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Deutsche-Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen

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Allgemein

01.05.2022

Klassenkampf statt Kampfpanzer

Der 1. Mai wird jedes Jahr weltweit als Tag der internationalen Solidarität der Arbeiter*innenklasse begangen. Organisiert werden Protestmärsche und Aktionen zum 1. Mai von Gewerkschaften, revolutionären Parteien oder Organisationen bis hin zu Regierungen.

Die Friedensbewegung und die Arbeiter*innenbewegung sind seit langem eng und solidarisch miteinander verbunden. Denn während Industrielle und Kapitalist*innen häufig von Aufrüstung und Krieg profitieren, leidet die Arbeiter*innenklasse immer am stärksten.

Die Arbeiter*innen aller Länder müssen sich Kriegen vereint verweigern. Hierzulande heißt das, sich am 1. Mai gegen Aufrüstung und die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr zu stellen und Waffenexporte – egal an wen – zu verhindern.

Weiterführende Links

Demo-Materialien für den 1. Mai Weiterleiten

Kategorie: Allgemein Stichworte: 1. Mai, Friedensbewegung

22.04.2022

Warum Pazifismus gerade wichtiger denn je ist

Michael Schulze von Glaßer, politischer Geschäftsführer der DFG-VK, äußert sich zu den Angriffen auf Pazifist*innen, Pazifismus und die Friedensbewegung.

Was ist passiert?
Einschätzungen des politischen Geschäftsführers
Waffenlieferungen
Alternativen
Aufrüstung der Bundeswehr
Warum Pazifismus wichtiger ist denn je


Rund um die Ostermärsche gab es am vergangenen Wochenende mit Blick auf den Krieg in der Ukraine eine Debatte um Pazifismus. Dabei gab es – auch auf uns als Teil der „Friedensbewegung“ – scharfe Angriffe und eine leider häufig klischeebehaftete Berichterstattung. Es gibt zum Pazifismus aber keine Alternative.

Pazifist*innen unter Beschuss

Seit über 60 Jahren gehen am Osterwochenende zehntausende Menschen in Deutschland auf die Straßen, um für Frieden zu demonstrieren. In diesem Jahr fanden in etwa 120 Städten Aktionen statt. Wurden die vielerorts von unseren Mitgliedern organisierten Proteste jahrelang von der breiten Öffentlichkeit nur am Rande beachtet, so gab es nun bereits im Vorfeld der Aktionen eine kontroverse politische Debatte – und scharfe Angriffe gegen uns und unsere Positionen.

Großartiger Text von ⁦⁦@saschalobo⁩ : Es gibt klugen #Pazifismus, aber „deutscher Lumpen-Pazifismus (ist) eine zutiefst egozentrische Ideologie, die den eigenen Befindlichkeitsstolz über das Leid anderer Menschen stellt.“ 🎯👍🏻 #Ukraine #Krieg https://t.co/yyQtFBzxM7

— Alexander Lambsdorff (@Lambsdorff) April 20, 2022

Sascha Lobo nannte die Ostermarsch-Teilnehmer*innen etwa “Lumpen-Pazifisten” und der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff bezeichnete die Organisator*innen der Ostermärsche pauschal als „fünfte Kolonne Putins“. Sie würden versuchen, die Ukraine zu schwächen. Für Protestforscher Prof. Dr. Dieter Rucht ist diese Aussage laut SPIEGEL-Online „blanker Unsinn“.

Protest gegen Politik Russlands

Wir können dies bestätigen. So haben wir in den vergangenen Jahren mehrfach vor der Botschaft Russlands in Berlin sowie vor den Konsulaten des Landes in verschiedenen Städten für Abrüstung – konkret etwa für den Erhalt des INF-Vertrags – demonstriert. Und – auch das sei hier nochmal betont – wir haben noch vor Kriegsbeginn am 9. Februar 2022 in Berlin mit einer Friedensaktion an die russische Seite appelliert, zu verhandeln und den sich anbahnenden Krieg nicht weiter vorzubereiten. Wie viele Protestaktionen vor russischen Regierungseinrichtungen in Deutschland hat Graf Lambsdorff schon organisiert?

Versuch einer Analyse

Mit dem Einmarsch Russlands am 24. Februar 2022 – und bereits 2014 mit der Annexion der Krim und dem Krieg im Donbass – hat Wladimir Putin nicht nur unendliches menschliches Leid verursacht, sondern auch friedenspolitische Bemühungen der letzten Jahrzehnte zunichte gemacht. Kriege brechen nicht einfach aus, sondern sind menschengemacht. Sie haben – auf Fakten bezogen niedere und ablehnungswürdige – Motive und eine Vorgeschichte. Das bedeutet aber auch: Dieser Krieg wäre verhinderbar gewesen. Und eine an pazifistischen Grundsätzen und Vorstellungen orientierte Politik hätte diesen Krieg verhindert.

Denn dass es den aktuellen Krieg gibt, macht doch gerade das Versagen der europäischen Sicherheitspolitik deutlich – sowohl von russischer als auch westeuropäischer Seite. Es war doch gerade die Politik derjenigen, die den Pazifismus aktuell angreifen, die es in dreißig Jahren nach Ende des Kalten Kriegs nicht geschafft hat, dauerhaft Frieden in Europa herzustellen. Die Sicherheitsinteressen aller (!) osteuropäischer Staaten hätten beachtet und eine gemeinsame Sicherheitspolitik unter Einschluss Russlands geschaffen werden müssen.  Der Abbau bis hin zu einem Verbot von Atomwaffen hätte vorangetrieben werden müssen, genauso wie ein strikter Rückbau von Waffenproduktion und -export.

Das wäre nicht einfach gewesen – aber das sind Politik und Diplomatie eben häufig nicht. In den rund fünfzig Jahren des Kalten Kriegs von beiden Seiten gegeneinander propagierte – teilweise rassistische – Feindbilder wurden nicht durchbrochen. Eine ideologiefreie Betrachtung ergibt, dass nicht nur die russische Seite Fehler gemacht hat, sondern auch die NATO ihre konfrontative Haltung gegen Russland nach dem Kalten Krieg kaum aufgegeben hat. Die Osterweiterung ist dafür ein Zeichen.

Diese – hier nur kurz geschilderte Analyse – steht nicht der klaren Feststellung entgegen, dass es Wladimir Putin ist, der den Angriffsbefehl gegeben hat und für den Krieg verantwortlich ist. In unseren zahlreichen Veröffentlichungen zum Ukraine-Krieg haben wir den völkerrechtswidrigen Einmarsch Russlands bereits scharf verurteilt. Und natürlich gehört jede*r, der solch ein Verbrechen begeht, vor Gericht gestellt.

Der Pazifismus und die Menschen, die ihn vertreten, sind aber nicht schuld am Krieg. Und wie die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann, die auch DFG-VK Mitglied ist, sagte, ist es nicht gerecht, Menschen, die sich seit Jahrzehnten für Frieden einsetzten, vorzuwerfen, sie stünden auf der Seite Russlands.

Für Pazifismus: Friedensdemo zum Krieg in der Ukraine
Wir bleiben dabei: Keine Waffenlieferungen!

Nun möchte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) sogar schwere Waffen an die Ukraine liefern. Der von ihrer Partei noch im letzten Wahlkampf verbreitete Grundsatz, keine Waffen in Kriegsgebiete zu liefern, ist damit ebenso endgültig obsolet wie die Vorsilbe „feministisch“ für diese neue deutsche Außenpolitik.

„Frieden schaffen mit noch mehr Waffen“ funktioniert nicht

Ohne Frage befinden wir uns bei der Frage der Waffenlieferungen an die Ukraine aber in einem Dilemma: Die Menschen in der Ukraine werden angegriffen. Mit noch mehr Waffen können sie sich militärisch vermeintlich noch besser wehren. Damit ist bei vielen – auch der Bundesregierung – die Hoffnung auf ein schnelles Ende des Krieges verbunden: Man müsse nur genügend Waffen liefern und schwuppdiwupp sei der Krieg beendet. Das ist eine Fehlannahme. „Frieden schaffen mit noch mehr Waffen“ funktioniert nicht – das haben zahlreiche westliche Militäreinsätze und großangelegte Waffenlieferungen in Konfliktregionen in der Vergangenheit immer wieder gezeigt. Das westliche Desaster in Afghanistan ist nicht mal ein Jahr her – und scheinbar schon von vielen vergessen.

Was Waffenlieferungen bedeuten

Keine Beachtung findet in der öffentlichen Debatte gerade das moralische Dilemma, welches entsteht, wenn Deutschland Waffen liefert: Letztendlich werden mit den Waffen aus Deutschland Menschen getötet. Natürlich ist das russische Militär der Angreifer. Das heißt aber nicht automatisch, dass alle russischen Soldat*innen hinter dem Einsatz stehen. Mittlerweile ist bekannt, dass von Russland auch Wehrpflichtige in den Einsatz geschickt wurden. Zudem sollen viele Soldat*innen schlecht oder gänzlich falsch informiert in den Einsatz geschickt worden sein – ihnen soll etwa anfänglich gesagt worden sein, dass es sich nur um eine Übung handele. Wie einseitig russische Medien über die „militärische Sonderoperation“ – allein diesen Krieg als solchen zu bezeichnen, steht in Russland mittlerweile unter Strafe – berichten, ist hinlänglich bekannt. Wenn nun russische Soldat*innen aufgrund von Propaganda – falscher Information – in einen Krieg gedrängt oder gar gezwungen wurden und dort mit Waffen aus Deutschland getötet werden, ist das ein Problem.

Wie viele Zweifler*innen und Soldat*innen, die eigentlich nicht kämpfen wollen, es in der russischen Armee gibt, ist nicht zu beziffern. Natürlich wird es auch viele Soldat*innen geben, die vollends hinter dem Einsatz stehen. Doch die Moral in Reihen des russischen Militärs soll insgesamt schlecht sein. Dabei muss man sich immer bewusst sein: Wer im Militär – egal in welchem – den Befehl verweigert, dem drohen harte Konsequenzen. So sollen 60 russische Fallschirmjäger den Dienst verweigert haben – sie wurden entlassen und ihnen drohen Strafanzeigen. Russische Deserteur*innen sollen aber auch schon erschossen worden sein.

Ebenfalls problematisch ist es, wenn auf ukrainischer Seite Männer im Alter zwischen 18 und 60 Jahren, denen es aktuell verboten ist, das Land zu verlassen, dazu verpflichtet werden, eine Waffe – womöglich auch „made in Germany“ – in die Hand nehmen zu müssen, um damit russische Soldat*innen zu töten. Wer deutsche Waffenexporte an die Ukraine billigt, nimmt all diese moralischen Dilemmata in Kauf – und letztlich noch mehr Tote.

Pazifismus: Menge auf einer Friedensdemo zum Ukraine-Krieg
Kein Ende des Krieges in Sicht

Auch wenn nicht klar ist, wie lange Wladimir Putin den Angriff auf die Ukraine führen will, so zeichnet sich aktuell ein immer längerer Krieg ab, der zunehmend brutaler wird. Je länger die Kämpfe dauern, desto mächtigere Waffen werden eingesetzt: Das zeigt sich gerade in der hart umkämpften Hafenstadt Mariupol, auf die Russlands Armee in der vergangenen Woche erstmals mit Überschall-Langstreckenbombern Angriffe geflogen haben soll. Und auch Massaker wie in Butscha werden kein Einzelfall bleiben. Jeder Tropfen Blut, der in diesem Krieg vergossen wird, lässt eine Beilegung der Kämpfe in noch weitere Ferne rücken. Ob die russische Seite ihren Angriff nach der Einnahme Mariupols einstellt, liegt allein in Wladimir Putins Händen.

Und was, wenn die ukrainische Seite dann einem Waffenstillstand nicht zustimmt und stattdessen ihrerseits versucht, die verlorenen Gebiete einschließlich der seit 2014 besetzten Gebiete in der Ost-Ukraine sowie die Krim zurückzuerobern? Und kommt es doch zu einem Waffenstillstand, hat das „Minsk II“-Abkommen gezeigt, wie brüchig dieser leider sein kann. Selbst wenn – was wir uns wünschen würden – der Krieg auf der Stelle endet, so wird der Konflikt noch Jahrzehnte andauern. Und je stärker beide Seiten hochgerüstet sind, desto grausamer wird jedes weitere Aufflammen sein. Waffenlieferungen werden diesen Konflikt nicht lösen. Das werden nur Verhandlungen.

Pazifismus auf den Straßen
Deutsche Waffenlieferungen in die Ukraine

Einmal in Umlauf gebrachte Waffen tauchen zudem immer wieder in Konflikten auf: Die von der Bundesregierung durchgeführten und geplanten Lieferungen an die Ukraine sind – soweit bekannt – nicht mit einer Rückgabepflicht nach Ende des Konflikts oder zumindest des Krieges verbunden. Bereits in anderen Konflikten tauchen immer wieder überraschend westliche Waffen auf, die ursprünglich an andere Gruppen geliefert wurden. In ihrem langen Lebenszyklus sorgen die Waffen damit immer wieder für Leid und Tod. Waffenexporte sind unkontrollierbar und richten langfristig großen Schaden an.

Die Lieferung von Waffen aus Deutschland an die Ukraine birgt zudem die Gefahr, selbst Kriegspartei zu werden – fern jeder völkerrechtlichen Definition liegt diese Bewertung auch an Wladimir Putin. Die Bundesregierung hat von 2014 – dem Jahr der Krim-Annexion – bis 2020 bereits Waffenexporte in Höhe von 42 Millionen Euro in die Ukraine genehmigt. Wie viele davon tatsächlich geliefert wurden, ist öffentlich nicht bekannt. Bereits diese Lieferungen – und die vieler weiterer westlicher Staaten (allein aus den USA gab es seit 2014 Lieferungen in Höhe von 2,7 Milliarden US-Dollar) – haben nicht zu Frieden in der Region geführt. Und sie haben Wladimir Putin auch nicht von dem Versuch, die ganze Ukraine erobern zu wollen, abgehalten.

Ebenso wie die Umsetzung der Forderung nach einer von der NATO eingerichteten Flugverbotszone über der Ukraine könnten die westlichen Waffenlieferungen zu einer militärischen Eskalation des Krieges über das Staatsgebiet der Ukraine hinaus führen. Die deutschen Lieferungen könnten auch schon direkt bei der Übergabe an die Ukraine zum Ziel russischer Angriffe werden. Ein Krieg der Atommacht Russland mit der atomar bewaffneten NATO würde weder den (auch nach Deutschland geflüchteten) Ukrainer*innen noch den Menschen in Europa – einschließlich denen in Russland – helfen. Denn dann wäre alles verloren.

Das „Nein“ zu Waffenlieferungen mitten in einen Krieg hat die Bundesregierung am 27. Februar 2022 aufgegeben. Doch welchen Grundsätzen folgt die Bundesregierung nun in ihrer Waffenexportpolitik? Sie hat bisher nicht begründet, warum die Lieferungen an die Ukraine gerechtfertigt sind, Waffenexporte in andere Kriegsregionen hingegen weiter strikter gehandhabt oder gänzlich verboten werden. Bekommen bald auch die Kurd*innen in Rojava Waffen aus Deutschland, damit sie sich gegen die völkerrechtswidrigen Angriffe der Türkei (die noch immer NATO-Mitglied ist) wehren können? Gerade greift die Türkei sogar auf dem Staatsgebiet des Irak an. Die Lieferungen in die Ukraine könnten Türöffner für eine vollkommen enthemmte Waffenexportpolitik sein. Wenn die Bundesregierung in Zukunft Waffenexporte in andere Kriegsregionen ablehnt, muss sie sich wiederum den Vorwurf einer – womöglich rassistischen – Ungleichbehandlung gefallen lassen.

Friedensdemo zum Ukraine-Krieg: Pazifismus auf den Straßen
Wir helfen den Opfern des Krieges – gewaltfrei

All diese Argumente werden in der aktuellen Debatte kaum gehört. Ganz im Gegenteil werden deutsche Waffenlieferungen oft als alternativlos dargestellt. Wenn wir also keine Waffen liefern wollen, lassen wir die Menschen, die wegen des Konflikts leiden, dann im Stich? Nein! Wir helfen auf vielfältige Weise, und es gibt viele Wege, die Situation für die vom Krieg Betroffenen zu verbessern.

Unterstützung Geflüchteter

Viele unserer Mitglieder sind in der Flüchtlingshilfe aktiv: Sie sammeln Spenden, unterstützen bei der Vermittlung von Wohnungen an Geflüchtete und vieles mehr. Diese direkte Hilfe verbinden wir gleichzeitig mit den politischen Forderungen an Russland, Fluchtkorridore zu ermöglichen, und an die EU, weiterhin Schutzsuchende aufzunehmen.

Proteste

Seit Beginn des russischen Einmarschs haben DFG-VK Aktive in zahlreichen Städten unzählige Antikriegsproteste organisiert: Diese – vor allem die von uns mitorganisierten Proteste am 27. Februar 2022 in Berlin mit einer halben Million Menschen und am 13. März 2022 in zahlreichen Großstädten mit über einhunderttausend Menschen – waren nicht nur ein starkes Signal für Frieden, sondern haben auch zur Organisation der Hilfsmaßnahmen für die vom Krieg Betroffenen beigetragen. Und die Antikriegsproteste gehen noch immer weiter.

Demonstrierende auf der Demo gegen den Krieg in der Ukraine in Berlin
Hilfe bei Kriegsdienstverweigerung

Wir unterstützen Soldat*innen, die desertieren, und setzen uns für das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung ein: Kein Mensch darf dazu gezwungen werden, andere Menschen zu töten. Wir setzen uns daher politisch dafür ein, dass diejenigen, die nicht töten wollen, Schutz finden können – egal, welche Nationalität sie haben.

Solidarität mit russischen und ukrainischen Aktivist*innen

Schon lange stehen wir mit russischen Friedensaktivist*innen im Kontakt: Wir versuchen, sie zu unterstützen, was angesichts der Repression der russischen Regierung gegen sie aktuell leider sehr schwer ist (und aufgrund der Aussetzung des SWIFT-Zahlungsverkehrs können wir gerade auch keine finanzielle Unterstützung leisten). Den Friedensstimmen aus der Zivilgesellschaft sowohl in Russland als auch in der Ukraine versuchen wir eine Stimme zu geben.

Wir schließen uns den Forderungen der „Ukrainischen Pazifistischen Bewegung“ vom 17. April 2022 an: Es muss einen sofortigen Waffenstillstand geben. Die Unterstützung militanter Radikaler durch Russland und die NATO-Staaten muss aufhören. Die ausführlichen Forderungen gibt es hier zu lesen.

Weitere Handlungsmöglichkeiten

Das ist es, was wir als Friedensorganisation mit unseren sehr begrenzten Kapazitäten und Mitteln – unser Jahresetat beträgt ungefähr so viel, wie die Bundeswehr 2016 für Werbe-Pizzakartons ausgegeben hat – leisten. Doch Alternativen zum gewaltsamen Widerstand gegen den russischen Einmarsch in der Ukraine gibt es noch viele weitere.

Diplomatische Verhandlungen

Auch wenn dies hierzulande bisweilen als „ketzerisch“ angesehen wird: Man muss mit Wladimir Putin verhandeln. Und Diplomatie und Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien finden sogar bereits statt: Es gab einige Treffen zwischen der russischen und ukrainischen Regierung. Dabei könnten Deutschland und die EU der Ukraine auch die Rücknahme westlicher Sanktionen als Verhandlungsmasse gegenüber Russland in die Hand geben.

Gezielte Sanktionen

Wirtschaftssanktionen sehen wir als ein Mittel an, um Druck auf die russische Regierung sowie Profiteur*innen und Unterstützer*innen des Krieges auszuüben; diese müssen aber möglichst gezielt sein. Wir bekommen auch mit, wie die aktuellen Sanktionen die Arbeit russischer Oppositioneller zum Erliegen bringen. Sanktionen dürfen dabei nicht unter dem Vorbehalt eigener wirtschaftlicher Interessen stehen. Wenn der Krieg durch Sanktionen beendet werden soll, darf auf eigene Nachteile keine Rücksicht genommen werden.

Gewaltfreier Widerstand

Wir begrüßen den vielerorts geleisteten gewaltfreien Widerstand in der Ukraine: Wer besetzt ist, ist noch lange nicht besiegt. Und die Möglichkeiten einer „sozialen Verteidigung“ sind angesichts der geringen sprachlichen und kulturellen Barriere zwischen den Angreifern und den Angegriffenen gut.

Dies waren nur einige Beispiele für Alternativen zu den moralisch fragwürdigen Waffenlieferungen. Einige davon werden – auch von uns – schon umgesetzt, andere könnten intensiver verfolgt und weitere überhaupt erst einmal angegangen werden.

Die Aufrüstung der Bundeswehr ist falsch

Doch nicht nur über die Art der Hilfen für die Menschen in der Ukraine wird aktuell gestritten, sondern auch über Änderungen in der deutschen Sicherheitspolitik.

Am 27. Februar 2022 hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ein 100 Milliarden Euro-„Sondervermögen“ für die Bundeswehr angekündigt. Zwei Wochen später hat das Bundeskabinett diesem größten Aufrüstungsprogramm für das deutsche Militär seit dem Zweiten Weltkrieg zugestimmt – durch den Bundestag ist es noch nicht. Das „Sondervermögen“ soll helfen, das 2%-Ziel der NATO zu erreichen – und noch mehr. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), verbreitete dazu im Bundestag und in den Medien die Falschbehauptung, die Bundeswehr sei in den vergangenen Jahrzehnten „kaputtgespart“ worden. Dies ist angesichts einer Erhöhung des Bundeswehretats von 31,9 Milliarden Euro im Jahr 2012 auf 50,3 Milliarden Euro im Jahr 2022 – ein Plus von 58 Prozent – eine glatte Lüge. Dass die Bundeswehr Probleme mit Waffen und anderer Ausrüstung hat, ist schlicht Misswirtschaft. Gerade eine Partei wie die FDP sollte lieber hier ansetzen, als noch mehr Geld in dieses olivgrüne „schwarze Loch“ zu werfen. Doch was soll die Aufrüstung der Bundeswehr sicherheitspolitisch überhaupt bringen?

Aktion gegen Sondervermögen für die Bundeswehr in Berlin
Krieg zwischen Russland und NATO?

Zunächst einmal: Wenn es zu einem Krieg zwischen der NATO und Russland kommen würde, wäre er wohl schnell – spätestens, wenn die erste größere Stadt einer Seite zu fallen droht – atomar. Dann nützen einem auch Panzerverbände, Drohnen und andere konventionelle Waffen wenig. Lässt man dies außer Acht – wie es aktuell viele regierende Politiker*innen machen – muss man sich den aktuellen Zustand der russischen Streitkräfte vergegenwärtigen. Natürlich ist Wladimir Putins Armee bedrohlich und gefährlich – das zeigen die Bilder der Toten und der Zerstörung aus der Ukraine. Zudem verfügt Russland über Atomwaffen. Doch selbst wenn das russische Militär beim Angriff auf die Ukraine bisher nicht all sein konventionelles Arsenal zum Einsatz gebracht hat, so zeigen die gescheiterten Einmarschversuche in Kiew und anderen Teilen des Landes deutlich, wie schwach die russischen Streitkräfte tatsächlich sind. Die Bundeswehr und die mit ihr verbündeten Armeen sollten dagegen schon in ihrem aktuellen Zustand mit einer gewissen – so man dies in einem Krieg sagen kann – „Leichtigkeit“ ankommen.

Abschreckung sinnlos

Ein anderes Argument der Aufrüstungsbefürworter*innen ist „Abschreckung“. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine ist vollkommen inakzeptabel und muss sofort beendet werden. Es muss aber auch klar gesagt werden: Die Ukraine wurde angegriffen, nicht die NATO. Daher zeigt der Krieg nicht, dass die aktuelle Abschreckung unzureichend wäre. Die NATO gibt deutlich mehr für Rüstung aus als Russland. Und ob die NATO-Militärausgaben die Russlands nun 18 Mal (wie es 2021 der Fall war) oder 18,5 Mal (wie es bald der Fall sein könnte) übertreffen, wird Wladimir Putin egal sein. Aber die Symbolik der Aufrüstung der Bundeswehr – und der weiterer Staaten – wird Folgen haben: Russland wird ebenfalls (weiter) aufrüsten. Damit ist letztendlich niemandem geholfen. Und weder der Krieg in der Ukraine, noch die Auseinandersetzung zwischen Russland und den NATO-Staaten ist damit gelöst. Ganz im Gegenteil wird die Aufrüstung zu mehr Konflikten und Kriegen führen. Jeder Euro, Dollar oder Rubel, der ins Militär fließt, fehlt im Kampf gegen Menschheitsprobleme wie die Corona-Pandemie, die Klimakatastrophe oder Armut. Diese werden zu neuen militärischen Auseinandersetzungen führen.

Sicherheitspolitisch bringt die Aufrüstung der Bundeswehr also nichts – sie wird letztendlich nur zu mehr Unsicherheit führen. Sie ist blinder und hirnloser Aktionismus.

Fazit: Warum Pazifismus gerade wichtiger denn je ist

Wenn die Menschheit eine Zukunft haben soll, führt an Pazifismus kein Weg vorbei. Der russische Einmarsch in die Ukraine ist ein Verbrechen. Und dennoch ist „Aufrüstung“ als Reaktion darauf kein Sachzwang. Für Deutschland gäbe es zahlreiche Möglichkeiten, den Menschen in der Ukraine humanitär und gewaltfrei zu helfen.

Wer hingegen Friedensgruppen, wie es zuletzt einige politische Kommentator*innen und regierende Politiker*innen taten, vorwirft, für das Leiden in der Ukraine mitverantwortlich zu sein, verdreht die Tatsachen und verkennt zudem den globalen Charakter der Forderung nach Frieden und Abrüstung – wenn wir bei den Ostermärschen unser Ziel „Militär abschaffen!“ ausrufen, meinen wir damit nicht nur das „eigene“ Militär, sondern auch die chinesische Volksbefreiungsarmee, die Streitkräfte der Russischen Föderation und eben alle! Wir setzen uns schon immer dafür ein, das – sicher noch weit entfernte – Ziel einer Welt ohne Militär und kriegerische Gewalt zu erreichen. Die Sicherheitspolitik der letzten dreißig Jahre – die ganz Europas einschließlich der Russlands und der Ukraine – hat dieses Ziel nicht verfolgt und ist dadurch gescheitert. Die Realpolitik war weiter auf Konfrontation aus. Nun heißt es zu verstehen, was falsch gelaufen ist und daraus zu lernen.

Natürlich hat Russlands Krieg eine pazifistische Welt in weite Ferne gerückt. Das darf uns aber nicht daran hindern, sie weiter als Menschheitsziel anzustreben. Es sind ja gerade diejenigen, die sagen, dass eine pazifistische Welt unerreichbar ist, die durch ihre Aufrüstung, ihre Waffenexporte sowie ihre Kriege eben den Grund dafür liefern, warum wir diesem Ziel seit langem kaum näher kommen. Dies gilt auch für Deutschland: Statt besonnen und rational zu analysieren, macht die Bundesregierung einen sicherheitspolitischen Schnellschuss nach dem anderen und verbaut einer friedlichen Zukunft damit langfristig den Weg. Immerhin: Die Teilnahme als Beobachterin an der ersten Konferenz zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag im Juni 2022 in Wien hat sie noch nicht abgesagt – dafür aber den Kauf neuer F35-Tarnkappenbomber angekündigt, um auch in den nächsten Jahrzehnten die letzten in Deutschland gelagerten US-Atomwaffen abwerfen zu können. Das wird die gegenseitige Bedrohung mit Massenvernichtungswaffen zementieren.

Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Das Töten und das Sterben müssen beendet werden. Militarismus, Bellizismus und Nationalismus müssen Einhalt geboten werden.

Michael Schulze von Glaßer, politischer Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), 22. April 2022 – Mit Dank an die Helfer*innen bei diesem Text

Weiterführende Links

Ostermarsch-Rede zur Ukraine von Jürgen Grässlin vom 22. April 2022 in Ingolstadt Weiterleiten

Erklärung der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung vom 17. April 2022 Weiterleiten

„Wollen wir drittgrößte Militärmacht werden?“ von Thomas C. Schwoerer am 7. April 2022 in der Frankfurter Rundschau Weiterleiten

„Militärische Scheinlösungen haben versagt“ Podcast mit Thomas C. Schwoerer in der SZ am 24. März 2022 Weiterleiten

Kategorie: Aktuelle Kriegsgebiete, Allgemein, Kriege & Konflikte, Pazifismus und Antimilitarismus, Theorie & Praxis, Zivile Konfliktlösung Stichworte: Pazifismus, Russland, Ukraine

07.04.2022

Stimmen aus der Friedensbewegung in der Ukraine und Russland

Als pazifistische Organisation und Teil der War Resisters‘ International, ein globales Netzwerk antimilitaristischer und pazifistischer Gruppierungen, sind wir während des Krieges in der Ukraine in besonderem Maße mit der Friedensbewegung in der Ukraine und Russland vernetzt.

Friedensaktivist*innen in Deutschland stehen in Kontakt mit ukrainischen und russischen Pazifist*innen und Antimilitarist*innen und unterstützen dabei, ihre Einschätzungen und Forderungen rund um den Krieg zu verbreiten.

Überblick

Interview mit den Friedensaktivisten Yurii Sheliazhenko (Ukraine) und Oleg Bodrov (Russland)

Yurii Sheliazhenko, ukrainischer Pazifist, im Interview mit dem US-amerikanischen Format Democracy Now! am 22. März 2022 + deutscher Übersetzung

Friedensdemo zum Krieg in der Ukraine
Friedensdemo zum Ukraine-Krieg
Interview mit den Friedensaktivisten Yurii Sheliazhenko aus der Ukraine und Oleg Bodrov aus Russland vom 5. April 2022 mit dem Geschäftsführer des International Peace Bureau (IPB)

Können Sie sich kurz vorstellen?

Oleg Bodrov: Ich bin Oleg Bodrov, Physiker, Ökologe und Vorsitzender des Öffentlichen Rates des Südufers des Finnischen Meerbusens, St. Petersburg. Umweltschutz, nukleare Sicherheit und die Förderung des Friedens sind die Hauptrichtungen meiner Arbeit in den letzten 40 Jahren gewesen.

Heute fühle ich mich als Teil der Ukraine: meine Frau ist Halb-Ukrainerin, ihr Vater stammt aus Mariupol. Meine Freunde und Kollegen sind Ökologen aus Kiew, Charkiw, Dnipro, Konotop und Lwiw. Ich bin Bergsteiger, bei den Aufstiegen war ich mit Anna P. aus Charkow durch ein Sicherungsseil verbunden. Mein Vater, ein Teilnehmer des Zweiten Weltkriegs, wurde im Januar 1945 verwundet und in einem Krankenhaus in Dnepropetrowsk behandelt.

Yurii Sheliazhenko: Mein Name ist Yurii Sheliazhenko, ich bin Friedensforscher, Pädagoge und Aktivist aus der Ukraine. Meine Fachgebiete sind Konfliktmanagement, rechtliche und politische Theorie und Geschichte. Außerdem bin ich Exekutivsekretär der ukrainischen pazifistischen Bewegung und Mitglied des Vorstands des Europäischen Büros für Kriegsdienstverweigerung (EBCO) sowie von World BEYOND War (WBW).

Können Sie bitte beschreiben, wie Sie die aktuelle Situation sehen?

Bodrov: Die Entscheidung über den Militäreinsatz gegen die Ukraine wurde vom russischen Präsidenten getroffen. Gleichzeitig glaubten die russischen Bürger*innen, nach unabhängigen Medienberichten zu urteilen, dass ein Krieg mit der Ukraine prinzipiell unmöglich sei!

Wie konnte es dazu kommen? In den vergangenen acht Jahren wurde auf allen staatlichen Kanälen des russischen Fernsehens täglich anti-ukrainische Propaganda ausgestrahlt. Es war die Rede von der Schwäche und Unbeliebtheit der ukrainischen Präsidenten, von den Nationalist*innen, die eine Annäherung an Russland blockieren, vom Wunsch der Ukraine, der EU und der NATO beizutreten.

Der russische Präsident betrachtet die Ukraine als ein Gebiet, das historisch gesehen zum Russischen Reich gehört. Der Einmarsch in die Ukraine hat nicht nur Tausende von Menschen das Leben gekostet, sondern auch die globalen negativen Risiken erhöht. Militärische Operationen werden auf dem Gebiet mit Kernkraftwerken durchgeführt. Der versehentliche Einschlag von Granaten in Kernkraftwerke ist gefährlicher als der Einsatz von Atomwaffen.

Sheliazhenko: Der illegale Einmarsch Russlands in die Ukraine ist Teil einer langen Geschichte von Beziehungen und Feindseligkeiten zwischen beiden Nationen, und er ist auch Teil eines langjährigen globalen Konflikts zwischen dem Westen und dem Osten. Um ihn vollständig zu verstehen, sollten wir uns an den Kolonialismus, den Imperialismus, den Kalten Krieg, die „neoliberale“ Hegemonie und den Aufstieg von Möchtegern-„illiberalen“ Hegemonen erinnern.

Was Russland und die Ukraine betrifft, so ist das Entscheidende an diesem obszönen Kampf zwischen einer archaischen imperialistischen Macht und einem archaischen nationalistischen Regime der überholte Charakter beider politischer und militaristischer Kulturen: Beide haben eine Wehrpflicht und ein System der militärisch-patriotischen Erziehung anstelle einer staatsbürgerlichen Bildung.

Deshalb bezeichnen sich die Kriegstreiber*innen auf beiden Seiten gegenseitig als Nazis. Mental leben sie immer noch in der Welt des „Großen Vaterländischen Krieges“ der UdSSR oder der „ukrainischen Befreiungsbewegung“ und glauben, dass sich die Menschen um ihren Oberbefehlshaber*innen scharen sollten, um ihren existenziellen Feind zu vernichten, diese Hitlerianer oder die nicht besseren Stalinisten, in deren Rolle sie erstaunlicherweise ein Nachbarvolk sehen.

Gibt es Besonderheiten in diesem Streit, über die die westliche Öffentlichkeit nicht oder nicht sehr gut informiert ist?

Sheliazhenko: Ja, natürlich. Die ukrainische Diaspora in Amerika hat nach den beiden Weltkriegen erheblich zugenommen. Die USA und andere westliche Geheimdienste rekrutierten während des Kalten Krieges Agent*innen in dieser Diaspora, um nationalistische Gefühle für die Aufstachelung zum Separatismus in der UdSSR zu nutzen, und einige ethnische Ukrainer*innen wurden reich oder machten Karriere in der US-amerikanischen und kanadischen Politik und in der Armee, so dass eine mächtige ukrainische Lobby mit Verbindungen zur Ukraine und interventionistischen Ambitionen entstand. Als die UdSSR fiel und die Ukraine ihre Unabhängigkeit erlangte, beteiligte sich die westliche Diaspora aktiv am Aufbau der Nation. 

Gibt es in Russland Aktivitäten gegen den Krieg und wenn ja, wie sehen diese aus?

Bodrov: In St. Petersburg, Moskau und Dutzenden von russischen Großstädten gab es Antikriegsaktionen. Viele Tausende von Menschen gingen einfach auf die Straße, um ihre Ablehnung zum Ausdruck zu bringen.

In der Mehrzahl sind es junge Menschen. Mehr als 7.500 Student*innen, Mitarbeiter*innen und Absolvent*innen der ältesten russischen Universität Lomonossow in Moskau haben eine Petition gegen den Krieg unterzeichnet. Die Student*innen wollen sich als Teil einer freien demokratischen Welt sehen, die ihnen durch die isolationistische Politik des Präsidenten vorenthalten werden könnte.

Die Behörden behaupten, Russland verfüge über die lebensnotwendigen Ressourcen und Atomwaffen, die es auch im Falle einer Trennung vom Rest der Welt schützen würden. Mehr als 1.220.000 Russ*innen haben die Petition „NEIN ZUM KRIEG“ unterzeichnet.

Einzelne Mahnwachen mit Parolen „GEGEN KERNWAFFEN“ und „GEGEN DEN BLUTIGEN KRIEG“ finden täglich in St. Petersburg und anderen russischen Städten statt.

Gleichzeitig unterstützten Mitarbeiter*innen des nach Kurtschatow benannten Instituts für Atomenergie in Moskau „voll und ganz die Entscheidung des Präsidenten der Russischen Föderation, eine spezielle Militäroperation“ auf dem Gebiet der Ukraine durchzuführen.

Und dies ist nicht das einzige Beispiel für die Unterstützung einer Aggression. Ich und meine Kolleg*innen in der Umwelt- und Friedensbewegung sind überzeugt, dass unsere Zukunft in Russland und der Ukraine zerstört wurde.

Ist Frieden mit Russland derzeit ein Thema in der Ukraine?

Sheliazhenko: Ja, das ist zweifelsohne ein Thema. Präsident Zelenskyy wurde 2019 gewählt, weil er versprochen hatte, den Krieg zu beenden und über den Frieden zu verhandeln, aber er hat diese Versprechen gebrochen und begonnen, die pro-russischen Medien und die Opposition in der Ukraine zu unterdrücken und die gesamte Bevölkerung für den Krieg mit Russland zu mobilisieren.

Gleichzeitig verstärkte die NATO ihre Militärhilfe und ihre Atomübungen. Putin leitete seine eigenen Atomübungen ein und verlangte vom Westen Sicherheitsgarantien, vor allem die Blockfreiheit der Ukraine. Statt solche Garantien zu geben, unterstützte der Westen die Militäroperation der Ukraine im Donbass, wo die Verstöße gegen den Waffenstillstand ihren Höhepunkt erreichten und in den Tagen vor der russischen Invasion fast täglich Zivilist*innen auf beiden Seiten, in den von der Regierung kontrollierten und nicht von der Regierung kontrollierten Gebieten, getötet und verwundet wurden.

Wie groß ist der Widerstand gegen Frieden und gewaltfreie Aktionen in Ihrem Land?

Bodrov: In Russland sind alle unabhängigen demokratischen Medien geschlossen worden und haben ihre Arbeit eingestellt. Auf allen Kanälen des staatlichen Fernsehens wird Kriegspropaganda betrieben. Facebook und Instagram sind blockiert.

Unmittelbar nach Beginn des Krieges wurden neue Gesetze gegen Fälschungen und „gegen die Diskreditierung der russischen Streitkräfte, die eine Sonderoperation in der Ukraine durchführen“ verabschiedet. Als Fälschungen gelten alle öffentlich geäußerten Meinungen, die im Widerspruch zu den offiziellen Medienberichten stehen. Die vorgesehenen Strafen reichen von einer hohen Geldstrafe von mehreren zehntausend Rubel bis hin zu einer Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren.

Der Präsident kündigte einen Kampf gegen „Landesverräter“ an, die die Umsetzung seiner ukrainischen Pläne behindern.

Das Justizministerium der Russischen Föderation weist Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen, die mit Partner*innen aus anderen Ländern zusammenarbeiten, weiterhin den Status eines „ausländischen Agenten“ zu. Die Angst vor Repressionen wird zu einem wichtigen Faktor des Lebens in Russland.

Wie sieht es mit der Demokratie in der Ukraine aus? Gibt es da Parallelen?

Sheliazhenko: Am 24. Februar 2022 begann Putin seine brutale und illegale Offensive, die, wie er sagt, auf die Entnazifizierung und Entmilitarisierung der Ukraine abzielt. Im Ergebnis scheinen sowohl Russland als auch die Ukraine immer stärker militarisiert zu werden und ähneln immer mehr den Nazis, und niemand ist gewillt, dies zu ändern.

Die herrschenden populistischen Autokrat*innen und ihre Teams in beiden Ländern profitieren vom Krieg, ihre Macht wird gestärkt, und es gibt viele Möglichkeiten zur persönlichen Bereicherung.

Die russischen Falken profitieren von der internationalen Isolierung Russlands, da dies eine militärische Mobilisierung bedeutet und alle öffentlichen Ressourcen nun in ihren Händen liegen.

Im Westen hat der militärische Produktionskomplex die Regierung und die Zivilgesellschaft korrumpiert, die Händler des Todes haben von der Militärhilfe für die Ukraine stark profitiert: Thales (Lieferant von Javelin-Raketen an die Ukraine), Raytheon (Lieferant von Stinger-Raketen) und Lockheed Martin (Vertrieb von Kampfjets) haben enorme Gewinn- und Börsenwertsteigerungen erlebt. Und sie wollen noch mehr Profit aus dem Töten und der Zerstörung ziehen.

Was erwarten Sie von den Friedensbewegungen in der Welt und allen friedliebenden Menschen?

Bodrov: Es ist notwendig, dass sich die Teilnehmer*innen der „Bewegung für den Frieden“ mit Umweltschützer*innen, Menschenrechtsaktivist*innen, Antikriegs-, Anti-Atom- und anderen friedliebenden Organisationen zusammenschließen. Konflikte sollten durch Verhandlungen gelöst werden, nicht durch Krieg. FRIEDEN ist gut für uns alle!

Was kann ein Pazifist für den Frieden tun, wenn sein Land angegriffen wird?

Sheliazhenko: Nun, zuallererst sollte ein*e Pazifist*in Pazifist*in bleiben, auf Gewalt weiterhin mit gewaltfreiem Denken und Handeln reagieren. Man sollte alle Anstrengungen unternehmen, um friedliche Lösungen zu suchen und zu unterstützen, sich einer Eskalation zu widersetzen und sich um die Sicherheit anderer und seiner selbst zu kümmern.

Liebe Freund*innen, danke, dass Sie sich um die Situation in der Ukraine kümmern. Lasst uns gemeinsam eine bessere Welt ohne Armeen und Grenzen aufbauen, für den gemeinsamen Frieden und das Glück der Menschheit.

Yurii Sheliazhenko Ukraine
Yurii Sheliazhenko aus der Ukraine
Oleg Bodrov, Pazifist aus Russland
Oleg Bodrov aus Russland

Das Interview wurde am 5. April 2022 online geführt.


Weiterführende Links

Website der War Resisters‘ International Weiterleiten

Website des International Peace Bureau Weiterleiten

Interview von Democracy Now! mit Jurii Sheliazhenko + Übersetzung Weiterleiten

Kategorie: Abrüstung und Konversion, Aktuelle Kriegsgebiete, Allgemein, Anti-Militarisierung, Kein Frieden mit der NATO, Kriege & Konflikte, Kriegsdienstverweigerung, Kriminalisierung von Kriegsgegner*innen, Pazifismus und Antimilitarismus, Stoppt den Waffenhandel, Theorie & Praxis, Waffen & Rüstung, Zivile Konfliktlösung Stichworte: Kriegsdienstverweigerung, Oleg Bodrov, Russland, Ukraine, Yurii Sheliazhenko, ziviler Wiederstand

07.04.2022

Wollen wir die drittgrößte Militärmacht werden?

Mit der Umsetzung der Aufrüstungspläne der Bundesregierung wäre Deutschland zukünftig drittgrößte Militärmacht der Welt. Wollen wir das? Das fragt DFG-VK Bundessprecher Thomas Carl Schwoerer in seinem Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau.

Die Alternativen: Ein Öl- und Gasembargo würde den Ukraine-Krieg schneller beenden als Waffenlieferungen, die ihn vielmehr in die Länge ziehen. Sanktionen sind alternativlos. Ein Aufruf von Frau von der Leyen insbesondere an russische Soldaten zur Desertion wäre ein weiterer Beitrag zur Kriegs-Beendigung.

Thomas C. Schwoerer, Frankfurter Rundschau

Hier geht es zum Beitrag vom 7. April 2022.


Weiterführende Links

SZ-Podcast „Auf den Punkt“ mit Thomas Carl Schwoerer Weiterleiten

Stimmen aus der Friedensbewegung in der Ukraine Weiterleiten

Ostermarsch-Rede von Jürgen Grässlin vom 22. April 2022 in Ingolstadt Weiterleiten

DFG-VK Bundessprecher Thomas C. Schwoerer
Thomas Carl Schwoerer

Kategorie: Abrüstung und Konversion, Aktuelle Kriegsgebiete, Allgemein, Kriege & Konflikte, Pazifismus und Antimilitarismus, Stoppt den Waffenhandel, Theorie & Praxis, Waffen & Rüstung Stichworte: Frankfurter Rundschau, NATO, Russland, Thomas Carl Schwoerer, Ukraine, Waffenlieferungen

23.03.2022

Friedensaktivist Sheliazhenko aus der Ukraine im Interview

Pazifist und Aktivist Yurii Sheliazhenko aus der Ukraine spricht mit Democracy Now! unter anderem über gewaltfreien Widerstand in der Ukraine.

In der ukrainischen Stadt Cherson versammelten sich am Montag (21. März) Hunderte von gewaltfreien Kriegsgegner*innen, um sich gegen die russische Besetzung der Stadt zu wehren und den
erzwungenen Militärdienst abzulehnen. Die russischen Streitkräfte setzten Blendgranaten und Maschinengewehrfeuer ein, um die Menge zu zerstreuen.

In der Zwischenzeit wird US-Präsident Biden diese Woche zu einem NATO-Gipfel nach Brüssel reisen, wo die westlichen Verbündeten über ihre Reaktion beraten wollen, falls Russland Atomwaffen und andere Massenvernichtungswaffen einsetzen sollte.

Beide Seiten des Krieges müssen zusammenkommen
und deeskalieren, sagt der in Kiew lebende ukrainische Friedensaktivist Yurii Sheliazhenko. „Was wir brauchen, ist keine Eskalation des Konflikts mit mehr Waffen, mehr Sanktionen, mehr Hass auf Russland und China, sondern stattdessen umfassende

Unten das original Interview mit Sheliazhenko und Amy Goodman (Democracy Now!) im Video und die deutsche Übersetzung als Text.

Video
Yurii Sheliazhenko Ukraine

Interview in deutscher Übersetzung

Amy Goodman: Hier ist Democracy Now! Ich bin Amy Goodman, zusammen mit Juan González.

Wir beenden die heutige Sendung in Kiew, Ukraine, wo wir mit Yurii Sheliazhenko sprechen werden. Er ist der Exekutivsekretär der ukrainischen pazifistischen Bewegung und Vorstandsmitglied des Europäischen Büros für Kriegsdienstverweigerung. Yurii ist außerdem Mitglied des Vorstands von World BEYOND War und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der KROK-Universität in Kiew, Ukraine.

Er hat die Berichte aus der besetzten südukrainischen Stadt Cherson aufmerksam verfolgt, wo die russischen Streitkräfte Betäubungsgranaten und Maschinengewehrfeuer einsetzten, um eine Menge von Hunderten von Menschen zu zerstreuen, die sich am Montag versammelt hatten, um gegen die
russische Besatzung zu protestieren.

Yurii, willkommen zurück bei Democracy Now! Du bist immer noch in Kiew. Kannst du uns sagen, was jetzt passiert und was du forderst?

Besonders interessiert mich zum Beispiel die fast einhellige Forderung nach einer Flugverbotszone, damit Russland die Städte nicht bombardieren kann, aber der Westen ist zutiefst besorgt, dass die Durchsetzung einer Flugverbotszone, also der Abschuss russischer Flugzeuge, zu einem Atomkrieg führen wird. Wie stehst Du dazu?

Yurii Sheliazhenko: Vielen Dank Amy und Grüße an alle friedliebenden Menschen auf der ganzen Welt.

Natürlich ist eine Flugverbotszone eine militarisierte Antwort auf die aktuelle Krise. Und was wir brauchen, ist keine Eskalation des Konflikts mit mehr Waffen, mehr Sanktionen, mehr Hass auf Russland und China, sondern natürlich stattdessen umfassende Friedensgespräche.

Und wissen Sie, die Vereinigten Staaten sind keine unbeteiligte Partei in diesem Konflikt. Im Gegenteil, dieser Konflikt geht über die Ukraine hinaus. Er hat zwei Seiten: einen Konflikt zwischen dem Westen und dem Osten und einen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine.

Die NATO-Erweiterung ging der gewaltsamen Machtübernahme in Kiew durch – vom Westen geförderte – ukrainische Nationalist*innen im Jahr 2014 und der gewaltsamen Machtübernahme auf der Krim und im Donbass durch russische Nationalist*innen und russische Streitkräfte im selben Jahr voraus. 2014 war also ein Jahr, in dem dieser gewalttätige Konflikt zwischen der Regierung und den Separatisten begann. Und dann, nach schweren Kämpfen, nach Abschluss des Friedensabkommens, der Minsker Vereinbarungen, die von beiden Seiten nicht eingehalten wurden, und wir sehen objektive Berichte der OSZE über Waffenstillstandsverletzungen auf beiden Seiten. Und diese Waffenstillstandsverletzungen sind schon vor der russischen Invasion, dieser illegalen russischen Invasion in die Ukraine, eskaliert.

Und das ganze Problem ist, dass eine friedliche Lösung, die damals vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen international gebilligt wurde, nicht eingehalten wurde. Und jetzt sehen wir nicht Biden, Zelensky, Putin und Xi Jinping an einem Verhandlungstisch sitzen und darüber diskutieren, wie man die Welt zum Besseren verändern, jegliche Hegemonie beseitigen und Harmonie herstellen kann, wir sehen stattdessen diese Politik der Drohungen seitens der Vereinigten Staaten gegenüber Russland, seitens der Vereinigten Staaten gegenüber China, und diese Forderungen der kriegstreiberischen ukrainischen Zivilgesellschaft zur Einrichtung dieser Flugverbotszone.

Übrigens gibt es in der Ukraine einen unglaublichen Hass auf die Russen, und dieser Hass breitet sich in der ganzen Welt aus, nicht nur auf das kriegstreiberische Regime, sondern auch auf das russische Volk. Aber wir sehen, dass russische Menschen, viele von ihnen, gegen diesen Krieg sind. Und wissen Sie, ich möchte allen mutigen Menschen, die sich gewaltlos gegen den Krieg und die Kriegstreiberei wehren, die gegen die russische Besetzung der ukrainischen Stadt Cherson protestiert haben, meine Anerkennung aussprechen – ich bin ihnen dankbar. Und die Armee, die einmarschierende Armee, hat auf sie geschossen. Es ist eine Schande.

In der Ukraine gibt es viele Menschen, die eine gewaltfreie Lebensweise anstreben. Die Zahl der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen in unserem Land, die vor der russischen Invasion einen Ersatzdienst geleistet haben, betrug 1.659. Diese Zahl stammt aus dem Jahresbericht 2021 über Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen, der vom Europäischen Büro für Kriegsdienstverweigerung veröffentlicht wurde. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass Europa im Jahr 2021 für viele Kriegsdienstverweigerer in mehreren Ländern kein sicherer Ort war: in der Ukraine, in Russland, auf der von Russland besetzten Krim und im Donbass, in der Türkei, im türkisch besetzten Nordteil Zyperns, in Aserbaidschan, Armenien, Weißrussland und anderen Ländern. Kriegsdienstverweigerer waren mit Strafverfolgung, Verhaftung, Prozessen vor Militärgerichten, Gefängnisstrafen, Geldstrafen, Einschüchterung, Angriffen, Morddrohungen und Diskriminierung konfrontiert.

In der Ukraine werden Kritik an der Armee und das Eintreten für die Kriegsdienstverweigerung als Hochverrat betrachtet und bestraft. In Russland wurden bei Antikriegskundgebungen Tausende von Menschen verhaftet und mit Geldstrafen belegt.

Ich möchte die Erklärung der Bewegung der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen in Russland aus diesem EBCO-Jahresbericht zitieren: „Was in der Ukraine geschieht, ist ein von Russland entfesselter Krieg. Die Bewegung der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen verurteilt die russische Militäraggression. Und fordert Russland auf, den Krieg zu beenden. Die Bewegung der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen ruft die russischen Soldaten dazu auf, nicht an den Feindseligkeiten teilzunehmen. Werden Sie nicht zu Kriegsverbrechern. Die Bewegung der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen ruft alle Rekruten dazu auf, den Militärdienst zu verweigern, sich für einen zivilen Ersatzdienst zu bewerben oder zu versuchen, aus medizinischen Gründen freigestellt zu werden“, Zitatende. Und natürlich verurteilt die Ukrainische Pazifistische Bewegung auch die militarisierte Reaktion der Ukraine und das Abwürgen der Verhandlungen, die, wie wir jetzt sehen, ein Ergebnis der Verfolgung einer militärische Lösung sind.

Juan González: Jurij, ich wollte dich nur fragen, weil wir nur noch ein paar Minuten haben – du hast bereits über die direkte Beteiligung der USA und der NATO gesprochen. Es wird sehr wenig berichtet, nicht nur über die Waffen, die der Westen an die Ukraine geliefert hat, sondern auch über die Satellitenüberwachungsdaten, die die ukrainische Armee höchstwahrscheinlich vom Westen erhält.

Und ich vermute, dass wir in einigen Jahren erfahren werden, dass die Drohnenangriffe auf die russischen Streitkräfte von amerikanischen Stützpunkten in Orten wie Nevada aus ferngesteuert wurden oder dass sich bereits eine beträchtliche Anzahl von CIA-Agent*innen und Sondereinsatzkräften
in der Ukraine befindet.

Wie Du sagst, es gibt Nationalist*innen auf allen Seiten, in Russland, in den USA und in der Ukraine, die diese Krise gerade jetzt angeheizt haben. Ich frage mich, wie Du den
Widerstand in der ukrainischen Bevölkerung gegen diesen Krieg einschätzt. Wie weit hat er sich ausgebreitet?

Sheliazhenko: Diese Eskalation ist das Ergebnis des Drängens von Rüstungsunternehmen. Wir wissen, dass der amerikanische Verteidigungsminister Lloyd Austin mit Raytheon verbunden ist. Er saß im Vorstand des Unternehmens. Und wir wissen, dass die Aktien von Raytheon an der New Yorker Börse um 6 % gestiegen sind. Und sie liefern Stinger-Raketen an die Ukraine. Der Hersteller von Javelin-Raketen (akustisch nicht vernehmbar], hat ein Wachstum von 38%. Und natürlich haben wir Lockheed Martin. Sie liefern F-35-Kampfjets. Sie haben ein Wachstum von 14%. Und sie profitieren vom Krieg, sie drängen auf Krieg, und sie hoffen sogar, noch mehr vom Blutvergießen zu profitieren, von der Zerstörung, und gleichzeitig irgendwie nicht bis zum Ausmaß eines Atomkriegs zu eskalieren.

Die Menschen sollten die Regierungen drängen, zu verhandeln, statt zu kämpfen. In den Vereinigten Staaten und in Europa gibt es eine Reihe von Aktionen gegen die Kriegstreiberei. Informationen lassen sich finden Website WorldBeyondWar.org unter dem Motto „Russia out of Ukraine, NATO Out of Existence.“ CODEPINK drängt Präsident Biden und den Kongress der Vereinigten Staaten in einer Petition weiter zu Verhandlungen statt Eskalation. Außerdem wird es am 28. April eine globale Mobilisierung unter dem Motto „Stop Lockheed Martin“ geben. Das Bündnis No to NATO hat angekündigt, dass sie im Juni 2022 dafür und gegen den NATO-Gipfel in Madrid demonstrieren werden. In Italien startete Movimento Nonviolento eine Kampagne zur Kriegsdienstverweigerung in Solidarität mit russischen und ukrainischen Kriegsdienstverweigerern, Deserteuren und denen, die sich der Wehrpflicht entziehen. In Europa erklärte die Kampagne Europa für den Frieden, dass europäische gewaltfreie Pazifisten Putin und Zelensky ein Ultimatum stellen: Stoppt den Krieg sofort, oder die Menschen werden Karawanen gewaltfreier Pazifisten aus ganz Europa organisieren, die alle möglichen Mittel nutzen, um unbewaffnet in die Konfliktgebiete zu reisen und sich als Friedenswächter zwischen die Kämpfenden zu platzieren. Was die Proteste in der Ukraine betrifft, so haben wir zum Beispiel diese beschämende –

Goodman: Yurii, wir haben nur noch fünf Sekunden.

Sheliazhenko: Ja, ich möchte sagen, dass eine Petition mit dem Titel „Erlaubt Männern zwischen 18 und 60 Jahren ohne militärische Erfahrung, die Ukraine zu verlassen“ auf OpenPetition.eu 59.000 Unterschriften gesammelt hat.

Goodman: Yurii, wir müssen es dabei belassen, aber ich danke Dir sehr, dass du bei uns gewesen bist. Yurii Sheliazhenko, Exekutivsekretär der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung.


Weiterführende Links

Democracy Now! vom 22. März 2022 auf YouTube Weiterleiten

Website von World Beyond War Weiterleiten

Webiste von CODEPINK Weiterleiten

Website von Movimento Nonviolento Weiterleiten

Kategorie: Aktuelle Kriegsgebiete, Allgemein, Anti-Militarisierung, Drohnenkriege, Kein Frieden mit der NATO, Kriege & Konflikte, Kriegsdienstverweigerung, Militärstützpunkte, Pazifismus und Antimilitarismus, Theorie & Praxis, Waffen & Rüstung Stichworte: Democracy Now!, Ukraine, Yurii Scheljaschenko

06.01.2022

Verurteilung von Friedensaktivistin bestätigt

Das Landgericht Koblenz verwarf heute die Berufung der Kölner Journalistin Ariane Dettloff (78 J.), die 2019 gemeinsam mit sechzehn weiteren Friedensaktivist*innen auf dem Atomwaffenstationierungsgelände der Bundeswehr in Büchel (Eifel) den Übungsbetrieb mit US-Atombomben unterbrochen hatte.

Anhörung von Sachverständigem abgelehnt

Richterin Klein lehnte es ab, den Informatiker Prof. Dr. Karl Hans Bläsius, einen Fachmann für Künstliche Intelligenz und Frühwarnsysteme, als sachverständigen Zeugen anzuhören. In vorangegangenen Prozessen anderer Friedensaktivist*innen wurde die Anhörung von Bläsius gleichfalls als irrelevant abgelehnt.

Mit zivilem Ungehorsam für Menschenrechte

Ihren Zivilen Ungehorsam („Hausfriedensbruch“) in Büchel am 30.4.2019 begründete Dettloff mit völkerrechtlichen, menschenrechtlichen und verfassungsrechtlichen Argumenten. Atomwaffen sind als Massenvernichtungswaffen gemäß einem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs aus 1996 verboten.

Deutsche Soldat*innen dürfen gemäß dem Atomwaffensperrvertrag (NPT), den Deutschland unterzeichnet hat, nicht über Atomwaffen verfügen. Die Bundesregierung muss das grundgesetzlich verbürgte Menschenrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit achten.

Berufung abgelehnt

Der Anwalt der Beklagten Christian Mertens plädierte auf Freispruch und erklärte: „Für Deutschland ist das Völkerrecht bindend.“ Er verwies darauf, dass die USA in ihrer Atomkriegsstrategie „Nuclear Posture Review“ einen Erstschlag mit Atomwaffen vorsehen. „Das ist illegal“, so Mertens.

Der Staatsanwalt entgegnete: „Jeder wünscht sich eine Welt ohne Atomwaffen. Straftaten sind jedoch nicht hinnehmbar.“ Die Justiz dürfe nicht politisiert werden.

Richterin Klein verwarf die Berufung und bestätigte das Urteil des Amtsgerichts über 40 Tagessätze, ersatzweise Haft. Dettloff zeigte sich enttäuscht, dass der erhoffte „Mutanfall“ des Gerichts und die Weiterentwicklung der deutschen Justiz ausblieb.


Eine Pressemitteilung von der DFG-VK Gruppe Köln vom 06.01.2022

Kontakt

Ariane Dettloff
DFG-VK Mitglied

0176/53766189
ariane.dettloff@contraste.org

Kategorie: Allgemein, Pressemitteilung Stichworte: Atomwaffen, Büchel, Landgericht Koblenz, Ziviler Ungehorsam

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