„Kriegsdienstverweigerung ist die DNA der DFG-VK“
Der Satz in der Überschrift stammt von Klaus Stampfer, DFG-VK Augsburg und er trifft damit genau den Kern der DFG-VK Arbeit. Die Kernkompetenz der DFG-VK war jahrzehntelang die KDV-Beratung. Wir wurden als die Verweigerer-Organisation angesehen, die mit ihrem bundesweiten Beraternetz zig-tausende Kriegsdienstverweigerer beraten und zu deren Anerkennung verholfen hat. Spätestens mit der Aussetzung der Wehrpflicht war diese Arbeit überflüssig.
Seit dem 1. Juli 2011 ist die Wehrpflicht in Deutschland ausgesetzt und bis zum Ukraine-Krieg gab es jährlich 100 bis 150 Kriegsdienstverweigerer, Soldatinnen und Soldaten sowie Reservisten. Die KDV-Beratung der DFG-VK Gruppen kam zum Erliegen. Mit Beginn des Ukraine-Kriegs hat sich die Situation geändert. Die KDV-Zahlen steigen seitdem deutlich an, im Jahr 2024 sind es schon mehr als 2.000 KDV-Anträge.
Jahr | Ungediente | Soldat*innen | Reservist*innen | Gesamt |
2022 | 450 | 235 | 438 | 1.123 |
2023 | 835 | 178 | 596 | 1.609 |
Bis 31.8.24 | 1.268 | 92 | 693 | 2.053 |
Wenngleich die Zahlen im Vergleich zu Zeiten der Wehrpflicht deutlich niedriger sind, wenden sich viele Ratsuchende an die DFG-VK und bitten um Unterstützung bei der Antragstellung und dem Verfassen der Begründung. Als ehemalige Verweigerer-Organisation ist unsere Kompetenz gefragt.
Wer wendet sich an uns?
Menschen, die befürchten, dass Deutschland in den Ukraine-Krieg hineingezogen wird und sie als Soldat eingesetzt werden könnten. Das sind fast ausschließlich Männer und nur vereinzelt Frauen, die einen freiwilligen Wehrdienst leisten oder geleistet haben. Die größte Gruppe ist die der Ungedienten, die vorsorglich einen KDV-Antrag stellen wollen, obwohl sie derzeit keinen Dienst leisten müssen. Es folgen die Reservisten. Ihre Kriegsdienstverweigerung ist eine klare Antwort auf und deutliche Ablehnung der Pläne von Verteidigungsminister Pistorius, der Deutschland wieder ‚kriegstüchtig‘ machen möchte. Gerade den Reservist*innen soll nach Plänen des Ministeriums in den Kriegsplanungen eine bedeutende Rolle zugwiesen werden. Aktive Soldatinnen und Soldaten ist die kleinste Gruppe, hier stellen überwiegend Zeitsoldat*innen einen KDV-Antrag. Zudem erhalten wir viele Anfrage von besorgten Eltern, die um Rat für ihre Kinder erfragen. Oft haben die Väter selbst verweigert, kennen sich aber mit dem heutigen Verfahren nicht aus.
Während früher viele DFG-VK Gruppen vor Ort Beratung angeboten haben, sind die Strukturen heute weitestgehend weg. Das KDV-Beratungsnetz von früher gibt es nicht mehr und es müssen neue Strukturen aufgebaut werden. Früher waren unsere Beratungsadressen stadtbekannt und die jungen Menschen kamen in die Beratungsstellen der Ortsgruppen. Heute melden sich die Ratsuchenden telefonisch oder per Mail in der Bundesgeschäftsstelle oder bei den Landesverbänden. In Baden-Württemberg sind wir seit einiger Zeit dabei mit Schulungen Aktive für die KDV-Beratung zu qualifizieren. Wir haben dazu Konzepte erarbeitet, wie die einzelnen Gruppen zu beraten sind. Ungediente benötigen eine andere Beratung als Soldaten oder Reservisten.
In mehreren Tagesseminaren haben wir gruppenspezifisch Schulungen durchgeführt und anhand von Fallbespielen anonymisierte Begründungen analysiert und besprochen. Intensive persönliche Beratungen, vor allem von Reservisten, führen wir via Zoom durch. Wir bilden Berater*innen-Tandems, die mit Einverständnis des Ratsuchenden, KDV-Beratungen durchführen. Dadurch können Neueinsteiger*innen in die Beratungsarbeit langsam herangeführt werden. Wir schulen auch Frauen als KDV-Berater*innen. Sie können genauso kompetent beraten wie Männer. Das ist für manchen Antragsteller erst einmal ungewöhnlich, wird aber akzeptiert. Dadurch konnten wir unser Beratungsteam stetig erweitern und die Arbeit regional auf mehrere Schultern verteilen. Die Beratungskonzepte können von anderen Landesverbänden übernommen werden. Bei Interesse bitte melden.
Wir machen die Beratung kostenlos, aber immer mit der Erwartung verbunden, dass danach
– eine Spende eingeht
– die E-Mail -oder Postadresse bei der DFG-VK für weitere Informationen hinterlegt wird
– man selbst aktiv wird und in die Beratung einsteigt
– man Mitglied der DFG-VK wird.
Das Beratungskonzept wirkt. Es gehen Spenden ein, der Interessentenkreis erhöht sich und einige Ratsuchende sind DFG-VK Mitglied geworden.
Die DFG-VK muss sich auf eine mögliche Verweigerer-Welle vorbereiten. Die Pistorius-Pläne zur Zwangserfassung von jungen Männern und einem freiwilligen „Basiswehrdienst“ werden nach dem Ampel-Aus wohl zu den Akten gelegt. Unter einer CDU/CSU geführten Regierung droht eine Wiedereinführung der Wehrpflicht bis hin zu einer allgemeinen Dienstpflicht für Männer und Frauen. Letzteres verbietet noch das Grundgesetz, aber CDU und CSU sind dafür die Verfassung zu ändern und eine allgemeine Dienstpflicht für alle einzuführen. Dem gilt es energisch zu widerstehen. Wir rechnen mit einem weiteren Ansteigen der KDV-Anfragen und benötigen ein bundesweites Berater*innen-Netz mit dem die DFG-VK wieder als die Verweigerer-Organisation wahrgenommen wird. Die KDV-Beratung muss die DNA der DFG-VK bleiben.
Klaus Pfisterer
Landesvorsitzender DFG-VK Baden-Württemberg
Mail: pfisterer@dfg-vk.de
Erschienen in ZivilCourage 1/2025