Strafbefehl nach Aufforderung zum Whistleblowing beim Waffenhersteller Heckler und Koch – Wo bleiben die Strafen für das „Netzwerk des Todes“?
Das Amtsgericht Oberndorf am Neckar hat auf Antrag der Staatsanwaltschaft Rottweil einen Strafbefehl über 3.600 Euro gegen einen Friedensaktivisten erlassen, der die Mitarbeiter des Waffenherstellers Heckler und Koch zum Whistleblowing aufgerufen hat (5 Cs 20 Js 10668/15). Hermann Theisen (Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen, DFG-VK) hatte im Mai 2015 zweimal Flugblätter an die Werksangehörigen der Firma in Oberndorf am Neckar verteilt und sie darin zum Whistleblowing aufgefordert. Noch am gleichen Tag erstattete daraufhin Andreas Heeschen (Hauptanteilseigner von Heckler und Koch) über eine Freiburger Anwaltskanzlei eine Strafanzeige gegen Theisen.
In der Strafanzeige wurden mehrere Straftatbestände zur Anzeige gebracht, die durch die Flugblattverteilung begangen worden seien: Öffentliche Aufforderung zu Straftaten in Verbindung mit dem Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (§ 111 StGB, § 17 UWG), Hausfriedensbruch (§ 123 StGB), Nötigung (§ 240 StGB) und Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b StGB). Die Staatsanwaltschaft Rottweil leitete daraufhin ein Strafverfahren gegen Theisen ein, worauf das Amtsgericht Oberndorf am Neckar nun einen Strafbefehl über 90 Tagessätze erlassen hat. Dagegen hat Theisen Einspruch eingelegt, womit es zu einer Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Oberndorf am Neckar kommen wird. Der Tübinger Rechtsanwalt Holger Rothbauer wird die Verteidigung übernehmen.
„Ziel der Flugblattaktion war das Aufdecken von illegalen und illegitimen Missständen bei den Waffenexporten von Heckler und Koch“ so Theisen. Die Verstrickung von Heckler und Koch in illegale Waffengeschäfte ist längst kein Geheimnis mehr. Am 18. Mai 2016 hat die 13. Große Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Stuttgart das Hauptverfahren gegen ehemalige leitende Angestellte von Heckler und Koch wegen des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontroll- und Außenwirtschaftsgesetz eröffnet und damit die Anklage der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 13. Oktober 2015 zur Hauptverhandlung zugelassen (13 KLs 143 Js 38100/10). Einer der Angeklagten ist der frühere Präsident des Landgerichts Rottweil, Peter Beyerle. Damit folgt das Landgericht Stuttgart mehreren Strafanzeigen gegen die Firma, die von dem Rüstungsgegner Jürgen Grässlin und Rechtsanwalt Holger Rothbauer initiiert worden sind.
Der Bundestagsabgeordnete Jan van Aken, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses mit dem Schwerpunkt Waffenexporte und Friedenspolitik, ist erstaunt darüber, „dass es illegal sein soll, jemanden aufzufordern, illegale Praktiken öffentlich zu machen.“ Er erklärt weiter: „Es wird Zeit, dass wir endlich ein Gesetz zum Schutz von Whistleblowern (und von Leuten, die dazu auffordern) bekommen!“ Für den Friedensaktivisten geht es mit dem Aufruf zum Whistleblowing darum, “rechtswidrige Waffenexporte zu skandalisieren und die damit in Verbindung stehenden illegalen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse zu entzaubern“, denn darauf habe die Zivilgesellschaft einen Anspruch, so Theisen. Roland Blach (Landesgeschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen in Baden-Württemberg) erklärt zu dem Strafverfahren: „Das Verfahren gegen Hermann Theisen reiht sich ein die die Ermittlungen gegen die Rüstungskritiker Jürgen Grässlin (u.a. DFG-VK Bundessprecher), Regisseur Daniel Harrich und Danuta Harrich-Zandberg- angeblich, weil sie Dokumente über die Machenschaften von Heckler & Koch beim illegalen Waffenexport in einem Buch veröffentlichten. Gegen die staatlichen Genehmigungsbehörden wird nicht ermittelt: angeblich „kein hinreichender Anfangsverdacht“. Alle Personen des „Netzwerk des Todes“ gehören bestraft, nicht die Aktivisten, die diese Machenschaften aufdecken.“
Kontakte:
Roland Blach, E-Mail: ba-wue@dfg-vk.de
Pressemitteilung des DFG-VK-Landesverbands Baden-Württemberg, 9. Juni 2016