Neue Broschüre von MdB Sevim Dagdelen
An den NATO- und Bundeswehrstandorten in Kalkar und Uedem finden alle gegenwärtigen Tendenzen der westlichen Kriegsführung ihren Ausdruck: Von der zunehmend offensiven Ausrichtung der NATO gen Russland und dem Umbau der Bundeswehr zur Armee im Einsatz über die wachsende Bedeutung und Militarisierung des Weltraums und des Cyberspace bis hin zur wachsenden Vernetzung der Streitkräfte mit zivilen Institutionen.
Vom Niederrhein aus wird die Luftwaffe aktiviert, wenn ein unbekanntes Flugobjekt sich dem »NATO-Luftraum« nähert, hier wird das Luftlagebild erstellt, das gegebenenfalls eine Luftschutzwarnung an die Bevölkerung auslöst oder in die Entscheidung einfließt, die in Büchel stationierten Atomwaffen scharfzumachen. Spätestens mit der Eskalation um die Ukraine scheint die Sorge alles andere als unbegründet, dass ein neuer großer Krieg zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung jener Strategen wird, die in den Bunkern am Niederrhein zugange sind.
Vieles zeigt sich bereits in der Geographie: Im Kalten Krieg hatte die NATO zwei Oberkommandos. Eines war für Operationen im Atlantik und eines für Europa zuständig. Das Oberkommando für den Atlantik in den USA ist heute nur noch mit der langfristigen Planung und Strategie befasst. Das Oberkommando für Europa ist nun für die weltweiten Einsätze zuständig. Das Bündnisgebiet hat sich bis an die Grenzen Russlands nach Osten ausgedehnt und wird von Uedem/Kalkar aus »verteidigt« – von deutschen Eurofightern, die im Baltikum stationiert sind. Formal üben nach wie vor die Einzelstaaten die Souveränität über ihren Luftraum aus, effektiv und im Ernstfall werden diese jedoch auf die Entscheidungen der NATO im deutschen Uedem deutlich weniger Einfluss haben als in der vorangegangen Struktur mit zehn über Westeuropa verteilten NATO-Lagezentren.
Zwar sind in Uedem Soldaten vieler Mitgliedsstaaten präsent, Deutschland hat dort jedoch demgegenüber permanent einen kompletten Stab im bundeswehreigenen »Zentrum Luftoperationen «zur Verfügung, der bei Bedarf ins NATO-Lagezentrum wechseln kann. Zugleich stellt die deutsche Luftwaffe hier ein verlegbares Einsatzhauptquartier für gemeinsame Einsätze der NATO-Luftwaffen jenseits des Bündnisgebietes. Zudem unterhält die Bundeswehr gemeinsam mit dem Bundesinnenministerium bzw. dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie noch weitere Lagezentren für den nationalen Luftraum und den Weltraum. Im »NATO-Kompetenzzentrum Luftmacht« werden der Weltraum, der Cyberspace und der Informationsraum längst als Schlachtfelder begriffen, auf denen es den Feind niederzuringen gilt. Die Luftwaffe und konkret der Standort am Niederrhein sollen den »Nexus« einer gemeinsamen Kriegsführung darstellen, die von Strategischer Kommunikation bis hin zum Einsatz von Atomwaffen die absolute Übermacht der NATO gewährleisten soll. Wer die Studien dieses Kompetenzzentrums ließt, fühlt sich an den Film »Dr. Seltsam oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben« erinnert. Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung diese Kriegsplanungen, die keinerlei Rücksicht auf das Völkerrecht zu nehmen scheint, aus Steuergeldern finanziert.
Neben der Vernetzten Operationsführung, zu deren Zentrum sich die Luftwaffe in Kalkar mit ihrer modernen Führungs- und Kommunikationstechnologie machen will, wird hier auch der Ansatz der vernetzten Sicherheit in die Praxis umgesetzt. Auf der Grundlage des militärischen Lagebildes arbeiten die zivile Flugsicherung und die Bundespolizei im nationalen Lagezentrum. Sie haben die Möglichkeit, im Falle (vermeintlicher) terroristischer Bedrohungen das Militär einzuschalten und über Rundfunkanstalten und Telekommunikationsanbieter Anweisungen an die Bevölkerung durchzugeben. Im Weltraumlagezentrum ist das »Deutsche Zentrum Luft- und Raumfahrt« eingebunden und immer wieder kommen dort Vertreter der Rüstungs- und Sicherheitsindustrie vorbei, um die Anwendung neuer Technologien in der Praxis zu erleben und sich über die Bedürfnisse ihrer »Kunden« zu informieren.
Soweit die bekannten Fakten. Die Informationslage und Informationspolitik zu den Lagezentren am Niederrhein ist gelinde gesagt restriktiv, manchmal widersprechen sich auch die offiziellen Angaben. Wir werden im Parlament unsere Rechte nutzen, um Licht ins Dunkel der Bunker am Niederrhein zu bringen. So gibt es Hinweise, dass von hier aus auch Drohnen der USA und künftig womöglich auch solche der Bundeswehr gesteuert werden. Die Bundesregierung muss ihre finanzielle Unterstützung der NATO-Einrichtungen am Niederrhein offen legen und begründen. Mit unserer parlamentarischen Arbeit werden wir den in der letzten Zeit verstärkten Protest der Friedensbewegung gegen die Stützpunkte Kalkar und Uedem unterstützen. Die gemeinsame Forderung muss deren Schließung sein – und ein Austritt Deutschlands aus den militärischen Strukturen der NATO sowie deren Auflösung. Denn das Kriegsführungsbündnis NATO stellt eine Bedrohung des Friedens und der Menschheit dar.
Eine gewinnbringende Lektüre wünscht
Sevim Dagdelen http://www.sevimdagdelen.de