Abschlussresolution der Konferenz „Für ein ziviles Europa“
Fakten zur Militarisierung der EU
Der Entwurf einer „Verfassung für Europa“ führt zu einer neuen Qualität in der Militär- und Rüstungspolitik der EU: So verpflichten sich „die Mitgliedsstaaten, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern“ (Artikel I-40); eine Aufrüstungsverpflichtung, die es in keiner anderen Verfassung gibt. Sie wird unterstützt durch ein neues „Amt für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten“ (Art. I-40 Abs. 3). Die Mitgliedstaaten verpflichten sich auch zu „Kampfeinsätzen als Unterstützung für Drittstaaten bei der Bekämpfung des Terrorismus in ihrem Hoheitsgebiet“ (Art. III-210), also etwa im Hindukusch – ein extrem weit gefasstes Mandat mit völlig offener Grenzziehung. Weiter: „Über militärische Einsätze der EU entscheidet der Ministerrat“ (Art. I-40; III-205). Das EU-Parlament ist von Mitsprache und Mitentscheidung ausgeschlossen. Eine gerichtliche Kontrolle der Beschlüsse durch den Europäischen Gerichtshof ist durch die Verfassung untersagt (Art. III-282).
Die Friedensbewegung lehnt eine solche Verfassung ab.
Im Vorgriff auf Art. I-42 haben sich die Staats- und Regierungschefs der EU am 25. März 2004 bereits verpflichtet, alle ihnen „zur Verfügung stehenden Mittel einschließlich der … militärischen“ zu mobilisieren, um terroristischen Bedrohungen „vorzubeugen“. Die Friedensbewegung lehnt diesen Beschluss ebenfalls ab: Soldaten taugen nicht zur „Vorbeugung“ gegen Anschläge. Diese funktioniert letztlich nur durch die Bekämpfung der Ursachen des Terrors. Krieg ist kein Mittel gegen Terror – Krieg ist Terror.
Nach dem Verfassungsentwurf entscheidet der Ministerrat autonom, ohne parlamentarische oder gerichtliche Kontrolle. Stimmt Deutschland im Ministerrat zu, sind Bundestag und Verfassungsgericht de facto präjudiziert. Der Rechtsstaat existiert nur noch auf dem Papier.
Nach dem Grundgesetz darf die Bundeswehr aber nur für die Verteidigung oder im Rahmen kollektiver Sicherheitssysteme eingesetzt werden (Art. 25, 87a GG). Über die Ausstattung der Bundeswehr entscheidet der Bundestag als Haushaltsgesetzgeber, über ihre Einsätze nach unserer Verfassungsordnung der Bundestag als zuständiges Organ.
Alternativen zu dem Irrglauben, Militär und Kriege könnten Konflikte lösen, nämlich ein Ausbau der zivilen Konfliktbearbeitung, sind in der EU nur im Ansatz vorhanden. Vor allem darf die zivile Konfliktbearbeitung nicht nur der Nachsorge und der nachträglichen Legitimierung von Militäreinsätzen dienen.
Hinzu kommt, dass die Regelung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung den Einzelstaaten vorbehalten bleibt, der Verfassungsentwurf also die von Staat zu Staat unterschiedlichen Repressionen gegenüber Kriegsdienstverweigerern legitimiert.
Alternativen zur Militarisierung
Die Teilnehmer der Konferenz begrüßen das Ziel des Verfassungsentwurfs, den Frieden zu fördern (Art. I- 3). Sie fordern aber anstelle einer Militarisierung ein konsequentes Bekenntnis zur zivilen Konfliktbearbeitung als Ziel der Union und die Bereitstellung der Mittel hierfür. Das unsinnige Amt für Rüstung., Forschung und militärische Fähigkeiten sowie die Verpflichtung zur Aufrüstung müssen gestrichen werden. Stattdessen sollen ein EU-Beauftragter für Rüstungskontrolle, Abrüstung und zivile Konfliktbearbeitung ernannt und folgende Regelungen in der Europäischen Verfassung getroffen werden:
1. Die Union und die Mitgliedsstaaten verurteilen den Einsatz militärischer Gewalt als Mittel für die Lösung internationaler Streitfälle und verzichten auf ihn als Werkzeug ihrer Politik.
2. Deswegen sollen die gemeinschaftlichen wie die nationalen militärischen Kapazitäten schrittweise abgebaut werden mit dem Ziel, das Militär abzuschaffen. An seine Stelle treten die Konfliktprävention, die zivile Konfliktbearbeitung und der Aufbau ziviler Kräfte zur Prävention und Schlichtung nationaler wie internationaler Konflikte.
3. Die Union verpflichtet sich, die Testung und Herstellung, die Lagerung, den Transport und die Verwendung von Atomwaffen und anderen Massenvernichtungswaffen zu unterlassen und sich an derartigen Aktivitäten auch nicht zu beteiligen.
4. Die Union setzt sich für die vollständige Beseitigung aller Massenvernichtungswaffen unter Kontrolle der Vereinten Nationen ein.
5. Der Ausschluss einer parlamentarischen Kontrolle und die fehlende Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik ist mit demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar.
6. Jeder EU-Bürger hat das Recht, jegliche Kriegs- und Kriegsersatz- bzw. -hilfsdienste zu verweigern. Das Verbot von Arbeits- und Zwangsdiensten umfasst auch das Verbot jeglicher Militär- und Militärersatz- sowie Militärhilfsdienstpflichten.
7. Politisch Verfolgte – auch Kriegsdienstverweigerer und Deserteure – genießen politisches Asyl.
8. Die Union und die Mitgliedsstaaten fördern eine umfassende Friedenserziehung, den internationalen Jungendaustausch und unabhängige Initiativen zur zivilen Konfliktbearbeitung.
Begründung
Die Ächtung des Krieges als Instrument der Politik ist mit dem Briand-Kellog-Pakt bereits geltendes Völkerrecht. Das Verbot von Massenvernichtungswaffen basiert auf dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs zu Atomwaffen (1996), auf Art. 6 des Non Proliferation-Treaty (NPT) und auf den Konventionen zu biologischen und chemischen Waffen.
Wenn für zivile Konfliktbearbeitung nicht ausreichende Strukturen bereit stehen, ist ein Rückfall auf militärische Mittel wahrscheinlich. Der Versuch, die militärische Stärke der USA zu erreichen, muss scheitern. Die EU sollte stattdessen auf zivile Konfliktbearbeitung setzen. Wir schlagen vor, dass Europa Konfliktschlichtung mit Ausrichtung auf die Etablierung rechtsstaatlicher Strukturen betreibt. Das ist menschlicher und kostengünstiger als militärische Intervention, führt nicht zu Opfern an Menschenleben und zu Zerstörung und schafft hoch qualifizierte Arbeitsplätze.
Die EU-Verfassung geht jeden an: Wir fordern ein Referendum über eine demokratisch entwickelte und rechtsstaatliche Verfassung.
Diese Resolution wurde verabschiedet bei einer Konferenz der bundesdeutschen Friedensbewegung am 27.3.2004 in Frankfurt/M, zu der aufgerufen hatten:
Attac Frankfurt; Deutsche Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen, Bundesverband und Gruppe Frankfurt (DFG-VK); International Association of Lawyers Against Nuclear Arms (IALANA); Kooperation für den Frieden; Bundesausschuss Friedensratschlag; Pax Christi; Informationsstelle Militarisierung (IMI);International Physicians for the Prevention of Nuclear War (IPPNW); Bund für Soziale Verteidigung (BSV); Ökumenische Aktion Ohne Rüstung Leben; Gesprächskreis Frieden und Demokratie Neu-Isenburg; Initiative für den Frieden (IFIAS); DGBOrtskartell Neu-Isenburg; Pädagoginnen und Pädagogen für den Frieden (PPF); Evangelische Studierendengemeinde Frankfurt/M