Von Jürgen Grässlin
1. Persönliche Vorbemerkung: drei Jahrzehnte der Recherche
Seit nunmehr drei Jahrzehnten recherchiere ich harte Fakten zum Themenbereich Waffenhandel. Beim RüstungsInformationsBüro (RIB e.V.) werten wir hierzu die nationale wie internationale militärische Fachpresse aus. Zudem treffe ich mich mit Beschäftigten der Unternehmen oder diskutiere mit Repräsentanten der Rüstungsindustrie, des Militärs und der Politik.
Im Mittelpunkt meiner Recherchen stehen die entscheidenden Fragen: Wer erforscht, entwickelt und produziert Kriegswaffen, Rüstungsgüter, wie z.B. Militärfahrzeuge, oder zivil wie militärisch nutzbare Dual-Use-Güter? Wer genehmigt aus welchem Grund Waffentransfers an kriegführende und menschenrechtsverletzende Staaten, selbst an Diktaturen? Auf welchen Wegen werden deutsche Waffen legal wie illegal in diese Länder transferiert? Und: Was passiert, wenn ?Kleinwaffen?, wie Pistolen, Maschinenpistolen, Sturm- oder Maschinengewehre, in den Krisen- und Kriegsgebieten ankommen?
Von Anfang an hatte ich die Betroffenen des Einsatzes aus Deutschland gelieferter oder in deutscher Lizenz nachgebauter Kriegswaffen ? allen voran des europaweit führenden Pistolen- und Gewehrfabrikanten Heckler & Koch (H&K) ? im Blick. Bei zahlreichen Recherchereisen nach Südafrika, Kenia, Somalia und in die Türkei standen und stehen seit Ende der Neunzigerjahre die Opfer der deutschen Rüstungsproduktions- und -exportpolitik im Fokus meiner Recherchen.
In den besagten Staaten traf bzw. treffe ich Menschen, die ? je nach gesammelter Erfahrung und erlittenem Schicksal ? mehr oder minder präzise beschreiben können, mit welchen Waffen ihnen oder anderen Leid angetan worden ist. Bei diesen Zusammenkünften habe ich mit mehr als 220 Opfern des Einsatzes aus Deutschland gelieferter oder in deutscher Lizenz im Ausland nachgebauter G3-Gewehre des in Oberndorf am Neckar ansässigen Kleinwaffenproduzenten Heckler & Koch intensiv Gespräche geführt. Ausnahmslos alle von mir interviewten bzw. exemplarisch erstmals in dem Buch Versteck dich, wenn sie schießen biografierten Menschen sind angesichts der erlebten Kriegsgeschehnisse traumatisiert.(1)