Die Zivilklauselbewegung weiter vorantreiben
(von Cornelia Mannewitz)
Wissenschaft nimmt im Koalitionsvertrag viel Raum ein. Nahezu alle Vorhaben sollen auf eine wissenschaftliche Grundlage gestellt werden. Weitreichende (und zweideutige) Versprechungen von sehr wissenschaftlichem Klang werden gemacht, etwa, dass Deutschland zu einer „echten digitalen Gesellschaft“ werden soll. Der Abschnitt zu Hochschulen rangiert ganz oben im ersten Kapitel. Allerdings, welche Rahmenbedingungen für die Wissenschaft gibt der Vertrag vor?
Der Koalitionsvertrag ist hinsichtlich der Wissenschaftsförderung alter Wein in neuen Schläuchen. Und nicht einmal das. Alles, was in den letzten Jahren wissenschaftspolitisch in der Kritik stand und eigentlich zur „Abwahl“ vorgesehen war, ist wieder da.
Das Kooperationsverbot bleibt
Das Kooperationsverbot wird nicht aufgehoben. Es wurde im Zuge der Föderalismusreform erlassen und besagt, dass der Bund sich nicht an der Grundfinanzierung der Hochschulen beteiligt. Nur Geld für einzelne Projekte ist möglich sowie, über jeweils befristete Programme, zusätzliche Mittel für die Lehre bei steigenden Studierendenzahlen. Da die Ländermittel für die Hochschulen effektiv nicht steigen, werben die Hochschulen zunehmend so genannte Drittmittel ein, also Geld, das nicht aus Beständen der Hochschule, aber auch nicht aus dem Landeshaushalt kommt. Das ist aber auch politisch gewollt, denn so wird der kapitalistische Konkurrenzkampf (verschleierter ausgedrückt: der „Wettbewerb“) in die Hochschulen getragen. Der Drittmittelanteil am Budget der Hochschulen wird mittlerweile auf fast 50 Prozent geschätzt.
Drittmittel gelten als Kriterium für die Qualität der Forschungsprojekte. Und hier und da bezahlt ein Unternehmen mit seinen Drittmitteln sogar einen Professor, wie zum Beispiel das Rüstungsunternehmen OHB einen an der Uni Bremen. Hier ist nämlich auch das Einfallstor für Militärforschung. Im Laufe der letzten zehn Jahre haben fast 50 Hochschulen Forschungsaufträge allein vom Verteidigungsministerium erhalten. Inzwischen fließen dabei jährlich 8 Millionen Euro Drittmittel.
Die Exzellenzinitiative bleibt
Die Exzellenzinitiative wird nicht beerdigt, sondern fortgeführt. Es werden also weiter Exzellenzuniversitäten gekürt, normalerweise solche, die schon genug haben und daher schon lange Spitzenforschung produzieren können, die der Universität auf dem „Markt“ weitere Vorteile verschafft. Es wird weiter so genannte Exzellenzcluster geben – regionale Kooperationen verschiedener Partner. So arbeitet die Technische Universität München in einem Cluster zum Beispiel mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zusammen.
Das Deutschlandstipendium: Anstelle einer dringend notwendigen Reform des BAföG, der Studienförderung für alle, wird weiter hierfür Geld ausgegeben. Vom Deutschlandstipendium kann man nicht leben: Mit seinem Umfang von 300 Euro ist es bestenfalls ein Sahnehäubchen. Aber es hat einen Vorteil für dieses Wissenschaftssystem: Es wird von der Wirtschaft der Region, in der die Hochschule liegt, mitfinanziert und bis zu einem gewissen Grade kann diese auch bestimmen, in welche Fächer das Stipendium geht. So sichert man sich qualifizierten Nachwuchs und tut gleichzeitig etwas für die weitere Festigung des Elitebewusstseins unter der akademischen Jugend – keine gute Voraussetzung für kritisches Abschätzen der Folgen von Forschung und natürlich auch nicht für solidarisches Verhalten in der Gesellschaft.
Forschungsmittel aus dem Kriegsministerium
Damit ist klar: Man will, dass aus den neuen Schläuchen die alten Ergebnisse fließen. Das Modell der „unternehmerischen Hochschule“ bleibt das Leitbild der Wissenschaftspolitik; und Unternehmer sind ja nicht dafür bekannt, besonders kritisch gegenüber dem zu sein, von dem sie ihr Geld bekommen und dem sie ihre Erzeugnisse verkaufen … Das schlägt sich übrigens auch in der gängigen Informationspolitik nieder: Einzelheiten von Drittmittelverträgen wurden noch nie gern veröffentlicht. Man will es sich mit der Wirtschaft und ihren Gepflogenheiten nicht verscherzen. Neu und politisch brisant ist aber, dass Auskünfte über Forschungsmittel aus dem Verteidigungsministerium, die schließlich öffentliche Mittel sind, mit Geheimschutz belegt werden; so geschehen erstmals 2010 in der Antwort auf eine Kleine Anfrage im Bundestag.
Da braucht es erst Enthüllungen über Forschung im Auftrag des Pentagon, ehe der Öffentlichkeit bewusst wird, dass auch nach der Forschungsförderung durch das BMVg wieder einmal genauer zu fragen ist.
Für uns heißt das, zu fragen, welche gesellschaftlichen Aufgaben die Wissenschaft haben soll und wie dieses Wissenschaftssystem sich ändern muss, damit sie sie erfüllen kann, und es erhebt sich die ganz praktische Forderung an uns, die Zivilklauselbewegung weiter voranzutreiben – jetzt erst recht.
Cornelia Mannewitz ist Mitglied im DFG-VK BundessprecherInnenkreis.
Veröffentlicht in ZivilCourage 2013/5 im Dezember 2013