Stellungnahme des Bundesausschusses der DFG-VK vom März 2008 zum Afghanistan-Krieg
In Afghanistan findet ein Krieg mit deutscher Beteiligung statt. Aus einem Einsatz zur Stabilisierung des Wiederaufbaus ist ein Krieg gegen aufständische Kämpfer geworden. Es droht ein langjähriger Krieg ohne Perspektive, mit der NATO und der Bundeswehr als Kriegsparteien.
Jeder Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Der Afghanistan-Krieg ist nicht mal ein effektives Mittel, um die ihn rechtfertigenden Ziele zu erreichen: Er wird mit dem Terrorismus begründet – Deutschlands Sicherheit würde am Hindukusch verteidigt. Man dürfe dem islamistischen Terror keine regionale Operations- und Rückzugsbasis überlassen, die zu Anschlägen weltweit ermuntern würde. Wer so argumentiert, setzt allerdings die Bekämpfung des Terrorismus mit einem konventionellen Krieg gleich. Terroristen sind aber Zivilisten, die meistens nicht dort anzutreffen sind, wo sich Soldaten gerade aufhalten. Und sie treten nicht in Heerscharen auf, sondern in kleinen Gruppen, die von jedem Ort auf der Welt aus arbeiten können und auf eine weitflächige Operationsbasis nicht angewiesen sind. Man braucht kein ganzes Land, um Terrorist zu sein – ein paar Zimmer reichen aus.
Wer in den Kategorien konventioneller Kriege denkt, spielt Terroristen zudem in die Hände: Mit jedem Bombardement und jedem Tod von Zivilisten, der unweigerlich im Afghanistan-Krieg stattfindet, macht sich der Westen Feinde und führt den Terroristen Rekruten zu, die der Rachegedanke antreibt.
Dass der Afghanistan-Krieg nicht effektiv den Terrorismus bekämpft, haben die Niederlande und Kanada bereits erkannt, die ihren Rückzug bis Weihnachten 2010 bzw. 2011 unwiderruflich angekündigt haben. Nach Umfragen erkennt dies auch die deutliche Mehrheit der deutschen Bevölkerung. Die Anzahl der Befürworter dürfte weiter abnehmen, nachdem Bundeswehr und Bundesregierung eine Kampftruppe einsetzen und die Zahl der Soldaten weiter erhöhen wollen. Für den Militäreinsatz wird sechsmal soviel ausgegeben wie für den zivilen Aufbau Afghanistans.
Die Ausbreitung islamistischen Terrors zu verhindern, ist ein politisches und kein militärisches Ziel. Es geht darum, Terroristen von der sie unterstützenden Gemeinschaft zu isolieren und potentielle Rekruten davon abzuhalten, sich ihnen anzuschließen. Weitergehende Ziele für den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan, wie die Eroberung von Stützpunkten, der Zugang zu Ölquellen oder die Aufrechterhaltung der NATO, sind keine politisch legitimen Motive.
Notwendig sind Verhandlungen zwischen allen Kriegsparteien über einen Waffenstillstand und einen Friedensprozess, statt weiterem Drehen an der Gewalt-Spirale. Wenn Seymour Hersh, einer der weltweit angesehensten investigativen Journalisten, Recht hat, dass der Afghanistan-Krieg zum Scheitern verurteilt ist, ist es besser, jetzt zu verhandeln als zu einem aussichtsloseren Zeitpunkt.
Denkbar sind folgende Schritte:
– Einstellung aller militärischen Aktivitäten
– Zivile Hilfe in Höhe der jetzigen Militärausgaben für die Infrastruktur und lokale Projekte, die den Menschen eine wirtschaftliche Perspektive außerhalb des Drogenhandels eröffnen
– Bildung einer neuen Koalitionsregierung und Stärkung der lokalen staatlichen Strukturen unter Einbindung aller afghanischen Konfliktparteien und Gruppierungen
– Unterstützung von afghanischen Nichtregierungsorganisationen, die die Menschenrechte verteidigen und für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie eintreten
– Einrichtung einer regionalen Konferenz für Sicherheit und Entwicklung unter Einbindung aller Nachbarstaaten.
Die DFG-VK fordert die sofortige Beendigung des Afghanistan-Krieges, den Abzug der Bundeswehr und aller anderen ausländischen Truppen und die Unterstützung von Verhandlungen der Kriegsparteien.
http://www.afghanistankampagne.de