Kunduz-Massaker voll in Ordnung – Störung dieser Ordnung vor Gericht – voll daneben!
Am 8. September 2010 wird eine Berliner Kriegsgegnerin vor Gericht stehen. Ihre „schwerwiegende Tat“: Sie duldete nicht, dass Kriegseinsätze der Bundeswehr auch noch im Bundestag gefeiert werden. Sie mischte sich ein. Rosarote Flip-Flops regneten am 30. Juni 2009 auf den damaligen Verteidigungsminister Franz Josef Jung herab zusammen mit hunderten Flugblättern mit der knappen Erläuterung: „15 Jahre Militäreinsätze = 15 Jahre Krieg“.
Inzwischen darf gesagt werden, dass in Afghanistan Krieg geführt wird. Zu diesem Krieg gehört – ganz legal – der Befehl des deutschen Oberst Klein vom 4. September 2009 zur Bombardierung von zwei festsitzenden Tanklastzügen, bei denen sich die Bevölkerung der umliegenden Dörfer versammelt hatte. Mindestens 142 Menschen starben, viele weitere erlitten schwere Verbrennungen und andere Verletzungen. Die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft wie auch die der Bundeswehr wurden im April bzw. im August diesen Jahres eingestellt, d.h. es folgen keine rechtlichen Konsequenzen für den verantwortlichen Befehlsgeber Klein. Flugblätter und Plastikbadelatschen auf Krieg feiernde deutsche Politiker und Soldaten zu werfen hat offensichtlich mehr Strafwürdigkeit als Bomben auf eine afghanische Menschenmenge.
Anlass für die Schuhwürfe war die Eröffnung der Ausstellung „Bundeswehr im Einsatz“ im Paul-Löbe-Haus des Bundestages, mit der gefeiert wurde,dass das deutsche Militär mit Mandat des Parlaments seit 15 Jahren weltweit Kriege führt – erstmalig mit dem Angriffskrieg gegen Jugoslawien. Durch den Raum schallende Slogans „Tucholsky hat Recht“ und für den Abzug der Truppen aus Afghanistan, ein Regen aus weißen Flugblättern und rosa Badelatschen auf Redner und Militärkapelle (siehe Bilder) ließ die Köpfe vor Wut rot glühen. Während der Rede von Minister Jung wurde oberhalb von ihm auch ein Transparent entrollt: „Wir geloben zu morden, zu rauben. GelöbNIX!“ – bezugnehmend auf die öffentliche Rekrutenvereidigung, die wenige Tage später zum zweiten Mal – aufwendig von Protesten abgeschirmt – vor dem Reichstagsgebäude stattfand.
27 rosa Pantoffeln und Badelatschen zählte die Polizei anschließend. In einer bombastischen Ermittlungsarbeit zur Erfassung des Tathergangs dieser seinerzeit zum „Anschlag“ aufgeblasenen antimilitaristischen Aktion wurden mindestens 30 Zeugen vernommen, zig Fotos und mehrere Videos ausgewertet. Mehrere Personen wurden bei der Aktion festgenommen und sollen strafbar gemacht werden. Am 8.9.10 findet der erste von mehreren Prozessen statt.
Deutsche Kriegspolitik und die von der Wirtschaft geforderte Ausweitung von Kriegseinsätzen erfordern entschiedenen antimilitaristischen Widerstand.
Verhandlungstermin
08.09.2010, 13 Uhr, Amtsgericht Berlin, Kirchstraße 6, Raum 3093