nd: Sie sind als ehemaliger Betriebsratsvorsitzender des Kernforschungszentrums in Karlsruhe stark involviert in die sogenannte Zivilklauselbewegung. Diese ruft für den Juni zu bundesweiten Aktionstagen auf. Worum geht es?
Schulze: Die Aktionstage vom 13. bis 15. Juni sind eine gemeinsame Initiative von Kampagnen für militärfreie Schulen und Hochschulen, die an eine ähnliche Aktion im Herbst letzten Jahres anknüpft. Es geht darum, der Bundeswehr den Einfluss auf die Schulen streitig zu machen, also etwa die Kooperationsvereinbarungen mit einzelnen Kultusministerien ersatzlos zu streichen und Beispiele von Schulen zu würdigen, die per Schulkonferenzbeschluss die Bundeswehr nicht an ihrer Schule haben wollen. Drei davon wurden kürzlich stellvertretend mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet.
Welche Rollen spielen die Unis bei der Militarisierung des Bildungswesens?
Hochschulen werden immer häufiger wegen nicht ausreichender Grundfinanzierung über dubiose Drittmittel in die Arme der Militärs, der Rüstungsindustrie und von mächtigen Privatfirmen getrieben. In über 40 Hochschulen wird im naturwissenschaftlichen, medizinischen und sozialwissenschaftlichen Bereich für Bundeswehr, Rüstung und Krieg geforscht und gelehrt. Dazu kommen enorme Mittel aus dem »zivilen Haushalt« des Bundesforschungsministeriums, mittels derer zum Beispiel unter dem Deckmantel »Sicherheitsforschung« militärische Zwecke bedient werden.
Welche Ziele verfolgen Ihrer Meinung nach die staatlichen Stellen bei diesem Engagement?
Es bedarf keiner besonderen Fantasie, um zu erkennen, dass die Militarisierung der Bildung ein wesentlicher Aspekt der Militarisierung der Außenpolitik ist. Die Jugend soll »humanitäre« Interventionskriege für Rohstoffe auf fremdem Boden und gehorsame Regierungen als selbstverständliche nationale Interessen begreifen und unterstützen.
Worum geht es bei den Zivilklauseln an Hochschulen genau?
Die Zivilklausel bedeutet vor allem eine verbindliche Festlegung, für vernünftige zivile statt für militärische Zwecke zu arbeiten. Damit wird die Zivilcourage jedes einzelnen Hochschulangehörigen gestärkt, jedoch nicht ersetzt. Voraussetzungen für die »Re-Zivilisierung« der Hochschulen sind dabei stets aber auch eine allseitige Wachsamkeit sowie die für eine Überprüfung vor Ort notwendige Transparenz. Das heißt die zumindest hochschulöffentliche Bekanntmachung aller Drittmittel-Vorhaben in Bezug auf Geldgeber, Zeitraum, Projektverantwortlichkeit, Finanzvolumen, Zielsetzung und Fragestellung bereits vor Beginn des Projekts. Um es auf den Punkt zu bringen: Die Zivilklausel muss gelebt werden. Schluss mit der Militarisierung der Köpfe!
Wie viele Hochschulen sind dem Aufruf Ihrer Initiative bislang gefolgt?
Wenn das Ausmaß an Militarisierung und Anpassung betrachtet wird, muss es erstaunen, dass in den letzten drei Jahren sieben neue Hochschulen mit Zivilklauseln zu den zuvor bereits vorhandenen fünf dazu gekommen sind. Eine abrechenbare und wirklich ermutigende Zwischenbilanz der Zivilklauselbewegung.
„Dietrich Schulze ist von der Initiative gegen Militärforschung an Universitäten (WebDoku ) und der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative für Frieden und Zukunftsfähigkeit
Fragen: Jens Wernicke
Quelle:
http://www.neues-deutschland.de/artikel/822216.militarisierung-der-koepfe.html