Mit einem wegweisenden Urteil hat das Landgericht München gestern den Friedensaktivisten Hermann Theisen (Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen) vom Vorwurf der Aufforderung zu Straftaten freigesprochen. Damit hat zum ersten Mal ein deutsches Strafgericht einen Freispruch ausdrücklich mit der EU-Richtlinie zum Whistleblowing begründet, die das Bundesjustizministerium bereits im Sommer des vergangenen Jahres hätte umsetzen müssen.
Theisen hatte im Mai 2018 bei dem Rüstungsproduzenten Krauss-Maffei Wegmann (KMW) in München Flugblätter an die Beschäftigten verteilt und sie darin aufgefordert, die Öffentlichkeit über die Hintergründe von in Rede stehenden in Teilen illegalen Exportpraktiken ihres Arbeitgebers zu informieren, worauf der KMW-Justitiar Markus Zimmermann eine Strafanzeige gegen den Friedensaktivisten wegen des Verdachts einer Aufforderung zum Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen erstattet hat. Das Amtsgericht München verurteilte Theisen daraufhin wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB, § 17 UWG), worüber nun das Landgericht München entscheiden musste. KMW steht bereits seit mehreren Jahren wegen seiner expansiven Exportpolitik in der Kritik von Friedensorganisationen und zudem führt die Staatsanwaltschaft München ein Strafverfahren gegen einen ehemaligen KMW-Manager wegen Schmiergeldzahlungen bei einem Rüstungsgeschäft mit Griechenland.
Die Vorsitzende Richterin Renate Baßler lies bereits zu Beginn der Berufungsverhandlung erkennen, dass sie den von der Staatsanwaltschaft München erhobenen Strafvorwurf gegen den Friedensaktivisten nicht mittragen werde, da sie eine Strafbarkeit der Flugblätter nicht erkennen könne. Dabei bezog sie sich explizit auf die EU-Richtlinie zum Whistleblowing, der zufolge es nicht strafbar ist, illegale Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse zu veröffentlichen, wenn dies aus altruistischen Motiven heraus erfolgt. Auf diesem Hintergrund und auch aus Gründen der Meinungsfreiheit sei „Whistleblowing nicht strafbar“, so die Richterin. Staatsanwalt Linnemann plädierte ebenfalls auf Freispruch, nachdem er noch in seiner Berufungsbegründung zunächst eine höhere Strafe für Theisen beantragt hatte. Seine Kehrtwende erklärte er damit, dass sich inzwischen auch die Staatsanwaltschaft München eingehend mit der neuen Rechtsprechung zum Whistleblowing beschäftigt habe und somit der Strafvorwurf gegen Theisen nicht mehr aufrechterhalten werden könne.
Hermann Theisen zeigt sich sehr erfreut über das Urteil, weil damit erstmals ein deutsches Strafgericht ein wegweisendes Urteil auf dem Hintergrund der EU-Whistleblowing-Richtlinie gefällt habe: „Es ist mehr als erfreulich, dass das Landgericht München derart deutlich auf eine Nicht-Strafbarkeit von Whistleblowing erkannt hat“, so der Friedensaktivist. Ermutigend sei zudem, dass auch die Staatsanwaltschaft München einen Freispruch gefordert habe, weshalb Theisen hofft, „dass von diesem Urteil eine Signalwirkung für andere diesbezügliche Rechtsstreitigkeiten ausgehen wird.“
Kontakt für Presseanfragen:
Hermann Theisen, Tel.: 0151/54727508
Roland Blach (DFG-VK Geschäftsführer Ba-Wü), Tel.: 0177/2507286