Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat gegen sechs Angeschuldigte Anklage zum Landgericht – Große Wirtschaftsstrafkammer – Stuttgart wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontroll- und Außenwirt-schaftsgesetz erhoben. Die Straftat zur Anzeige gebracht hatte u.a. DFG-VK-Bundessprecher Jürgen Grässlin.
Wie die Staatsanwaltschaft am am 05.11.2015 in einer Pressemitteilung mitteilte, werde den Angeschuldigten vorgeworfen, in den Jahren 2006 bis 2009 in unterschiedlichen Funktionen an 16 Lieferungen von Gewehren und Zubehörteilen nach Mexiko beteiligt gewesen zu sein. Die Gewehre und Zubehörteile sollen mit Kenntnis der Angeschuldigten in mexikanischen Bundesstaaten abgegeben worden sein, „die nicht von den deutschen Exportgenehmigungen umfasst waren“, so die Staatsanwaltschaft in einer Mitteilung.
DFG-VK-Bundessprecher Jürgen Grässlin bezeichnete die Anklageerhebung in einer ersten Stellungnahme als „höchst erfreulichen Erfolg für die Kampagne Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!„, die auch von der DFG-VK mitgetragen wird. Grässlin legt außerdem Beschwerde dagegen ein, dass die Ermittlungen der StA Stuttgart gegen Beteiligte im Bundesausfuhramt und Bundeswirtschaftsministerium unterlassen wurden.
Jürgen Grässlin weiter:
„1. Der Export von mindestens 10.000 G36-Sturmgewehren und weiteren Kleinwaffen nach Mexiko sowie die folgende widerrechtliche Verbringung von rund 5000 Sturmgewehren in mexikanische Unruheprovinzen ist einer der folgenschwersten illegalen Waffendeals in der deutschen Rüstungsexportgeschichte.
2. Die Anklageerhebung seitens der Staatsanwaltschaft Stuttgart (StA) nach meiner Strafanzeige vom 19. April 2010 kommt um Jahre zu spät. Dessen ungeachtet ist die Anklage gegen sechs Beschuldigte von Heckler & Koch – unter ihnen zwei ehemalige H&K-Geschäftsführer – ein höchst erfreulicher Erfolg für die Kampagne ‚Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!‘
3. Die Verantwortungskette für den widerrechtlichen Waffentransfer abertausender Sturmgewehre betrifft nicht einzig sechs Beschuldigte. Massiv zu kritisieren ist deshalb Einstellungsverfügung seitens der StA Stuttgart gegen weitere in den Exportskandal involvierte Mitarbeiter bei Heckler & Koch.
4. Die Filme von Daniel Harrich („Meister des Todes“ und „Tödliche Exporte“ vom ARD-Themenabend am 23.09.2015 und Wiederholungen) erzeugten mit mittlerweile mehr als fünf Millionen Zuschauern den notwendigen Druck, der jetzt zur Anklageerhebung geführt hat.
5. In unserem aktuell erschienenen Enthüllungsbuch „Netzwerk des Todes“ (Heyne-Verlag) dokumentieren wir umfassend die enge Verwicklung des Bundesausfuhramts (BAFA) und des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) in diesen widerrechtlichen Waffenhandel. Die verantwortlichen Mitarbeiter der Rüstungsexportkontrollbehörden sind von der deutschen Justiz gleichsam dafür zur Rechenschaft zu ziehen.
6. Ich frage mich, welche Kräfte im Hintergrund gewirkt haben, dass die StA Stuttgart nach der Strafanzeigenerweiterung durch meinen Rechtsanwalt Holger Rothbauer 2012 und trotz absolut klarer Informationslage keine Ermittlungen gegen die Verantwortlichen bei der BAFA und beim BMWi aufgenommen hat. Dies stellt ein schweres Versäumnis der Stuttgarter StA dar, weshalb ich über Rechtsanwalt Holger Rothbauer Beschwerde einlegen werde.
7. Das nunmehr folgende Gerichtsverfahren gegen sechs Mitarbeiter von H&K – unter ihnen zwei damalige H&K-Geschäftsführer – ist ein bedeutender Schritt in Richtung Gerechtigkeit für die zahlreichen Angehörigen der Opfer des Einsatzes der in Mexiko eingesetzten G36-Sturmgewehre.
Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Stuttgart
Weitere Informationen zum Sachverhalt auch im Beitrag Netzwerk des Todes in der ZiviCourage 4-2015
Bericht zum Mexiko-Waffenhandel in der Süddeutschen Zeitung vom 05.11.2015