Ein Diskussionspapier von Thomas Rödl (Stand 18.04.2013)
1. Pazifismus
Die DFG-VK definiert in ihrem Grundsatzprogramm den politischen Pazifismus:
Jeder Krieg ist ein Verbrechen…; wir verweigern alle Kriegsdienste…; wir wollen gewaltfreie Konfliktlösungen durchsetzen…
wir wollen die allgemeine und vollständige Abrüstung, die Abschaffung der Bundeswehr..
Frieden bedeutet die Verwirklichung von politischer, sozialer, und ökonomischer Gerechtigkeit…
und, was unsere Mittel betrifft, wir verzichten auf verletzende und tötende Gewalt…
„Aus der Überzeugung, dass sich Mittel und Ziel entsprechen müssen, verfolgt die DFG-VK ihre politischen Ziele ausschließlich mit gewaltfreien Mitteln; diese schließen die Verletzung und Tötung von Menschen aus und zielen auf die Konfliktlösung durch Dialog.“
Diese Aussage zur Gewalt erhebt keinen Universalitätsanspruch und erfordert keinen individuellen Gewaltverzicht, z.B. keinen Verzicht auf Notwehr.
„Der Pazifismus der DFG-VK verlangt dauerhaftes politisches Handeln mit dem Ziel, Bedingungen für eine Welt ohne Krieg und Unterdrückung zu schaffen. Das bedeutet:
* die öffentlichkeitswirksame Propagierung von Abrüstung mit dem Ziel der völligen Entmilitarisierung;
* die Förderung von antimilitaristischem Bewusstsein mit dem Ziel der völligen Ächtung des Soldatentums;
* die öffentliche Diskussion über die Aufgabe von Soldaten: Das Töten im Krieg;“
(Zitate aus dem Programm der DFG-VK)
2. Antimilitarismus
Es gibt keine antimilitaristische Organisation mit einem ausgearbeiteten politischen Programm,. worauf Mensch sich beziehen könnte. Die AntimilitaristInnen geben in der Regel keine Definition von Militarismus und äußern sich nicht grundsätzlich zur Frage von Gewalt und Militär.
Zusammenfassende Zitate aus der politischen Diskussion:
– Ich bin gegen Militarismus hier im Kapitalismus, aber nicht gegen Militär generell.
– Ich will Militarismus bekämpfen und Militär abschaffen, aber mich nicht auf die Gewaltfreiheit festlegen lassen…
– Ich bin gegen die Militarisierung, aber nicht gegen den Verteidigungskrieg.
– Ich bin gegen Militär als Herrschaftsinstrument im Kapitalismus, aber ein revolutionärer Krieg, ein Bürgerkrieg und die Verteidigung der Revolution sind gerechte Kriege.
– Ich bin gegen Krieg und Militarismus, aber manchmal brauchts Militär, ein gerechter Krieg ist denkbar.
2.1. Tradition
Als AntimilitaristInnen bezeichnen sich in Deutschland traditionell Sympathisanten linker Politikkonzepte in der Nachfolge der USPD, KPD und DKP, die „den Militarismus“ in den kapitalistischen Staaten bekämpfen, aber nicht prinzipiell gegen Militär sind. Sie glauben an die bewaffnete Revolution, an die Eroberung der Staatsmacht durch die „Arbeiterklasse“ und an die Notwendigkeit (und Möglichkeit) der Verteidigung des Sozialismus.
Militärisch organisierte Gewalt / Staatsgewalt, die für ein für gerecht erachtetes Ziel eingesetzt wird, wird prinzipiell akzeptiert. Das war und ist die Position der leninistisch- kommunistischen- staatssozialistischen Parteien bzw. Bewegungen des 20 Jahrhunderts.
Ihre Rhetorik richtet sich „gegen Krieg und Militarisierung der Gesellschaft“, trifft aber keine grundsätzliche Aussage gegen Militär, vermeidet die Forderung nach allgemeiner Abrüstung, und macht keine Aussagen zu Mitteln und Methoden.
Es gab aber (und gibt?) auch gewaltfreie AntimilitaristInnen, die sich nicht dem Marxismus-Leninismus bzw. Realsozialismus zuordnen, sondern aus anarchistischen, undogmatisch-linken, Zusammenhängen und Weltanschauungen kommen. Die also Militär mit gewaltfreien Methoden abschaffen wollen.
(Quelle z.B.: Gernot Jochheim: Zur Geschichte und Theorie der europäischen antimilitaristischen Bewegung 1900 – 1940. In: Friedensanalysen Band 4, Schwerpunkt Friedensbewegung, Suhrkamp Verlag Frankfurt/M. 1977)
2.2. Aktualität
Es gibt autonome AntimilitaristInnen, die sich keinerlei Definitionen und politische Begriffe zu eigen machen und sich keiner politischen Richtung oder Partei zuordnen wollen. Die in der Frage der Gewaltfreiheit und der Militärfrage unsicher, unklar oder widersprüchlich sind.
(Verweis auf Diskussionspapier von war starts here, v. Sept. 2012, evtl noch auf der Seite von bundeswehrwegtreten-org zu finden) Antimilitarismus grenzt sich vom Pazifismus ab, ohne eine eigenständige Definition zu liefern (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Antimilitarismus). Die Bezüge in diesem Artikel zeigen, dass die Autoren wohl an den bürgerlichen Pazifismus der DFG denken, nicht an den politischen Pazifismus der DFG-VK.
3. Gemeinsamkeiten
Pazifisten, die Militär abschaffen und gewaltfreie Konfliktlösung durchsetzen wollen, sind selbstverständlich auch Antimilitaristen. Der politische Pazifismus der DFG-VK beinhaltet einen Antimilitarismus, der jede Art von Krieg, jede Art von Militär und jede Art von Kriegsdienst ablehnt. Das Grundsatzprogramm der DFG-VK v. 1992 beschreibt einen logischen und begrifflichen Rahmen für „Antimilitarismus?.
PazifistInnen und AntimilitaristInnen haben aktuelle gemeinsame Forderungen, z.B.:
Gegen Krieg als Mittel der Politik (mit eingeschränkter Glaubwürdigkeit, s.o.)
Gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr
Gegen Rüstungsexporte
Gegen Atomwaffen
Für die Auflösung der NATO
Senkung der Rüstungsausgaben
Keine Werbung für die Bundeswehr an Schulen und Hochschulen … evtl. weitere
Die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit und Abbau struktureller Gewalt könnte eine gemeinsame Position sein. (s.u.)
4. Weltanschauungen
In beiden Strömungen gibt es keine einheitliche politisch – gesellschaftliche Weltanschauung!
„Die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen ist eine pazifistische Organisation. In ihr haben sich Menschen unterschiedlicher Weltanschauungen und politischer Auffassungen zusammengeschlossen, die ihre Verantwortung für eine menschenwürdige Zukunft erkennen und ernst nehmen wollen.
Der politische Pazifismus propagiert kein spezifisches politisches oder soziales System. Wir erkennen aber als entscheidende Kriterien für die Fortentwicklung von Politik und Gesellschaft die Durchsetzung der Menschenrechte, die innergesellschaftliche Toleranz und den Schutz von Minderheiten sowie den Abbau struktureller Gewalt.„
5. Friedensbegriff
„Für uns PazifistInnen bedeutet Frieden die Verwirklichung von politischer, sozialer und ökonomischer Gerechtigkeit auf der ganzen Welt. Untrennbar damit verbunden ist der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen und der schonende Umgang mit nicht erneuerbaren Ressourcen. Denn ökonomische Gewaltverhältnisse, wie die derzeitige, auf Ausbeutung beruhende Weltwirtschaftsordnung, Umweltzerstörung und Verschwendung von Rohstoffen erzeugen neue Kriegsgefahren und gefährden menschliches Leben.
Pazifismus bedeutet für die DFG-VK das Streben nach gewaltfreien Formen der Konfliktlösung. Daher wollen wir gesellschaftliche und ökonomische Gewaltverhältnisse in ihren Ursachen erkennen und abschaffen. Wir wollen dazu beitragen, dass künftig die Menschen ihr Zusammenleben gewaltfrei organisieren. Nur in einem solchen Prozess lässt sich Frieden verwirklichen.“
AntimilitaristInnen haben keine positive Definition von Frieden. Sie bezeichnen sich meist bewusst als „Antikriegsbewegung“ oder eben ?AntimilitaristInnen? um sich von der Friedensbewegung abzugrenzen. Für die AntimilitaristInnen ist die Veränderung der Machtverhältnisse, die Abschaffung des Kapitalismus, Aufbau von Sozialismus und die Suche nach Wegen zum Kommunismus die eigentliche Aufgabe. Frieden komme dann automatisch, wenn es keine imperialistischen Kriege und keine kapitalistische Ausbeutung gibt.
6. Folgerungen für die PazifistInnen
Wir sollten
*An die AntimilitaristInnen immer wieder Fragen stellen:
– bitte definiert doch „Antimilitarismus“
– warum „gegen Militarisierung“ und nicht „gegen Militär“?
– glaubt Ihr in unserer konkreten derzeitigen politischen Situation mit Gewalt etwas zu erreichen zu können?
– glaubt Ihr an den gerechten Krieg?
– glaubt Ihr, dass die Bundeswehr für irgendetwas nützlich sein kann?
* den Gedanken der Gewaltfreiheit aktiv vertreten. Wenn wir von Pazifismus reden, müssen wir immer die konkreten Definitionen aus unserem Programm einbringen.
* Bündnisse mit pazifistischen Gruppen suchen, unabhängig von der traditionellen Friedensbewegung.
* die Forderung nach allgemeiner Abrüstung mit der Grundhaltung der Gewaltfreiheit verbinden und so darstellen.
* klar stellen, daß sich Ziele und Mittel entsprechen müssen.
Für Rückfragen, Kritik und Anregungen: Thomas Rödl, Leo Sauer, E- Mail: muenchen@dfg-vk.dehttp://www.bayern.dfg-vk.de