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Kriege & Konflikte

15.08.2022

Deutschlands Rolle im Krieg in der Ukraine – DFG-VK Mitglied klagt

Vor den Verwaltungsgerichten Köln und Berlin sind 16 Klagen anhängig, in den es um die Rolle Deutschlands im Krieg in der Ukraine geht. Hintergrund der Klagen sind zwei Anträge des Friedensaktivisten Hermann Theisen, Mitglied der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), die er Anfang Mai an das Bundeskanzleramt und vier Bundesministerien gerichtet hat.

Worum geht es in den Anträgen

In dem ersten Antrag geht es um ein „Auskunftsersuchen über die Hintergründe der politischen, ministeriellen und behördlichen Tätigkeiten und Entscheidungen im Umgang mit dem Krieg in der Ukraine“, im zweiten Antrag um die „Ausrichtung der politischen, ministeriellen und behördlichen Tätigkeiten und Entscheidungen im Umgang mit dem Krieg in der Ukraine nach den Bestimmungen des Friedensgebotes des Grundgesetzes und der UN-Charta.“

Deutschland verletzt Friedensgebot

Der Friedensaktivist weist in den Klagen darauf hin, dass die Bestimmungen des Friedensgebotes des Grundgesetzes und der UN-Charta verletzt werden, wenn Deutschland den Krieg in der Ukraine finanziell unterstützt, Waffen in die Ukraine liefert und zudem ukrainische Soldat*innen in Deutschland an der Bedienung jener Waffen ausgebildet werden.

Deutschland de facto Kriegspartei

Damit sei Deutschland faktisch zu einer Kriegspartei geworden, was auch der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages in einem Gutachten („Rechtsfragen der militärischen Unterstützung der Ukraine durch NATO-Staaten zwischen Neutralität und Konfliktteilnahme“) insinuiert hat.

Darin heißt es: „Bei Unterstützungsleistungen auf der Grundlage von non-belligerency bleibt der Umfang von Waffenlieferungen, aber auch die Frage, ob es sich dabei um `offensive ́ oder `defensive ́ Waffen handelt, rechtlich unerheblich. Erst wenn neben der Belieferung mit Waffen auch die Einweisung der Konfliktpartei bzw. Ausbildung an solchen Waffen in Rede stünde, würde man den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlassen“ (Sachstand WD 2 – 3000 – 019/22).

Bereits im April habe Medienberichten zufolge aber demgegenüber bereits die Ausbildung ukrainischer Soldat*innen an schweren Waffen in der Artillerieschule der Bundeswehr im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein begonnen, so Theisen.

Keine Reaktion aus Kanzleramt und Ministerien

Nachdem vom Bundeskanzleramt und den vier Bundesministerien die Anträge des Friedensaktivisten zunächst drei Monate lang unbeantwortet geblieben seien, habe er verwaltungsrechtliche Untätigkeitsklagen erhoben, die nun vor den Verwaltungsgerichten Berlin und Köln verhandelt werden müssten. Das Verwaltungsgericht Berlin habe die Klagen in drei Sachgebiete aufgeteilt (Informationsfreiheitsgesetz/Presserecht/Sonstiges), weshalb dort bei drei Kammern jeweils mehrere Klagen anhängig seien.

Krieg darf nicht zu unrechtmäßigem Handeln Deutschlands führen

Die DFG-VK verurteilt den russischen Angriff auf die Ukraine aufs Schärfste – dennoch darf dies nicht zu einem unrechtmäßigen Handeln der deutschen Politik führen.

Theisen kritisiert in seinen Klagen die immer massiver werdenden Forderungen nach Waffenlieferungen aus Deutschland in die Ukraine, die noch immer nicht klar definierten Kriegsziele und die aus seiner Sicht mangelnden politischen Bemühungen bei der Suche nach einer diplomatischen Lösung des Krieges.

Diplomatische Lösungen nicht außer Acht lassen

Es habe „den Anschein, als laufen die bundespolitischen Entscheidungsträger*innen einer eskalierenden Abfolge von militärischen Entscheidungen einfach nur stereotyp hinterher, ohne dabei proaktiv auch zivile sicherheitspolitische Lösungsansätze ins Auge zu fassen“, so der Friedensaktivist: „Eine als Alternative zur militärischen Logik ausgerichtete deutsche Sicherheitspolitik muss aber stets vom Frieden her gedacht und konzipiert werden, denn die Verpflichtung des Staates zum Frieden ist im Grundgesetz und der UN-Charta verfassungsrechtlich bindend angelegt.

Deutschland als Vermittlerin

Deutschland könnte deshalb eine tragende Rolle bei der Suche nach einer nicht militärischen Lösung des Krieges in der Ukraine spielen, was angesichts der globalen klimapolitischen Herausforderungen ohnehin einfach nur alternativlos“ sei, so Theisen, der in den bevorstehenden Verfahren den verwaltungsgerichtlichen Instanzenweg bestreiten werde.


Pressemitteilung der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) vom 15. August 2022

Hermann Theisen
Kontakt

Hermann Theisen

+49 151 54727508

Weiterführende Links

Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages Weiterleiten

Pressemitteilung zum Krieg in der Ukraine vom 24.02.2022 Weiterleiten

Kategorie: Aktuelle Kriegsgebiete, Kriege & Konflikte, Pressemitteilung Stichworte: Hermann Theisen, Russland, Ukraine

27.05.2022

Statements der ukrainischen und russischen Friedensbewegung

Hier finden sich aktuelle Erklärungen und Grußworte aus der Friedensbewegung in Russland und der Ukraine.

Erklärung zum Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung aus Russland
Erklärung zum Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung aus der Ukraine
Grußwort zur Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen von ukrainischem Pazifisten

Erklärung der Bewegung der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen (Russland) für den
Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung vom 15. Mai 2022

Liebe Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen, heute begehen wir unseren Tag der Kriegsdienstverweigerer, während Krieg geführt wird.

Mit dem Beginn des Krieges mit der Ukraine ist der Gedanke der Wehrdienstverweigerung in Russland besonders aktuell geworden. Vor dem Krieg brachten die meisten Wehrpflichtigen und ihre Angehörigen den Militärdienst als Wehrpflichtige nicht mit tatsächlicher Kriegsführung in Verbindung. Die Einberufung erschien als eine Art Sportlager mit Elementen militärischer Ausbildung.

Unabhängig von ihrer politischen Einstellung zwingt das gesunde Gefühl der Angst vor der Teilnahme an einem Krieg auf dem Gebiet eines fremden Landes die Menschen dazu, Anträge auf einen zivilen Ersatzdienst zu stellen und ihr Recht, nicht in der Armee zu dienen, auf andere Weise zu schützen.

Für einige Kriegsdienstverweigerer ist die Möglichkeit, in ihrem Antrag anzugeben, dass sie den Krieg Russlands in der Ukraine ablehnen, wichtig. Das ist eine legale Form, seine Ablehnung direkt gegenüber den Vertretern der staatlichen Behörden zum Ausdruck zu bringen – eine Angelegenheit von moralischer Bedeutung.

In den bisherigen Kriegsmonaten haben wir ein völlig neues Phänomen beobachtet: Fälle, in denen Berufssoldat*innen sich weigern, an der Sonderoperation teilzunehmen* und die Beendigung ihrer Verträge fordern. Wir möchten jenen Soldat*innen und Polizist*innen unseren besonderen Dank aussprechen, die den Mut hatten, sich zu weigern, in einem fremden Land zu töten und zu sterben, die sich weigerten, an der Sonderoperation teilzunehmen.

Heute, wo viele Menschen die Einführung einer teilweisen oder vollständigen Mobilisierung in Russland befürchten, bietet ihnen gerade das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen Unterstützung. Die Bewegung der Kriegsdienstverweigerer in Russland drückt ihre Solidarität mit allen Kriegsgegner*innen aus, mit allen, die sich gegen den Akt der Aggression stellen. Wir wünschen und beten mit aller Kraft,
dass die Ukraine den Angriff überlebt und ihre Unabhängigkeit bewahrt.


*Die „Sonderoperation“ ist der laufende Angriff Russlands auf die Ukraine; formal handelt es sich nicht um einen Krieg, sondern um eine „Sonderoperation“, die in Russland in offiziellen Verlautbarungen als solche bezeichnet wird.


Ukrainische Pazifisten feierten den Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerer

Am Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerer am 15. Mai 2022 gaben ukrainische Pazifist*innen eine Erklärung ab, sie diskutierten über die Besonderheiten der Kriegsdienstverweigerung in der Ukraine unter dem Kriegsrecht und erzählten Geschichten aus ihrem Leben.

Ruslan Kotsaba beschrieb, wie sein Glaube und seine Hoffnung ihm halfen, die Inhaftierung wegen seiner Weigerung zu töten, zu überleben. Yurii Sheliazhenko informierte darüber, dass heute bei der Zeremonie in der Nähe des Gedenksteins für Kriegsdienstverweigerer auf dem Tavistock Square in London Grüße von ukrainischen Pazifist*innen verlesen wurden, und erläuterte die rechtlichen Aspekte der Ausübung des Menschenrechts auf Kriegsdienstverweigerung. Ilya Ovcharenko erzählte, wie er zum ukrainischen Sicherheitsdienst gerufen wurde und während seines Verhörs die kriegsfeindliche Weltanschauung Leo Tolstois erläuterte.

Die neuen Mitglieder der ukrainischen pazifistischen Bewegung, Oleksandra und Yevheniy, lasen feierlich die Erklärung der War Resisters‘ International (WRI) von Bilthoven (1921) vor.

UKRAINISCHE PAZIFISTISCHE BEWEGUNG
Erklärung der ukrainischen pazifistischen Bewegung

Die Ukraine begeht den Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerer am 15. Mai 2022 in einer schwierigen Zeit der Eskalation des russisch-ukrainischen Konflikts aufgrund der brutalen und illegalen russischen Invasion, an einem Zeitpunkt, in dem der Wunsch, den Krieg aus Macht- und
Profitgründen unbegrenzt fortzusetzen, die Menschen zu Geiseln der Todesmaschinerie macht.

Wir rufen alle Kriegsparteien und diejenigen, die sie militärisch unterstützen, auf, alle Anstrengungen zu unternehmen, um eine Vereinbarung über einen sofortigen Waffenstillstand und die Beilegung des Konflikts mit friedlichen Mitteln im Einklang mit der UN-Charta zu erreichen.

Wir fordern vom Staat volle und belastbare Garantien für das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen und das Recht, das Land zu verlassen und im
Ausland Asyl zu suchen, in Übereinstimmung mit internationalen und nationalen Standards der Menschenrechte und des humanitären Rechts, die unter anderem im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, in der Verfassung und in den Gesetzen der Ukraine verankert sind. Menschenrechtsverletzungen während der militärischen Mobilmachung sollten nicht zugelassen werden.

Gemeinsam mit der War Resisters‘ International bekunden wir unsere Solidarität mit den russischen und belarussischen Kriegsdienstverweigerern und fordern die sofortige Einstellung aller Repressionen gegen sie.

Kriege werden enden, wenn alle Menschen sich weigern, sich gegenseitig zu töten. Dieses Recht steht uns gesetzlich zu und ist zudem unsere moralische Pflicht. Lasst uns gemeinsam den Krieg
beenden!


Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen ist ein erster Schritt zu einer zukünftigen gewaltfreien Gesellschaft

Liebe Freunde,

die ukrainische pazifistische Bewegung gratuliert Euch zum Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen. Wir feiern diesen Tag auch in der Ukraine, und er gibt uns die Hoffnung, dass es in einer späteren Zeit kein Mensch mehr wagen wird, jemanden zu töten, und dass es für immer keinen Krieg mehr geben wird.

Wir sind bewegt und dankbar gegenüber all den Kriegsverweigerern in der Welt, die gegen das Blutvergießen in der Ukraine protestieren und sich mit den Kriegsdienstverweigerern in unserem Land sowie mit den Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren in Russland und Belarus solidarisch zeigen.

Diese Länder, denen es ebenso schlecht geht wie der Ukraine, sind vom Militarismus vergiftet, der die Menschen von ihrer Geburt bis zu ihrem Tod in Form von militärisch-patriotischer Erziehung, Kriegspropaganda, militärischer Registrierung, Wehrpflicht, verschiedenen Formen offizieller und inoffizieller Bestrafung und Drangsalierung von Wehrdienstverweigerern verfolgt.

Dieser Kriegsmoloch, diese Kriegsmaschinerie hat es Autokrat*innen, Demagog*innen und Kriegsgewinnler*innen
ermöglicht, die Bevölkerung für sinnlose Massentötungen zu ihrem persönlichen Vorteil und um den Preis des Untergangs von Frieden und Wohlstand in Europa und der Welt zu mobilisieren.

Yurii Sheliazhenko Ukraine
Yurii Sheliazhenko

Einige mutige Bürger*innen stellen sich hier und da offen gegen den Militarismus, aber die meisten Menschen leisten nur passiven Widerstand. Nach Jahren der Unterdrückung und der Einpflanzung gewalttätiger Ideologien brauchen die zarten Pflänzchen der Friedensbewegung besondere Aufmerksamkeit.

Diejenigen, die das Töten verweigern, müssen das Gefühl haben, dass sie nicht allein sind, dass sie Hoffnung haben können und dass sie eine Zukunft haben. Die Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen ist ein erster notwendiger Schritt zur Schaffung einer gewaltfreien Gesellschaft, und wir sollten in die Zukunft schauen und den Menschen nach diesem Bekenntnis die nächsten Schritte erklären sowie die möglichen Konsequenzen, wenn sie dem Wahn eines guten Krieges und gerechtfertigter Gewalt nachgeben.

Wie können sie behaupten, der Frieden gehöre nur den Mächtigsten und Reichsten, denjenigen, die sich durch das Töten anderer schützen können? Haben sie jemals darüber nachgedacht, welcher Unterschied zwischen Frieden und Krieg, zwischen Recht und Unrecht besteht und was uns davon abhalten würde, die nukleare Apokalypse als endgültigen Selbstmord zu riskieren aus Angst, eine Art absoluter Macht zu verlieren? Die absolute Macht, die von Anfang an eine schlechte Fiktion war, die
in Wirklichkeit niemand haben kann, die kein guter Mensch oder keine gute Nation auch nur anstreben sollte.

Frieden ist kein Krieg ohne Ende, er ist eine wunderbare Dynamik des Lebens, frei von Gewalt, er ist Tradition, frei von der Wiederholung tragischer Fehler, er ist Demokratie, frei vom wütenden Zusammenrottungen, und er ist Wirtschaft, frei vom Diebstahl des Lebens und des Glücks anderer. All dies kommt in unsere Leben mit der allmählichen Umwandlung der vorherrschenden Kultur des Krieges und der Gewalt in eine sich entwickelnde Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit.

Vielleicht ist es nicht ganz eine gewaltfreie Revolution, der Traum vieler Kriegsverweigerer, und ich gebe zu, dass es nicht nur Fortschritte, sondern auch offensichtliche Rückschläge geben wird. Vielleicht ist die Kriegsmaschinerie heute außer Kontrolle geraten, aber zweifelt nicht daran, dass die Menschen sie stoppen können und sollten.

Viele Menschen können heute friedlicher leben als in der Vergangenheit, aber sie schwanken immer noch zwischen einer archaischen Kriegskultur und einer fortschrittlichen Kultur des Friedens. Umso wertvoller ist die Arbeit derjenigen, die klar verstehen, dass Frieden nicht spontan entsteht, dass Frieden ein Produkt guter Entscheidungen und vieler gut organisierter Bemühungen ist, dass Frieden auf der Weigerung zu töten beruht und dass Frieden keine Utopie ist, weil er auf Fakten beruht und durch wirksame und realistische Modelle verkörpert wird.

Viele Menschen haben erfolgreich ein gutes Leben ohne Gewalt gelebt und tun dies auch weiterhin, indem sie keiner Macht erlauben, ihre Grundsätze zu gefährden, egal wie groß diese Macht sich selbst einschätzt. Die Ausübung des Menschenrechts auf Kriegsdienstverweigerung ist der lebende Beweis dafür, dass
keine Macht absolut sein kann, dass militaristische Dystopien nichts mit der Realität zu tun haben, dass die Menschen um die Betrügereien der versprochenen Wunder der Gewalt wissen und sie nicht tolerieren werden.

Erinnern wir uns: Dieser Gedenkstein für Kriegsdienstverweigerer auf dem Tavistock Square, der „all jenen gewidmet ist, die das Recht, das Töten zu verweigern, eingeführt und aufrechterhalten haben“, ist ein Eckpfeiler für eine bessere Zukunft der gesamten Menschheit. Er ist ein Eckpfeiler für ein gewaltfreies und glückliches Leben aller Menschen auf der Erde. Eines Tages werden alle Menschen lernen, mutig und weise genug zu sein, um sich selbst, anderen und der Natur keinen Schaden zuzufügen.

Wir sollten praktische Wege des gewaltfreien Lebens lernen und lehren, und wir sollten uns weigern zu töten, denn Krieg ist ein Verbrechen gegen die Menschheit, und deshalb sollten wir keine Art von Krieg unterstützen und uns um die Beseitigung aller Kriegsursachen bemühen.

Grußwort für die Gedenkfeier am Tavistock Square in London am 15. Mai 2022 vom ukrainischen Pazifisten Yurii Sheliazhenko.


Weiterführende Links

Ukrainischer Friedensaktivist Yurii Sheliazhenko im Interview mit Democracy Now! vom 22.03.22 Weiterleiten

Interview mit ukrainischen und russischen Friedensaktivist*innen vom 05.04.22 Weiterleiten

Website der War Resisters‘ International Weiterleiten

Kategorie: Aktuelle Kriegsgebiete, Kriege & Konflikte, Kriegsdienstverweigerung, Pazifismus und Antimilitarismus, Theorie & Praxis Stichworte: Friedensbewegung, Kriegsdienstverweigerung, Pazifismus, Russland, Ukraine

27.05.2022

Bundeskongress in kriegerischen Zeiten

Über 100 Delegierte haben sich am vergangenen Wochenende in Duisburg auf dem 23. Bundeskongress der „Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen“ (DFG-VK) ausgetauscht: Über den russische Angriffskrieg auf die Ukraine, die Klimakatastrophe und Repressionen gegen Friedensaktivist*innen in Deutschland.

Ziele und Überzeugungen

„Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit.“ Diesen Satz aus ihrer Grundsatzerklärung bekräftigen am letzten Wochenende die Teilnehmenden des Bundeskongresses der DFG-VK, der ältesten deutschen Friedensorganisation.

In ihrer Abschlussresolution verurteilten sie den russischen Angriffskrieg und forderten das Töten umgehend zu beenden: „Militarismus, Bellizismus und Nationalismus muss Einhalt geboten werden. Die DFG-VK setzt sich dafür ein, dass eine neue Entspannungspolitik eingeleitet wird, die die Sicherheitsinteressen aller Staaten berücksichtigt. Sicherheit ist neu zu denken und in eine zivile Außenpolitik umzusetzen. Nur gemeinsam kann die Menschheit in Frieden überleben.“

Gäste des Kongresses

Inhaltlichen Input gaben am Kongress-Wochenende der junge Fridays for Future-Aktivist Maurice Conrad und Yurii Sheliazhenko von der „Ukrainischen Pazifistischen Bewegung“.

Unterstützung von Kriegsverweigerer*innen

Zur Unterstützung russischer Kriegsdienstverweigerer*innen wurden von der DFG-VK am Samstag im Rahmen des Bundeskongresses 8.000 Euro an ein Projekt der finnischen Friedensorganisation Aseistakieltäytyjäliitto (AKL | deutsch: Vereinigte Kriegsdienstgegner*innen) und der russischen Organisation Движение сознательных отказчиков (MCO | deutsch: Bewegung der Kriegsdienstgegner*innen) gespendet. Damit soll jungen Russ*innen dabei geholfen werden sich dem Dienst im Militär zu entziehen – beim Angriffskrieg auf die Ukraine setzte das russische Militär bereits Wehrdienstleistende ein.

Workshops

In Workshops wurden den Bundeskongress-Teilnehmenden Aktionsformen wie beispielsweise „Adbusting“ vorgestellt, bei der Militär-Werbung satirisch verändert oder karikiert wird. Außerdem gab es Arbeitsgruppen zum Thema Waffenexporte, Friedensbildung, der Konversion militärischer Areale sowie zum Konzept „Sicherheit neu denken“.

Wahlen

Auch einige Formalia des 1892 in Berlin gegründeten Vereins wurden auf dem Kongress bearbeitet: Jürgen Grässlin, Thomas Carl Schwoerer, Christoph Neeb, Jan Sander und Marius Pletsch wurden erneut in den Bundessprecher*innenkreis gewählt. Neu hinzugewählt wurden Hauke Thoroe, Shari Kohlmeyer, Fabian Grote, Adrián Villa Urrego und Ralf Buchterkirchen. Die Hälfte der Bundessprecher*innen ist 30 Jahre alt oder jünger; die optimale Besetzung aus erfahrenen und jüngeren Mitgliedern, die sich bestens ergänzen. Als politischer Geschäftsführer wurde Michael Schulze von Glaßer wiedergewählt.

Ludwig-Baumann-Preis

Im Rahmen des Kongresses wurde erstmals der Ludwig-Baumann-Preis für außerordentliches Friedensengagement trotz staatlicher Verfolgung an zwei Preisträger*innen vergeben. Bei der ersten Preisträgerin, der Jura-Studentin Frida Henkel aus Berlin, gab es Hausdurchsuchungen, nachdem sie Werbung der Bundeswehr im öffentlichen Raum kreativ veränderte. Der zweite Preisträger, Wilfried Porwol aus Kleve, stand bereits mehrfach wegen der Umgestaltung eines Kriegerdenkmals, auf dem u.a. ein Hitler-Zitat zu sehen war und deutsche Soldaten des 1. und 2.Weltkriegs als Helden gefeiert werden, vor Gericht.
Der Preis ist nach dem Wehrmachtsdeserteur Ludwig Baumann (1921-2018) benannt. Das DFG-VK Ehrenmitglied gründete 1990 die “Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz e.V.“ und erreichte 2002 die Aufhebung der Unrechtsurteile gegen Deserteure, sogenannte Wehrkraftzersetzer, Selbstverstümmeler und andere Opfer der NS-Militärjustiz.

Zukunft

„Es war ein anstrengender aber sehr informativer Kongress“, fasst DFG-VK Bundeskassierer Christoph Neeb das Wochenende zusammen. Man habe in diesen politisch schwierigen Zeiten die Weichen für die Zukunft gestellt: „Trotz des heftigen Gegenwinds werden wir uns weiter gegen Krieg und Aufrüstung und für Frieden und Abrüstung einsetzen.“


Pressemitteilung der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) vom 27. Mai 2022

Kontakt

Michael Schulze von Glaßer
Politischer Geschäftsführer der DFG-VK

+4917623575236
svg@dfg-vk.de

Kategorie: Abrüstung und Konversion, Aktuelle Kriegsgebiete, Allgemein, Anti-Militarisierung, Atomwaffen abschaffen, Bertha von Suttner Stiftung, Kriege & Konflikte, Kriegsdienstverweigerung, Kriminalisierung von Kriegsgegner*innen, Pazifismus und Antimilitarismus, Pressemitteilung, Stoppt den Waffenhandel, Theorie & Praxis, Waffen & Rüstung Stichworte: Bundeskongress, Duisburg, Kriegsdienstverweigerung, Ludwig Baumann, Russland

06.05.2022

Völkerrechtswidrige Angriffe der Türkei auf kurdische Gebiete nicht weiter dulden

Weitgehend unbeachtet von der hiesigen Öffentlichkeit greift die Türkei wieder einmal kurdische Gebiete im Nordirak und in Nordsyrien an. Am 17. April 2022 startete die türkische Armee ihre Großoffensive „Claw-Lock“, die sich nach offiziellen Angaben der türkischen Regierung gegen PKK-Stellungen richtet. Wie bereits in der Vergangenheit wird aber auch die kurdische Zivilbevölkerung getroffen.

Angriffe nicht weiter dulden

Die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) fordert von der Bundesregierung, die völkerrechtswidrigen Angriffe der Türkei endlich öffentlich scharf zu verurteilen.

Türkische Angriffe treffen Zivilist*innen

Seit mehr als zwei Wochen greift die türkische Armee kurdische Gebiete im Irak und in Syrien mit schwerer Artillerie und Drohnen aus der Luft an. Am 18. April 2022 marschierte sie mit Bodentruppen in den Irak ein. Insbesondere in Nord- und Ostsyrien werden nicht nur Stellungen der kurdischen PKK getroffen, auch die Zivilbevölkerung leidet massiv unter den Angriffen, Zivilist*innen werden verwundet oder sterben.

Statements des Auswärtigen Amts unzureichend

Dessen ungeachtet vermeldete das Auswärtige Amt auf der Bundespressekonferenz vom 20. April 2022 lediglich, dass es die türkischen Angriffe zur Kenntnis genommen habe. In Bezug auf die Lage im Nordirak rufe das Auswärtige Amt nach eigenen Angaben alle Konfliktparteien regelmäßig zur Zurückhaltung und zur Achtung des humanitären Völkerrechts auf.

„Die bisherigen Stellungnahmen der Bundesregierung und des Auswärtigen Amtes zur türkischen Offensive haben mit einer werteorientierten Außenpolitik, wie sie sich die neue Außenministerin Annalena Baerbock auf die Fahne geschrieben hat, nichts zu tun,“ beklagt Kathi Müller, Bundessprecherin der DFG-VK.

Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages schafft Fakten

Sprecher*innen des Auswärtigen Amtes und der Bundesregierung weisen immer wieder auf das Selbstverteidigungsrecht gemäß Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen hin, auf das sich die Türkei bei ihren Angriffen berufe. „Deutschland und auch andere NATO-Staaten dulden damit sowohl die systematischen Angriffe auf Kurd*innen als auch die Verletzung der Souveränität des Iraks und Syriens,“ erklärt Müller weiter.

In einem Papier über zwei vorangegangene Militäroperationen der Türkei gegen PKK-Stellungen im Irak vom 8. Juli 2020 stellte der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages fest, dass keine Selbstverteidigungslage für die Türkei zu erkennen sei. Zu der gleichen Einschätzung kam der Wissenschaftliche Dienst bei der Betrachtung völkerrechtlicher Aspekte der türkischen Militäroperation in Syrien ein Jahr zuvor.

Bundesregierung übernimmt türkische Sichtweise unkritisch

In ihrer Antwort auf eine mündliche Anfrage der Abgeordneten Gökay Akbulut im Bundestag erklärte Staatsministerin Dr. Anna Lührmann, dass der deutschen Regierung zu den derzeit keine Erkenntnisse vorlägen, die eine genauere völkerrechtliche Bewertung der türkischen Militäroperation erlaubten. Immer wieder übernahm sie dabei unkritisch das Wording der türkischen Regierung und sprach von einem „militärischen Vorgehen der Türkei gegen die Terrororganisation PKK“.

Türkische Angriffe mit deutschen Waffen

Hinzu kommt, dass bei den völkerrechtswidrigen Angriffen der Türkei auf die kurdischen Gebiete auch deutsche Kriegswaffen und Rüstungsgüter zum Einsatz kommen. Laut einem Bericht des Bonn International Center for Conversion (BICC), lag das Gesamtvolumen der Rüstungsexporte aus Deutschland in die Türkei im Jahr 2020 bei 22,9 Mio. Euro. Außerdem ist deutsche Sensortechnologie des Rüstungskonzerns Hensoldt über ein südafrikanisches Tochterunternehmen eine wichtige Komponente vieler türkischer Bayraktar TB2-Drohnen. Die Bayraktar TB2 wird im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine seitens der Ukraine militärisch eingesetzt und darüber hinaus in viele Staaten exportiert und tödlich eingesetzt.

Abschiebestopp für kurdische Friedensaktivist*innen

„Wir fordern, dass die Bundesregierung endlich Klartext redet und die Angriffe des NATO-Partners Türkei als das bezeichnet was sie sind: als einen klaren Bruch des Völkerrechts,“ so die DFG-VK Bundessprecherin und ergänzt: „Unsere Solidarität gilt den Kurd*innen, die derzeit unter der türkischen Offensive im Nordirak und in Nordsyrien leiden, aber auch kurdischen Friedensaktivist*innen hier in Deutschland.“ Trotz der bedrohlichen Lage für Kurd*innen und der anhaltenden Militäroffensive werden in Deutschland lebende Kurd*innen weiter in die Türkei abgeschoben. Die DFG-VK fordert einen Stopp der Abschiebungen in das Land, in dem Aktivist*innen und Menschenrechtler*innen Folter und Inhaftierung drohen.

Friedensfahne
Kontakt

Katharina Müller
Bundessprecherin der DFG-VK
mueller@dfg-vk.de


Pressemitteilung des Bundessprecher*innenkreises der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) vom 05.05.22

Weiterführende Links

Wissenschaftlicher Dienst zur türkischen Militäroperation im Irak vom 08.07.20 Weiterleiten

Wissenschaftlicher Dienst zur türkischen Militäroperation in Syrien vom 17.10.19 Weiterleiten

Kategorie: Aktuelle Kriegsgebiete, Kriege & Konflikte, Pressemitteilung, Stoppt den Waffenhandel, Waffen & Rüstung Stichworte: Bundesregierung, Irak, PKK, Syrien, Türkei, Völkerrecht, Waffenlieferungen

26.04.2022

Ukrainische Pazifistische Bewegung meldet sich zu Wort

Erklärung der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung gegen die Verewigung des Krieges vom 17.04.2022

Die Ukrainische Pazifistische Bewegung ist zutiefst besorgt über das aktive Abbrennen von Brücken für eine friedliche Lösung des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine auf beiden Seiten und über signalisierte Absichten, das Blutvergießen auf unbestimmte Zeit fortzusetzen, um einige Ziele im Hinblick auf Souveränität zu erreichen.

Wir verurteilen die russische Entscheidung, am 24. Februar 2022 in die Ukraine einzumarschieren, die zu einer tödlichen Eskalation und Tausenden von Toten geführt hat, und bekräftigen unsere Verurteilung der gegenseitigen Verletzungen des in den Vereinbarungen von Minsk vorgesehenen Waffenstillstands durch russische und ukrainische Kombattanten im Donbass vor der Eskalation durch die russische Aggression.

Wir verurteilen die gegenseitige Etikettierung von Konfliktparteien als Nazi-ähnliche Feinde und Kriegsverbrecher, die auch in die Gesetzgebung eingegossen wird, verstärkt durch die offizielle Propaganda extremer und unversöhnlicher Feindseligkeit. Wir glauben, dass das Gesetz Frieden schaffen und nicht zum Krieg aufstacheln sollte; und die Geschichte sollte uns Beispiele dafür liefern, wie Menschen zu einem friedlichen Leben zurückkehren können, und keine Vorwände, um den Krieg fortzusetzen.

Wir bestehen darauf, dass die Verantwortlichkeit für Verbrechen von einer unabhängigen und kompetenten Justizbehörde in einem ordentlichen Gerichtsverfahren als Ergebnis einer unvoreingenommenen und unparteiischen Untersuchung festgestellt werden muss, insbesondere bei den schwersten Verbrechen wie Völkermord. Wir betonen, dass die tragischen Folgen militärischer Brutalität
nicht dazu benutzt werden dürfen, Hass zu schüren und neue Gräueltaten zu rechtfertigen; im Gegenteil sollten solche Tragödien den Kampfgeist abkühlen und eine beharrliche Suche nach den am wenigsten blutigen Wegen zur Beendigung des Krieges fördern.

Wir verurteilen die Militäraktionen beider Seiten, die Zivilisten schaden. Wir bestehen darauf, dass jegliches Schießen eingestellt wird, alle Seiten das Andenken an die getöteten Menschen ehren und sich nach gebührender Trauer ruhig und ehrlich zu Friedensgesprächen verpflichten.

Wir verurteilen Äußerungen von russischer Seite über die Absicht, bestimmte Ziele militärisch zu erreichen, wenn sie nicht durch Verhandlungen erreicht werden können.

Wir verurteilen Äußerungen der ukrainischen Seite, dass die Fortsetzung der Friedensgespräche davon abhängt, die beste Verhandlungsposition auf dem Schlachtfeld zu gewinnen.

Wir verurteilen die mangelnde Bereitschaft beider Seiten, das Feuer während der Friedensgespräche einzustellen.

Wir verurteilen die Praxis, Zivilisten gegen den Willen friedlicher Menschen in Russland und der Ukraine zum Militärdienst, zur Erfüllung militärischer Aufgaben und zur Unterstützung der Armee zu zwingen. Wir bestehen darauf, dass solche Praktiken, insbesondere während der Kampfhandlungen, den Grundsatz der Unterscheidung zwischen Militärs und Zivilisten im humanitären Völkerrecht grob verletzen. Jegliche Missachtung des Menschenrechts auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen ist inakzeptabel.

Wir verurteilen jede militärische Unterstützung Russlands und der NATO-Staaten für militante Radikale in der Ukraine, die eine weitere Eskalation des militärischen Konflikts provoziert.

Wir rufen alle friedliebenden Menschen in der Ukraine und auf der ganzen Welt auf, unter allen Umständen friedliebende Menschen zu bleiben und anderen zu helfen, friedliebende Menschen zu sein; Wissen über eine friedliche und gewaltfreie Lebensweise zu sammeln und zu verbreiten; eine Wahrheit zu bezeugen, die friedliebende Menschen vereint; dem Bösen und Unrecht ohne Gewalt zu widerstehen und die Mythen über einen notwendigen, nützlichen, unvermeidlichen und gerechten Krieg zu entlarven.

Wir fordern aktuell keine besonderen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Pläne für Frieden nicht zum Ziel von Hass und Angriffen von Militaristen werden, aber wir sind zuversichtlich, dass die Pazifisten
auf der Welt eine gute Vorstellungskraft und Erfahrung in der praktischen Umsetzung ihrer besten Träume haben. Unser Handeln sollte von der Hoffnung auf eine friedliche und glückliche Zukunft geleitet sein und nicht von Ängsten. Lassen Sie unsere Friedensarbeit die erträumte Zukunft näher bringen.

Krieg ist ein Verbrechen gegen die Menschheit. Deshalb sind wir entschlossen, keine Art von Krieg zu unterstützen und an der Beseitigung aller Kriegsursachen mitzuarbeiten.

Weiterführende Links

Ukrainischer Friedensaktivist Yurii Sheliazhenko im Interview mit Democracy Now! vom 22.03.22 Weiterleiten

Interview mit ukrainischen und russischen Friedensaktivist*innen vom 05.04.22 Weiterleiten

Kategorie: Aktuelle Kriegsgebiete, Kriege & Konflikte, Pazifismus und Antimilitarismus, Theorie & Praxis Stichworte: Pazifismus, Russland, Ukraine

22.04.2022

Warum Pazifismus gerade wichtiger denn je ist

Michael Schulze von Glaßer, politischer Geschäftsführer der DFG-VK, äußert sich zu den Angriffen auf Pazifist*innen, Pazifismus und die Friedensbewegung.

Was ist passiert?
Einschätzungen des politischen Geschäftsführers
Waffenlieferungen
Alternativen
Aufrüstung der Bundeswehr
Warum Pazifismus wichtiger ist denn je


Rund um die Ostermärsche gab es am vergangenen Wochenende mit Blick auf den Krieg in der Ukraine eine Debatte um Pazifismus. Dabei gab es – auch auf uns als Teil der „Friedensbewegung“ – scharfe Angriffe und eine leider häufig klischeebehaftete Berichterstattung. Es gibt zum Pazifismus aber keine Alternative.

Pazifist*innen unter Beschuss

Seit über 60 Jahren gehen am Osterwochenende zehntausende Menschen in Deutschland auf die Straßen, um für Frieden zu demonstrieren. In diesem Jahr fanden in etwa 120 Städten Aktionen statt. Wurden die vielerorts von unseren Mitgliedern organisierten Proteste jahrelang von der breiten Öffentlichkeit nur am Rande beachtet, so gab es nun bereits im Vorfeld der Aktionen eine kontroverse politische Debatte – und scharfe Angriffe gegen uns und unsere Positionen.

Großartiger Text von ⁦⁦@saschalobo⁩ : Es gibt klugen #Pazifismus, aber „deutscher Lumpen-Pazifismus (ist) eine zutiefst egozentrische Ideologie, die den eigenen Befindlichkeitsstolz über das Leid anderer Menschen stellt.“ 🎯👍🏻 #Ukraine #Krieg https://t.co/yyQtFBzxM7

— Alexander Lambsdorff (@Lambsdorff) April 20, 2022

Sascha Lobo nannte die Ostermarsch-Teilnehmer*innen etwa “Lumpen-Pazifisten” und der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff bezeichnete die Organisator*innen der Ostermärsche pauschal als „fünfte Kolonne Putins“. Sie würden versuchen, die Ukraine zu schwächen. Für Protestforscher Prof. Dr. Dieter Rucht ist diese Aussage laut SPIEGEL-Online „blanker Unsinn“.

Protest gegen Politik Russlands

Wir können dies bestätigen. So haben wir in den vergangenen Jahren mehrfach vor der Botschaft Russlands in Berlin sowie vor den Konsulaten des Landes in verschiedenen Städten für Abrüstung – konkret etwa für den Erhalt des INF-Vertrags – demonstriert. Und – auch das sei hier nochmal betont – wir haben noch vor Kriegsbeginn am 9. Februar 2022 in Berlin mit einer Friedensaktion an die russische Seite appelliert, zu verhandeln und den sich anbahnenden Krieg nicht weiter vorzubereiten. Wie viele Protestaktionen vor russischen Regierungseinrichtungen in Deutschland hat Graf Lambsdorff schon organisiert?

Versuch einer Analyse

Mit dem Einmarsch Russlands am 24. Februar 2022 – und bereits 2014 mit der Annexion der Krim und dem Krieg im Donbass – hat Wladimir Putin nicht nur unendliches menschliches Leid verursacht, sondern auch friedenspolitische Bemühungen der letzten Jahrzehnte zunichte gemacht. Kriege brechen nicht einfach aus, sondern sind menschengemacht. Sie haben – auf Fakten bezogen niedere und ablehnungswürdige – Motive und eine Vorgeschichte. Das bedeutet aber auch: Dieser Krieg wäre verhinderbar gewesen. Und eine an pazifistischen Grundsätzen und Vorstellungen orientierte Politik hätte diesen Krieg verhindert.

Denn dass es den aktuellen Krieg gibt, macht doch gerade das Versagen der europäischen Sicherheitspolitik deutlich – sowohl von russischer als auch westeuropäischer Seite. Es war doch gerade die Politik derjenigen, die den Pazifismus aktuell angreifen, die es in dreißig Jahren nach Ende des Kalten Kriegs nicht geschafft hat, dauerhaft Frieden in Europa herzustellen. Die Sicherheitsinteressen aller (!) osteuropäischer Staaten hätten beachtet und eine gemeinsame Sicherheitspolitik unter Einschluss Russlands geschaffen werden müssen.  Der Abbau bis hin zu einem Verbot von Atomwaffen hätte vorangetrieben werden müssen, genauso wie ein strikter Rückbau von Waffenproduktion und -export.

Das wäre nicht einfach gewesen – aber das sind Politik und Diplomatie eben häufig nicht. In den rund fünfzig Jahren des Kalten Kriegs von beiden Seiten gegeneinander propagierte – teilweise rassistische – Feindbilder wurden nicht durchbrochen. Eine ideologiefreie Betrachtung ergibt, dass nicht nur die russische Seite Fehler gemacht hat, sondern auch die NATO ihre konfrontative Haltung gegen Russland nach dem Kalten Krieg kaum aufgegeben hat. Die Osterweiterung ist dafür ein Zeichen.

Diese – hier nur kurz geschilderte Analyse – steht nicht der klaren Feststellung entgegen, dass es Wladimir Putin ist, der den Angriffsbefehl gegeben hat und für den Krieg verantwortlich ist. In unseren zahlreichen Veröffentlichungen zum Ukraine-Krieg haben wir den völkerrechtswidrigen Einmarsch Russlands bereits scharf verurteilt. Und natürlich gehört jede*r, der solch ein Verbrechen begeht, vor Gericht gestellt.

Der Pazifismus und die Menschen, die ihn vertreten, sind aber nicht schuld am Krieg. Und wie die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann, die auch DFG-VK Mitglied ist, sagte, ist es nicht gerecht, Menschen, die sich seit Jahrzehnten für Frieden einsetzten, vorzuwerfen, sie stünden auf der Seite Russlands.

Für Pazifismus: Friedensdemo zum Krieg in der Ukraine
Wir bleiben dabei: Keine Waffenlieferungen!

Nun möchte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) sogar schwere Waffen an die Ukraine liefern. Der von ihrer Partei noch im letzten Wahlkampf verbreitete Grundsatz, keine Waffen in Kriegsgebiete zu liefern, ist damit ebenso endgültig obsolet wie die Vorsilbe „feministisch“ für diese neue deutsche Außenpolitik.

„Frieden schaffen mit noch mehr Waffen“ funktioniert nicht

Ohne Frage befinden wir uns bei der Frage der Waffenlieferungen an die Ukraine aber in einem Dilemma: Die Menschen in der Ukraine werden angegriffen. Mit noch mehr Waffen können sie sich militärisch vermeintlich noch besser wehren. Damit ist bei vielen – auch der Bundesregierung – die Hoffnung auf ein schnelles Ende des Krieges verbunden: Man müsse nur genügend Waffen liefern und schwuppdiwupp sei der Krieg beendet. Das ist eine Fehlannahme. „Frieden schaffen mit noch mehr Waffen“ funktioniert nicht – das haben zahlreiche westliche Militäreinsätze und großangelegte Waffenlieferungen in Konfliktregionen in der Vergangenheit immer wieder gezeigt. Das westliche Desaster in Afghanistan ist nicht mal ein Jahr her – und scheinbar schon von vielen vergessen.

Was Waffenlieferungen bedeuten

Keine Beachtung findet in der öffentlichen Debatte gerade das moralische Dilemma, welches entsteht, wenn Deutschland Waffen liefert: Letztendlich werden mit den Waffen aus Deutschland Menschen getötet. Natürlich ist das russische Militär der Angreifer. Das heißt aber nicht automatisch, dass alle russischen Soldat*innen hinter dem Einsatz stehen. Mittlerweile ist bekannt, dass von Russland auch Wehrpflichtige in den Einsatz geschickt wurden. Zudem sollen viele Soldat*innen schlecht oder gänzlich falsch informiert in den Einsatz geschickt worden sein – ihnen soll etwa anfänglich gesagt worden sein, dass es sich nur um eine Übung handele. Wie einseitig russische Medien über die „militärische Sonderoperation“ – allein diesen Krieg als solchen zu bezeichnen, steht in Russland mittlerweile unter Strafe – berichten, ist hinlänglich bekannt. Wenn nun russische Soldat*innen aufgrund von Propaganda – falscher Information – in einen Krieg gedrängt oder gar gezwungen wurden und dort mit Waffen aus Deutschland getötet werden, ist das ein Problem.

Wie viele Zweifler*innen und Soldat*innen, die eigentlich nicht kämpfen wollen, es in der russischen Armee gibt, ist nicht zu beziffern. Natürlich wird es auch viele Soldat*innen geben, die vollends hinter dem Einsatz stehen. Doch die Moral in Reihen des russischen Militärs soll insgesamt schlecht sein. Dabei muss man sich immer bewusst sein: Wer im Militär – egal in welchem – den Befehl verweigert, dem drohen harte Konsequenzen. So sollen 60 russische Fallschirmjäger den Dienst verweigert haben – sie wurden entlassen und ihnen drohen Strafanzeigen. Russische Deserteur*innen sollen aber auch schon erschossen worden sein.

Ebenfalls problematisch ist es, wenn auf ukrainischer Seite Männer im Alter zwischen 18 und 60 Jahren, denen es aktuell verboten ist, das Land zu verlassen, dazu verpflichtet werden, eine Waffe – womöglich auch „made in Germany“ – in die Hand nehmen zu müssen, um damit russische Soldat*innen zu töten. Wer deutsche Waffenexporte an die Ukraine billigt, nimmt all diese moralischen Dilemmata in Kauf – und letztlich noch mehr Tote.

Pazifismus: Menge auf einer Friedensdemo zum Ukraine-Krieg
Kein Ende des Krieges in Sicht

Auch wenn nicht klar ist, wie lange Wladimir Putin den Angriff auf die Ukraine führen will, so zeichnet sich aktuell ein immer längerer Krieg ab, der zunehmend brutaler wird. Je länger die Kämpfe dauern, desto mächtigere Waffen werden eingesetzt: Das zeigt sich gerade in der hart umkämpften Hafenstadt Mariupol, auf die Russlands Armee in der vergangenen Woche erstmals mit Überschall-Langstreckenbombern Angriffe geflogen haben soll. Und auch Massaker wie in Butscha werden kein Einzelfall bleiben. Jeder Tropfen Blut, der in diesem Krieg vergossen wird, lässt eine Beilegung der Kämpfe in noch weitere Ferne rücken. Ob die russische Seite ihren Angriff nach der Einnahme Mariupols einstellt, liegt allein in Wladimir Putins Händen.

Und was, wenn die ukrainische Seite dann einem Waffenstillstand nicht zustimmt und stattdessen ihrerseits versucht, die verlorenen Gebiete einschließlich der seit 2014 besetzten Gebiete in der Ost-Ukraine sowie die Krim zurückzuerobern? Und kommt es doch zu einem Waffenstillstand, hat das „Minsk II“-Abkommen gezeigt, wie brüchig dieser leider sein kann. Selbst wenn – was wir uns wünschen würden – der Krieg auf der Stelle endet, so wird der Konflikt noch Jahrzehnte andauern. Und je stärker beide Seiten hochgerüstet sind, desto grausamer wird jedes weitere Aufflammen sein. Waffenlieferungen werden diesen Konflikt nicht lösen. Das werden nur Verhandlungen.

Pazifismus auf den Straßen
Deutsche Waffenlieferungen in die Ukraine

Einmal in Umlauf gebrachte Waffen tauchen zudem immer wieder in Konflikten auf: Die von der Bundesregierung durchgeführten und geplanten Lieferungen an die Ukraine sind – soweit bekannt – nicht mit einer Rückgabepflicht nach Ende des Konflikts oder zumindest des Krieges verbunden. Bereits in anderen Konflikten tauchen immer wieder überraschend westliche Waffen auf, die ursprünglich an andere Gruppen geliefert wurden. In ihrem langen Lebenszyklus sorgen die Waffen damit immer wieder für Leid und Tod. Waffenexporte sind unkontrollierbar und richten langfristig großen Schaden an.

Die Lieferung von Waffen aus Deutschland an die Ukraine birgt zudem die Gefahr, selbst Kriegspartei zu werden – fern jeder völkerrechtlichen Definition liegt diese Bewertung auch an Wladimir Putin. Die Bundesregierung hat von 2014 – dem Jahr der Krim-Annexion – bis 2020 bereits Waffenexporte in Höhe von 42 Millionen Euro in die Ukraine genehmigt. Wie viele davon tatsächlich geliefert wurden, ist öffentlich nicht bekannt. Bereits diese Lieferungen – und die vieler weiterer westlicher Staaten (allein aus den USA gab es seit 2014 Lieferungen in Höhe von 2,7 Milliarden US-Dollar) – haben nicht zu Frieden in der Region geführt. Und sie haben Wladimir Putin auch nicht von dem Versuch, die ganze Ukraine erobern zu wollen, abgehalten.

Ebenso wie die Umsetzung der Forderung nach einer von der NATO eingerichteten Flugverbotszone über der Ukraine könnten die westlichen Waffenlieferungen zu einer militärischen Eskalation des Krieges über das Staatsgebiet der Ukraine hinaus führen. Die deutschen Lieferungen könnten auch schon direkt bei der Übergabe an die Ukraine zum Ziel russischer Angriffe werden. Ein Krieg der Atommacht Russland mit der atomar bewaffneten NATO würde weder den (auch nach Deutschland geflüchteten) Ukrainer*innen noch den Menschen in Europa – einschließlich denen in Russland – helfen. Denn dann wäre alles verloren.

Das „Nein“ zu Waffenlieferungen mitten in einen Krieg hat die Bundesregierung am 27. Februar 2022 aufgegeben. Doch welchen Grundsätzen folgt die Bundesregierung nun in ihrer Waffenexportpolitik? Sie hat bisher nicht begründet, warum die Lieferungen an die Ukraine gerechtfertigt sind, Waffenexporte in andere Kriegsregionen hingegen weiter strikter gehandhabt oder gänzlich verboten werden. Bekommen bald auch die Kurd*innen in Rojava Waffen aus Deutschland, damit sie sich gegen die völkerrechtswidrigen Angriffe der Türkei (die noch immer NATO-Mitglied ist) wehren können? Gerade greift die Türkei sogar auf dem Staatsgebiet des Irak an. Die Lieferungen in die Ukraine könnten Türöffner für eine vollkommen enthemmte Waffenexportpolitik sein. Wenn die Bundesregierung in Zukunft Waffenexporte in andere Kriegsregionen ablehnt, muss sie sich wiederum den Vorwurf einer – womöglich rassistischen – Ungleichbehandlung gefallen lassen.

Friedensdemo zum Ukraine-Krieg: Pazifismus auf den Straßen
Wir helfen den Opfern des Krieges – gewaltfrei

All diese Argumente werden in der aktuellen Debatte kaum gehört. Ganz im Gegenteil werden deutsche Waffenlieferungen oft als alternativlos dargestellt. Wenn wir also keine Waffen liefern wollen, lassen wir die Menschen, die wegen des Konflikts leiden, dann im Stich? Nein! Wir helfen auf vielfältige Weise, und es gibt viele Wege, die Situation für die vom Krieg Betroffenen zu verbessern.

Unterstützung Geflüchteter

Viele unserer Mitglieder sind in der Flüchtlingshilfe aktiv: Sie sammeln Spenden, unterstützen bei der Vermittlung von Wohnungen an Geflüchtete und vieles mehr. Diese direkte Hilfe verbinden wir gleichzeitig mit den politischen Forderungen an Russland, Fluchtkorridore zu ermöglichen, und an die EU, weiterhin Schutzsuchende aufzunehmen.

Proteste

Seit Beginn des russischen Einmarschs haben DFG-VK Aktive in zahlreichen Städten unzählige Antikriegsproteste organisiert: Diese – vor allem die von uns mitorganisierten Proteste am 27. Februar 2022 in Berlin mit einer halben Million Menschen und am 13. März 2022 in zahlreichen Großstädten mit über einhunderttausend Menschen – waren nicht nur ein starkes Signal für Frieden, sondern haben auch zur Organisation der Hilfsmaßnahmen für die vom Krieg Betroffenen beigetragen. Und die Antikriegsproteste gehen noch immer weiter.

Demonstrierende auf der Demo gegen den Krieg in der Ukraine in Berlin
Hilfe bei Kriegsdienstverweigerung

Wir unterstützen Soldat*innen, die desertieren, und setzen uns für das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung ein: Kein Mensch darf dazu gezwungen werden, andere Menschen zu töten. Wir setzen uns daher politisch dafür ein, dass diejenigen, die nicht töten wollen, Schutz finden können – egal, welche Nationalität sie haben.

Solidarität mit russischen und ukrainischen Aktivist*innen

Schon lange stehen wir mit russischen Friedensaktivist*innen im Kontakt: Wir versuchen, sie zu unterstützen, was angesichts der Repression der russischen Regierung gegen sie aktuell leider sehr schwer ist (und aufgrund der Aussetzung des SWIFT-Zahlungsverkehrs können wir gerade auch keine finanzielle Unterstützung leisten). Den Friedensstimmen aus der Zivilgesellschaft sowohl in Russland als auch in der Ukraine versuchen wir eine Stimme zu geben.

Wir schließen uns den Forderungen der „Ukrainischen Pazifistischen Bewegung“ vom 17. April 2022 an: Es muss einen sofortigen Waffenstillstand geben. Die Unterstützung militanter Radikaler durch Russland und die NATO-Staaten muss aufhören. Die ausführlichen Forderungen gibt es hier zu lesen.

Weitere Handlungsmöglichkeiten

Das ist es, was wir als Friedensorganisation mit unseren sehr begrenzten Kapazitäten und Mitteln – unser Jahresetat beträgt ungefähr so viel, wie die Bundeswehr 2016 für Werbe-Pizzakartons ausgegeben hat – leisten. Doch Alternativen zum gewaltsamen Widerstand gegen den russischen Einmarsch in der Ukraine gibt es noch viele weitere.

Diplomatische Verhandlungen

Auch wenn dies hierzulande bisweilen als „ketzerisch“ angesehen wird: Man muss mit Wladimir Putin verhandeln. Und Diplomatie und Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien finden sogar bereits statt: Es gab einige Treffen zwischen der russischen und ukrainischen Regierung. Dabei könnten Deutschland und die EU der Ukraine auch die Rücknahme westlicher Sanktionen als Verhandlungsmasse gegenüber Russland in die Hand geben.

Gezielte Sanktionen

Wirtschaftssanktionen sehen wir als ein Mittel an, um Druck auf die russische Regierung sowie Profiteur*innen und Unterstützer*innen des Krieges auszuüben; diese müssen aber möglichst gezielt sein. Wir bekommen auch mit, wie die aktuellen Sanktionen die Arbeit russischer Oppositioneller zum Erliegen bringen. Sanktionen dürfen dabei nicht unter dem Vorbehalt eigener wirtschaftlicher Interessen stehen. Wenn der Krieg durch Sanktionen beendet werden soll, darf auf eigene Nachteile keine Rücksicht genommen werden.

Gewaltfreier Widerstand

Wir begrüßen den vielerorts geleisteten gewaltfreien Widerstand in der Ukraine: Wer besetzt ist, ist noch lange nicht besiegt. Und die Möglichkeiten einer „sozialen Verteidigung“ sind angesichts der geringen sprachlichen und kulturellen Barriere zwischen den Angreifern und den Angegriffenen gut.

Dies waren nur einige Beispiele für Alternativen zu den moralisch fragwürdigen Waffenlieferungen. Einige davon werden – auch von uns – schon umgesetzt, andere könnten intensiver verfolgt und weitere überhaupt erst einmal angegangen werden.

Die Aufrüstung der Bundeswehr ist falsch

Doch nicht nur über die Art der Hilfen für die Menschen in der Ukraine wird aktuell gestritten, sondern auch über Änderungen in der deutschen Sicherheitspolitik.

Am 27. Februar 2022 hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ein 100 Milliarden Euro-„Sondervermögen“ für die Bundeswehr angekündigt. Zwei Wochen später hat das Bundeskabinett diesem größten Aufrüstungsprogramm für das deutsche Militär seit dem Zweiten Weltkrieg zugestimmt – durch den Bundestag ist es noch nicht. Das „Sondervermögen“ soll helfen, das 2%-Ziel der NATO zu erreichen – und noch mehr. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), verbreitete dazu im Bundestag und in den Medien die Falschbehauptung, die Bundeswehr sei in den vergangenen Jahrzehnten „kaputtgespart“ worden. Dies ist angesichts einer Erhöhung des Bundeswehretats von 31,9 Milliarden Euro im Jahr 2012 auf 50,3 Milliarden Euro im Jahr 2022 – ein Plus von 58 Prozent – eine glatte Lüge. Dass die Bundeswehr Probleme mit Waffen und anderer Ausrüstung hat, ist schlicht Misswirtschaft. Gerade eine Partei wie die FDP sollte lieber hier ansetzen, als noch mehr Geld in dieses olivgrüne „schwarze Loch“ zu werfen. Doch was soll die Aufrüstung der Bundeswehr sicherheitspolitisch überhaupt bringen?

Aktion gegen Sondervermögen für die Bundeswehr in Berlin
Krieg zwischen Russland und NATO?

Zunächst einmal: Wenn es zu einem Krieg zwischen der NATO und Russland kommen würde, wäre er wohl schnell – spätestens, wenn die erste größere Stadt einer Seite zu fallen droht – atomar. Dann nützen einem auch Panzerverbände, Drohnen und andere konventionelle Waffen wenig. Lässt man dies außer Acht – wie es aktuell viele regierende Politiker*innen machen – muss man sich den aktuellen Zustand der russischen Streitkräfte vergegenwärtigen. Natürlich ist Wladimir Putins Armee bedrohlich und gefährlich – das zeigen die Bilder der Toten und der Zerstörung aus der Ukraine. Zudem verfügt Russland über Atomwaffen. Doch selbst wenn das russische Militär beim Angriff auf die Ukraine bisher nicht all sein konventionelles Arsenal zum Einsatz gebracht hat, so zeigen die gescheiterten Einmarschversuche in Kiew und anderen Teilen des Landes deutlich, wie schwach die russischen Streitkräfte tatsächlich sind. Die Bundeswehr und die mit ihr verbündeten Armeen sollten dagegen schon in ihrem aktuellen Zustand mit einer gewissen – so man dies in einem Krieg sagen kann – „Leichtigkeit“ ankommen.

Abschreckung sinnlos

Ein anderes Argument der Aufrüstungsbefürworter*innen ist „Abschreckung“. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine ist vollkommen inakzeptabel und muss sofort beendet werden. Es muss aber auch klar gesagt werden: Die Ukraine wurde angegriffen, nicht die NATO. Daher zeigt der Krieg nicht, dass die aktuelle Abschreckung unzureichend wäre. Die NATO gibt deutlich mehr für Rüstung aus als Russland. Und ob die NATO-Militärausgaben die Russlands nun 18 Mal (wie es 2021 der Fall war) oder 18,5 Mal (wie es bald der Fall sein könnte) übertreffen, wird Wladimir Putin egal sein. Aber die Symbolik der Aufrüstung der Bundeswehr – und der weiterer Staaten – wird Folgen haben: Russland wird ebenfalls (weiter) aufrüsten. Damit ist letztendlich niemandem geholfen. Und weder der Krieg in der Ukraine, noch die Auseinandersetzung zwischen Russland und den NATO-Staaten ist damit gelöst. Ganz im Gegenteil wird die Aufrüstung zu mehr Konflikten und Kriegen führen. Jeder Euro, Dollar oder Rubel, der ins Militär fließt, fehlt im Kampf gegen Menschheitsprobleme wie die Corona-Pandemie, die Klimakatastrophe oder Armut. Diese werden zu neuen militärischen Auseinandersetzungen führen.

Sicherheitspolitisch bringt die Aufrüstung der Bundeswehr also nichts – sie wird letztendlich nur zu mehr Unsicherheit führen. Sie ist blinder und hirnloser Aktionismus.

Fazit: Warum Pazifismus gerade wichtiger denn je ist

Wenn die Menschheit eine Zukunft haben soll, führt an Pazifismus kein Weg vorbei. Der russische Einmarsch in die Ukraine ist ein Verbrechen. Und dennoch ist „Aufrüstung“ als Reaktion darauf kein Sachzwang. Für Deutschland gäbe es zahlreiche Möglichkeiten, den Menschen in der Ukraine humanitär und gewaltfrei zu helfen.

Wer hingegen Friedensgruppen, wie es zuletzt einige politische Kommentator*innen und regierende Politiker*innen taten, vorwirft, für das Leiden in der Ukraine mitverantwortlich zu sein, verdreht die Tatsachen und verkennt zudem den globalen Charakter der Forderung nach Frieden und Abrüstung – wenn wir bei den Ostermärschen unser Ziel „Militär abschaffen!“ ausrufen, meinen wir damit nicht nur das „eigene“ Militär, sondern auch die chinesische Volksbefreiungsarmee, die Streitkräfte der Russischen Föderation und eben alle! Wir setzen uns schon immer dafür ein, das – sicher noch weit entfernte – Ziel einer Welt ohne Militär und kriegerische Gewalt zu erreichen. Die Sicherheitspolitik der letzten dreißig Jahre – die ganz Europas einschließlich der Russlands und der Ukraine – hat dieses Ziel nicht verfolgt und ist dadurch gescheitert. Die Realpolitik war weiter auf Konfrontation aus. Nun heißt es zu verstehen, was falsch gelaufen ist und daraus zu lernen.

Natürlich hat Russlands Krieg eine pazifistische Welt in weite Ferne gerückt. Das darf uns aber nicht daran hindern, sie weiter als Menschheitsziel anzustreben. Es sind ja gerade diejenigen, die sagen, dass eine pazifistische Welt unerreichbar ist, die durch ihre Aufrüstung, ihre Waffenexporte sowie ihre Kriege eben den Grund dafür liefern, warum wir diesem Ziel seit langem kaum näher kommen. Dies gilt auch für Deutschland: Statt besonnen und rational zu analysieren, macht die Bundesregierung einen sicherheitspolitischen Schnellschuss nach dem anderen und verbaut einer friedlichen Zukunft damit langfristig den Weg. Immerhin: Die Teilnahme als Beobachterin an der ersten Konferenz zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag im Juni 2022 in Wien hat sie noch nicht abgesagt – dafür aber den Kauf neuer F35-Tarnkappenbomber angekündigt, um auch in den nächsten Jahrzehnten die letzten in Deutschland gelagerten US-Atomwaffen abwerfen zu können. Das wird die gegenseitige Bedrohung mit Massenvernichtungswaffen zementieren.

Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Das Töten und das Sterben müssen beendet werden. Militarismus, Bellizismus und Nationalismus müssen Einhalt geboten werden.

Michael Schulze von Glaßer, politischer Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), 22. April 2022 – Mit Dank an die Helfer*innen bei diesem Text

Weiterführende Links

Ostermarsch-Rede zur Ukraine von Jürgen Grässlin vom 22. April 2022 in Ingolstadt Weiterleiten

Erklärung der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung vom 17. April 2022 Weiterleiten

„Wollen wir drittgrößte Militärmacht werden?“ von Thomas C. Schwoerer am 7. April 2022 in der Frankfurter Rundschau Weiterleiten

„Militärische Scheinlösungen haben versagt“ Podcast mit Thomas C. Schwoerer in der SZ am 24. März 2022 Weiterleiten

Kategorie: Aktuelle Kriegsgebiete, Allgemein, Kriege & Konflikte, Pazifismus und Antimilitarismus, Theorie & Praxis, Zivile Konfliktlösung Stichworte: Pazifismus, Russland, Ukraine

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