Die neue nukleare Bedrohung: „Abrüstung wagen – Atomwaffenfrei bis 2020“
(Landesgeschäftsführer der DFG-VK Ba-Wü und Pacemaker-Initiator Roland Blach zum Hintergrund von Pacemaker)
60 Jahre sind mittlerweile vergangen seit den infernalischen Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki. Sie waren das menschenverachtende Finale des 2. Weltkrieges und wurden zum opferreichen Einstieg in die atomare Schreckensherrschaft des Kalten Krieges mit über 2.000 Atomtests, den Bau zehntausender Atomsprengköpfe, dem Abbau von Uran für Waffen- und Energieprogramme, der Entstehung von Plutonium und damit der Verseuchung weiter Landstriche mit Tausenden von Toten sowie der ständigen Gefahr eines Atomkriegs.
Leider gibt es keine verlässlichen Zahlen darüber, wie viel Geld dafür ausgegeben wurde und damit einer sinnvollen und friedlichen Entwicklung der Menschheit nicht zur Verfügung stand. Man muss aber von Billionen von Euro ausgehen. Schätzungen aus den USA weisen darauf hin, dass durch ein Fehlen der Atomrüstung dort die Rüstungsausgaben um 1/3 niedrige ausgefallen wären.
Obwohl der Kalte Krieg längst vorbei ist reicht die Sprengkraft der verbliebenen 28.000 Atomwaffen aus, alles Leben auf dieser Welt auszulöschen.
Immer mehr Staaten streben nach einfachen Atomwaffen als Faustpfand ihrer Macht. Nach wie vor ist dabei unklar, welche Kosten dabei jährlich aufgewendet werden müssen. Bei geschätzten 1 Billion für weltweite Rüstungsausgaben pro Jahr ist davon auszugehen, dass ein gewichtiger Anteil für die Atomrüstung ausgegeben werden muss. Im Verhältnis dazu ergeben zusammengerechnet alle globalen Hilfsprogramme etwa 25 % aller Militärausgaben.
Die Atomwaffenmacht USA plant eine neue Generation Atomwaffen, deren Folgen angeblich kontrollierbar sein sollen. Es droht die Hemmschwelle des Einsatzes von Atomwaffen drastisch zu sinken. Einerseits perfektioniert die US-Regierung ihr nukleares Arsenal; andererseits verlangt die Bush- Administration von anderen Staaten keine Atomwaffen zu besitzen. Die Folge: ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg gegen den Irak und die Drohung gegen den Iran. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen.
Statt ihrer endgültige Verschrottung erleben wir die weitere Auf- und Umrüstung der Atomwaffen, nicht nur durch die USA sondern auch durch Frankreich, Russland, Großbritannien, Indien, Pakistan und China. Sie drohen in das Zentrum von immer mehr Konflikten zu rücken, wenn militärisch-machtpolitische Interessen und ein sich über Menschenrechte stellen der Liberalismus weiterhin die internationalen Beziehungen bestimmt. Die vertragliche Grundlage der Nichtverbreitung, der Atomwaffensperrvertrag, ist bereits in Frage gestellt, wie wir im Mai 2005 aus New York vernehmen mussten. Sein Grundkonsens, wonach keiner nach Atomwaffen greift und ihre Besitzer sie abrüsten, wird nicht mehr geteilt.
Während Deutschland so gut es geht im Rahmen der EU mit diplomatischen Mitteln darauf drängt, dass Länder wie der Iran auf Atomwaffen verzichten, ist der deutsche Atomwaffenverzicht nicht grundgesetzlich verankert. Obwohl offiziell Nicht-Atomwaffenstaat kann Deutschland im Rahmen der „Nuklearen Teilhabe“ in der NATO über Atomwaffenstrategie, -stationierung und -einsatzplanung mitdiskutieren. Bundeswehrpiloten und -flugzeuge üben den Einsatz von US-Atomwaffen und können diese im Kriegsfall auch einsetzen. In Rheinland- Pfalz (Ramstein, Büchel) lagern nach wie vor bis zu 150 USAtombomben.
Zudem befindet sich mit dem US-amerikanischen Militärhauptquartier EUCOM in Stuttgart die Befehlszentrale für die in Europa gelagerten US-Atomwaffen.
Und das, obwohl bereits die Drohung mit Atomwaffen als völkerrechtswidrig gilt, was spätestens seit dem Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofes vom 8. Juli 1996 außer Frage steht. Dies alles auch, obwohl Deutschland im sogenannten 2 plus 4-Vertrag feierlich auf Massenvernichtungswaffen verzichtete. Auch darüber bleiben dem Steuerzahler noch verlässliche Zahlen vorenthalten.
Atomwaffen sind eine Missachtung unserer elementarsten Menschenrechte. Sie ignorieren unser Recht auf unversehrtes Leben und verknechten uns, wenn wir uns ihrer falschen Sicherheit unterwerfen. Wollen wir eine für alle frei gestaltbare Zukunft, müssen wir die Atomwaffen beseitigen und eine weltweite Energiewende einleiten.
Das neue Atomzeitalter und die Erinnerung an Hiroshima und Nagasaki mahnen uns nachdrücklich, wie alle Opfer des Atomzeitalters, uns von militärischer Eskalation und Rüstung abzuwenden. Auf der Grundlage von Multilateralismus, Achtung der Menschenrechte, Demokratie und nachhaltiger Entwicklung, die die Abhängigkeit von endlichen Ressourcen wie Öl und Uran mit einschließt, müssen wir eine Kultur des Friedens, der Sicherheit, Gesundheit und sozialen Gerechtigkeit und einer lebenswerten Umwelt ohne Atomenergie für alle einfordern.
Atomwaffen abzurüsten ist nicht nur eine Sache ihrer „legalen“ Besitzer. Auch die deutsche Regierung kann durch die Ablehnung der militärischen und politischen Rolle der Atomwaffen für die NATO, ihres angedrohten Ersteinsatzes und der Unterlassung, Bundeswehrsoldaten ihren Gebrauch zu trainieren, einen wesentlichen Beitrag zur weltweiten Abrüstung leisten. Trotz der außerordentlich schwierigen Lage, die sich seit dem 11. September 2001 noch weiter zuspitzt und die auf der gescheiterten Konferenz zum Atomwaffensperrvertrag in New York wieder deutlich sichtbar wurde, stehen die Chance für einen grundlegenden Wandel heute gut.
Getragen vom Gutachten des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag, das vor zehn Jahren, am 8.7.1996, das die Lagerung von und die Drohung mit Atomwaffen für völkerrechtswidrig erklärte, haben sich folgende Bündnisse im Rahmen einer guten Vernetzung großen Verdienst erworben:
– das weltweite Bündnis Abolition 2000 mit über 2000 Nichtregierungsorganisationen
– das vor eine Jahr ins Leben gerufene Bündnis Abolition Europe
– der bundesweit agierende Trägerkreis „Atomwaffen abschaffen – bei uns anfangen“ mit über 40 aktiven Gruppen
– die Kampagne „Atomwaffenfrei bis 2020“, an der u.a. Greenpeace Deutschland mitarbeitet
– die Bürgermeisterbewegung Mayors for peace mit mittlerweile über 1.000 Mitgliedsstätten weltweit, darunter etwa 250 allein in Deutschland
– eine neue Generation aktiver Jugendlicher um die Schülergruppe „Aktion Völkerrecht“ aus Heidelberg
– sowie viele Parlamentarier, die sich allein, in nationalen oder transnationalen Bündnissen für Resolutionen zur Beendigung der nuklearen Bedrohung stark machen
Unterstützt werden diese Bemühungen durch Papst Benedikt XVI. Er kritisierte in einem am 13.12.05 veröffentlichten Dokument die Gleichgültigkeit bei Abrüstung. Die internationale Abrüstungspolitik stagniere „im Sumpf einer nahezu allgemeinen Gleichgültigkeit“. Er verlangt, Geld nicht in Waffen, sondern in Entwicklungsprojekte zu investieren.
Die entsprechende Politik vergangener Jahrzehnte stagniere derzeit „im Sumpf einer nahezu allgemeinen Gleichgültigkeit“, schreibt der Papst in einer Botschaft zum Weltfriedenstag der katholischen Kirche am 1. Januar. In dem Dokument mahnt er eindringlich eine neue Abrüstungs-Initiative an, bei der es auch um Atomwaffen gehen müsse. Die internationale Gemeinschaft müsse „wieder den Mut und die Weisheit“ haben, um „überzeugt und vereint die Abrüstung zu propagieren“. Benedikt fordert, sowohl die Regierungen, die erklärtermaßen Atomwaffen besäßen, als auch diejenigen, „die sie sich verschaffen wollen“, sollten sich auf eine gemeinsame Nuklearabrüstung einigen. „Die auf diese Weise eingesparten Geldmittel können in Entwicklungsprojekte … investiert werden.“ Ausdrücklich betonte das katholische Kirchenoberhaupt dabei „das Recht auf Frieden, das jedem Menschen und jedem Volk zusteht“.
Mohammed al-Baradei verknüpfte in seiner Rede zur Verleihung des Friedensnobelpreises am 10.12.05 ebenso die immensen Kosten der Rüstung und das fehlende Geld für Entwicklungshilfe. Seine Schlussfolgerung lautet: „Solange einige von uns es vorziehen, sich auf Atomwaffen zu verlassen, dann werden wir weiterhin riskieren, dass der Besitz dieser Waffen auch für andere erstrebenswert erscheint. Ich habe keine Zweifel daran: Wenn wir hoffen, der Selbstzerstörung zu entkommen, dann darf in unserem kollektiven Bewusstsein kein Platz für Atomwaffen sein und dann dürfen sie für unsere Sicherheit keine Rolle spielen.
Um dies zu erreichen, müssen wir sicherstellen — absolut sicherstellen — dass keine weiteren Länder in den Besitz dieser tödlichen Waffen gelangen. Wir müssen dafür sorgen, dass Staaten, die Kernwaffen besitzen, konkrete Schritte zur atomaren Abrüstung unternehmen.
Und wir müssen ein Sicherheitssystem aufbauen, das nicht auf atomarer Abschreckung beruht.“ () Wir haben es mit in der Hand, die Vision einer Welt ohne Atomwaffen bis ins Jahr 2020 mit Leben zu erfüllen. Einer Welt, in der gewaltfreie Konfliktmechanismen höchste Priorität besitzen.
In diesem Sinne gilt es für uns zunächst von Bundesregierung zu fordern, den langdauernden Verstoß gegen das Völkerrecht zu beenden und
•als ersten Schritt in die atomwaffenfreie Welt umgehend die Bereitstellung deutscher Piloten und Flugzeuge für einen möglichen Atomwaffeneinsatz zurückzunehmen;
•die politische Mitwirkung an der Planung eines möglichen Atomwaffeneinsatzes der NATO zu beenden;
•den endgültigen und vollständigen Abzug sämtlicher US-Atomwaffen aus Ramstein und Büchel zu veranlassen;
•gemäß den Verpflichtungen aus dem Nichtverbreitungsvertrag Initiativen zur vollständigen Abrüstung sämtlicher Atomwaffen zu ergreifen und die Aufnahme von Verhandlungen über ein generelles Verbot von Atomwaffen zu fördern.
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