Nach der wiederholten Strafverfolgung gegen bundeswehrkritische Adbustings, bei der Armee-Werbung satirisch verändert wurde, fordert die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) ein Ende der Kriminalisierung der Aktionen.
DFG-VK Bundessprecher Markus Hornberger hat nun Anzeige gegen das Landeskriminalamt (LKA) Berlin gestellt. Der Jurist erklärt dazu: „Dass der Berliner Staatsschutz satirische Aktionen juristisch völlig unhaltbar als Störpropaganda gegen die Bundeswehr verfolgt, ist Verfolgung Unschuldiger. Wir fordern ein Ende der Kriminalisierung antimilitaristischer Kommunikationsguerilla!“
Die Gruppe „Außenwerbung kunstvoll kapern (akk)“ hatte im Mai 2021 Werbeposter der Deutschen Marine verändert und hing sie rund um das Verteidigungsministerium in Berlin in Werbevitrinen. Statt Rekrut*innen anzuwerben, informierten die Poster nun mit den Slogans „Rumballern statt Retten“ und „Volle Kraft voraus in den Klimawandel“ kritisch über das, was die Marine macht. Im Zuge dieser Aktion wurden auch 5.000 Satire-Schreiben verteilt, die Bilder der Adbustings und der „Kriegsministerin Annegret Kramp-‚Knarrenbauer‘“ zeigten. Zusätzlich zum „n“ im Namen der Ministerin ergänzte die Gruppe auch das Logo des Ministeriums um ein Sturmgewehr.
Das echte Verteidigungsministerium reagierte fast humorvoll auf die Kommunikationsguerilla: „Bei den Postwurfsendungen handelt es sich um eine Kunstaktion, welche man offensichtlich dem Formenkreis der Satire zuordnen kann“ sagte ein:e Pressesprecher:in dem „Tagesspiegel“. Das LKA sah das anders. Der Vorgang wurde „wegen des Verdachts der Störpropaganda gegen die Bundeswehr vom zuständigen Dezernat des Polizeilichen Staatsschutzes beim Landeskriminalamt, zur strafrechtlichen Würdigung an die Staatsanwaltschaft Berlin gesandt“, hieß es in der Zeitung.
Das löst bei Hornberger Kopfschütteln aus: „Auch für juristische Laien ist ersichtlich, dass der Straftatbestand nicht erfüllt wurde. Schon ein Anfangsverdacht für eine strafrechtliche Ermittlung ist offensichtlich nicht gegeben, da eine solche Plakat- und Flyeraktion nicht in der Lage ist, die Bundeswehr bei der Landesverteidigung zu stören, wie es der § 109d als Tatbestandsmerkmal fordert”, erklärt der DFG-VK Bundessprecher. Er vermutet hinter der Aktion des LKA ein anderes Motiv: „Politische Gründe spielen bei dieser Strafverfolgung von antimilitaristischer Kommunikationsguerilla eindeutig die Hauptrolle”.
In den vergangenen Jahren ließ das LKA bereits Hausdurchsuchungen und DNA-Analysen wegen der satirischen Veränderung von Armee-Werbung durchführen. Die Begründung in den Akten: Adbusting mache die Bundeswehr „gar lächerlich“. Außerdem meldeten die Berliner Behörden 2018/19 mindestens vier Adbusting-Aktionen an das „Gemeinsames Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum“ (GETZ). Aktuell steht das LKA Berlin in der Kritik, weil es wegen einer Klingelstreichaktion und einer Landkarte mit kolonialen Denkmälern Hausdurchsuchungen bei Mitgliedern des „Peng“-Kollektivs durchführte. In der Behörde selbst gab es bereits mehrere Fälle interner Nazi-Chatgruppen, was auf eine extrem rechte Gesinnung einiger Mitarbeiter:innen des LKAs Berlin schließen lässt und das übertriebene Vorgehen gegen linke Gruppen erklären könnte.
Ob Adbustings überhaupt strafbar sein könnten, ist indes juristisch hoch umstritten. Aktuelle Urteile gibt es nicht. Die Staatsanwaltschaft Berlin beschloss bereits 2020, dass das Hineinhängen eigener Poster in Werbevitrinen nicht strafbar sei, wenn dabei nichts beschädigt oder gestohlen werde. Von Staatsanwaltschaften aus Hamburg, Erfurt und Stuttgart gibt es ähnliche Entscheidungen. „Unbequemes Adbusting ist grundrechtlich geschützt“ schreibt der Rechtswissenschaftler der Universität Bremen, Prof. Dr. Fischer-Lescano in einem Gutachten: „Es wird Zeit, dass die deutschen Sicherheitsbehörden diesen Grundsatz auch dann beherzigen, wenn es um Adbusting geht, das sich kritisch mit ihren Praxen und Imagekampagnen auseinandersetzt“ (siehe hier).
Die DFG-VK wurde 1892 u.a. vom Alfred Hermann Fried und Bertha von Suttner gegründet und setzt sich gegen Krieg und Militär und für Frieden und Abrüstung ein. Mit ihrem „Carl von Ossietzky-Solidaritätsfonds“ unterstützt sie von Repression betroffene Antimilitarist*innen und Pazifist*innen finanziell. So konnte auch bereits Aktivist:innen geholfen werden, die wegen veränderter Bundeswehrwerbung oder einem Prostest gegen ein Gelöbnis vor Gericht standen.
Für Interviews oder bei Nachfragen nehmen Sie bitte jederzeit Kontakt auf:
Markus Hornberger: hornberger@dfg-vk.de
Michael Schulze von Glaßer (pol. Geschäftsführer der DFG-VK): svg@dfg-vk.de
Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen, Stuttgart 14. September 2021