und zu veröffentlichen.
- Manche kirchlichen und diakonischen Einrichtungen lassen sich Projekte durch Rüstungsfirmen sponsern. Als Gegenleitung wird stillschweigend erwartet, dass die Kirchengemeinde nichts gegen die betreffende Firma sagt. Diese Praxis ist zu beenden.
- Die Kirche soll fordern, dass jeder Euro, der bislang in die Bundeswehr investiert wird (über 30 Mrd/Jahr), in soziale Projekte und in das Training gewaltfreier Methoden investiert wird.
- Es gibt Methoden und Projekte für den gewaltfreien Umgang mit internationalen Konflikten, beispielsweise der Zivile Friedensdienst, die Peace Brigades International, die Nonviolent Peaceforces, den Bund Soziale Verteidigung und die Christian Peacemaker Teams. Es gibt vielfältige Projekte der Völkerverständigung. Es gibt die Bemühung, bestimmte Waffenarten zu ächten. Die Kirche möge diese Methoden und Projekte deutlicher als bisher unterstützen.
- Die Religionen – auch das Christentum – soll dem Frieden und der Gerechtigkeit dienen. Die Religionen sollen nicht länger der Gewalt, dem Krieg und dem Militär dienen.
- Der Prophet Micha: „Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Kein Volk wird gegen das andere das Schwert erheben, und sie werden fortan nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Ein jeder wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen, und niemand wird sie schrecken.“

Wittenberg, den 14. August 2014
Eine Gruppe von Christinnen und Christen bei der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) hat diese 34 Thesen am 14.08.2014 in Wittenberg an den Bauzaun der Schlosskirche geheftet.
Am 01.06.2015, im Blick auf den Kirchentag in Stuttgart, haben wir diese 34 Thesen überarbeitet.