Bundeswehr bereitet sich auf weitere Ausweitung ihres Kriegseinsatzes in Afghanistan vor. Zusätzlich 250 Soldaten für »schnelle Eingreiftruppe«
Von Frank Brendle
Die deutschen Truppen in Afghanistan sollen um eine 250 Mann starke »schnelle Eingreiftruppe« erweitert werden. Das forderte der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold in einem Gespräch mit der Passauer Neuen Presse (Mittwochausgabe). Das Verteidigungsministerium gab sich bedeckt, aber die seit Monaten in deutschen Militärkreisen diskutierte Angelegenheit ist offenbar entschieden. »Diese Aufgabe wird im Sommer auf Deutschland zukommen«, so Arnold. Der Chef des Bundeswehrverbandes, Oberst Bernhard Gertz, bestätigte die Pläne.
Solche Kampfverbände, sogenante Quick Reaction Forces, gibt es nicht nur im Norden Afghanistans schon länger. Sie können vom regionalen Befehlshaber des NATO-geführten ISAF-Einsatzes in kurzer Zeit verlegt werden, um Aufständische zu bekämpfen. Derzeit wird die Eingreiftruppe von norwegischen Soldaten gestellt, die aber im Juli abgezogen werden. Die Deutschen sind als Nachrücker vorgesehen. Aus Sicht der Militärs bietet sich das schon deswegen an, weil das Oberkommando über die Nordprovinzen ohnehin bei der Bundeswehr liegt. So könne man die deutschen Strukturen nutzen und den Krieg effektiver führen: Die 350 Norweger sollen durch 250 Deutsche abgelöst werden, ohne daß die Kampfkraft zurückgeht. Die auf 3500 Mann festgelegte Obergrenze der deutschen Truppen soll eingehalten werden, indem eine Kompanie aus Kabul abgezogen wird.
Dritte Verschärfung
Die anstehende Entscheidung markiert die dritte massive Verschärfung des deutschen Kriegseinsatzes innerhalb eines Jahres. Im vergangenen Frühjahr waren sechs Aufklärungstornados nach Afghanistan verlegt worden, die dort Bombardierungsziele für die Besatzungstruppen ausmachen. Im Herbst folgten in Nordafghanistan umfangreiche Kampfhandlungen unter deutschem Oberkommando. Die Bundeswehr hatte sich dabei noch weitgehend auf Unterstützung durch Fernmelde-, Nachschub- und Sanitätseinheiten beschränkt.
Die zusätzlichen Kampfeinheiten sollen unter dem ISAF-Mandat operieren, obwohl dieses der Öffentlichkeit immer als Stabilisierungs- statt als Kampfmission verkauft wird. Selbst SPD-Mann Arnold spricht von einer »neuen Qualität«, die der Bundeswehreinsatz annehmen werde, und Oberst Gertz bestätigt, es handle sich um einen Kampfauftrag. »Darüber soll man sich keiner Illusion hingeben«, zitierte ihn das Internetportal der Süddeutschen Zeitung gestern.
Politisch klarer drückt sich der Chef der Linksfraktion Oskar Lafontaine aus, wenn er von »verantwortungsloser Kriegstreiberei« spricht. Der Bundesregierung warf er vor, mit der immer tieferen Verstrickung in den »völkerrechtswidrigen Krieg« den Terror ins Land zu holen. Der Verteidigungsexperte der Linken, Paul Schäfer, warnte davor, daß das deutsche Spezialteam »zum Türöffner für die landesweite Beteiligung an schweren Kämpfen zu werden« drohe.
Schmutziger Krieg
Der Bundesausschuß Friedensratschlag erklärte am Mittwoch in einer Pressemitteilung, das Vorhaben überschreite den Rahmen des bisherigen Mandats. »ISAF und der von den USA angeführte sogenannte Antiterror-Krieg Enduring Freedom verschmelzen immer mehr zu einem einzigen schmutzigen Krieg.«
Die Intensivierung des Krieges wird von Scharfmachern seit langem gefordert. Eine aktuelle Studie der regierungsnahen Stiftung Wissenschaft und Politik zum Thema »Strategien zur Aufstandsbekämpfung« verlangt von der Bundeswehr »eine stärkere Präsenz« und eine »veränderte, offensivere Operationsführung«. Mit der Entsendung von Spezialkämpfern – größtenteils vermutlich Fallschirmjäger – gibt die Bundesregierung auch dem Druck der USA nach, die schon mehrfach beklagt haben, die Deutschen drückten sich vor einem vollen Einsatz. Die USA selbst stocken ihre Truppen derzeit um mehr als 3000 Mann auf.http://www.jungewelt.de/2008/01-17/031.php