1) Unter welchen Bedingungen könnte es Frieden geben zwischen der Ukraine und Russland?
Es braucht Druck auf den Kreml. Dieser Druck muss auch von China kommen. Die Führung in Peking hat ein Interesse an der Beendigung des Krieges, deshalb sollte man China endlich miteinbeziehen und an den Verhandlungstisch holen. Aber auch der Westen kann mehr Druck machen, vor allem ökonomisch. So kann die EU stärker gegen die Schattenflotte von Tankern vorgehen, die täglich russisches Öl durch die Ostsee schippern und so Millionen in die Kriegskasse von Putin spülen. Da könnten die EU und somit auch Deutschland einiges tun, um diese Gewinne zu schmälern. Und dann müsste die EU auch das Schlupfloch Türkei schließen. Denn der Kreml umgeht die EU-Sanktionen unter Beihilfe von Erdogan. So wurde die Türkei 2023 zum weltweit größten Abnehmer fossiler Brennstoffe aus Russland, auch, weil die EU-Staaten ihr die Sachen abkaufen. Allein zwischen Februar 2023 und Februar 2024 importierte die EU Erdölerzeugnisse im Wert von 3,1 Milliarden Euro aus der Türkei. Wenn die EU es ernst meint, muss sie diese Praxis beenden, sonst macht sie sich lächerlich.
Foto: Maximilian Gödecke
(Rosa-Luxemburg-Stiftung)
2) Gibt es für den Beginn eines Friedensprozesses dort einen Zeithorizont?
Es gibt meiner Meinung nach keinen Zeithorizont für Verhandlungen. Mit der Wahl Trumps wird der Druck auf Kiew wahrscheinlich stärker, auch einen schlechten Frieden zu akzeptieren. Ich nehme an, dass es im nächsten Jahr wieder eine Schweizer Friedenskonferenz geben wird. Russland und China sind eingeladen und ich kann mir vorstellen, dass die ersten Vorgespräche schon zu Jahresanfang stattfinden werden.
3) In deinem Buch schreibst du über die Friedensbewegung in Deutschland, sie sei nicht mehr nicht sichtbar. Wie kann eine Bewegung gegen Kriege wieder sichtbar und später auch einflussreicher werden wie etwa in den 80er-Jahren mit den großen Demos gegen die Pershing-Raketen und besteht eine Chance, die erneute Stationierung von Mittelstreckenwaffen wie Tomahawk zu verhindern?
Ich glaube, was die Friedensbewegung und die Friedensbewegten hier eint, ist das Ziel der Abrüstung. Ob das nun Mittelstreckenraketen sind oder Atomwaffen: Abrüstung hat für uns alle Priorität. Deshalb unterstützen wir die Kampagne „Zehn Prozent für alle“, die sich dafür einsetzt, dass alle Länder gleichzeitig ihren Militäretat um zehn Prozent absenken. Das könnte ein Kristallisationspunkt sein, an dem eine Friedensbewegung wieder zusammenkommt.
4) Wird die Partei Die Linke wieder aktiver Teil einer Friedensbewegung werden?
Ja, das werden wir. Das ist allein schon durch meine Person gesichert. Ich arbeite seit 20 Jahren zu Frieden und Abrüstung. Das werde ich natürlich auch an der Spitze der Partei weiterhin tun, denn ohne Frieden ist alles nichts.
5) Wie kann eine erneuerte Friedensbewegung aussehen, auch angesichts der bestehenden Konfliktlinien?
Bunt – und vor allem nicht so alt wie ich. Wenn ich in letzter Zeit auf Friedensdemos war, dann habe ich da vor allem Leute getroffen, mit denen ich bereits in den 80ern im Bonner Hofgarten gegen den NATO-Doppelbeschluss protestiert habe. Jetzt ist die Zeit, auch junge Leute wieder für das Thema Abrüstung zu begeistern. Die Linke kann da ein Katalysator sein, schließlich sind in den letzten Monaten bei uns Tausende vor allem junger Menschen eingetreten. Die wollen was erreichen und die wollen was verändern. Die könnten der Friedensbewegung neuen Schwung geben.
Die Frage stellte Nils-Holger Schomann
Erschienen in der ZivilCourage 01/2025