Von Ulrich Hahn
1. R2P steht für ein neues völkerrechtliches Konzept zur Rechtfertigung militärischer Interventionen, die weder materiell mit Hinweis auf Verteidigung noch formell mit einem Beschluss des UN-Sicherheitsrates nach Kapitel 7 der UN-Charta begründet werden können.
Sprachlich löst „R2P” den Begriff der „humanitären Intervention” ab, der inhaltlich das gleiche Anliegen verfolgte.
Ebenso wie der Begriff „humanitär” will auch das Etikett „R2P” mit seinen Begriffen (zu deutsch: „Verantwortung”, „Schutz”, „Pflicht”) die Moral und Ethik für das Geschäft der Rüstung und ihres militärischen Einsatzes in Anspruch nehmen und die „gute Seite” für sich besetzen.
2. Historischer Anlass für die Entwicklung des neuen Denkmodells war der Kosovo-Krieg mit der Bombardierung von Teilen Serbiens und des Kosovo durch die Luftwaffe der Nato von März bis Juni 1999.
Nachdem die Veto-Mächte Russland und China im Sicherheitsrat der UN keine Zustimmung zur Legitimierung einer militärischen Intervention in Aussicht gestellt hatten, mandatierte sich die Nato selbst abseits bzw. unter Bruch des bis dahin geltenden Völkerrechts.
Die Fragwürdigkeit der für den damaligen Militäreinsatz vorgebrachten Gründe („Hufeisenplan”, Erfolglosigkeit der OSZE-Beobachter, Völkermord, Uneinsichtkeit der serbischen Regierung in den Verhandlungen von Rambouillet) kam – wie üblich – erst nach dem Krieg ans Licht.
Um so dringlicher schien eine nachträgliche völkerrechtliche Rechtfertigung, die auf Einladung Kanadas durch einen Kreis von hohen Militärs und Völkerrechtlern erarbeitet und der UN-Vollversammlung vorgelegt wurde.
Diese nahm das Konzept der R2P in einem Beschluss an, der als bloße Deklaration allerdings keine völkerrechtliche Verbindlichkeit erzeugt, jedoch in der Lage ist, die Legitimität des bisher gültigen Völkervertragsrechts (UN-Charta) zu erschüttern.
Die Auflösung der Form löst die Macht von der Fessel des Rechts.