(Editorial) Die Ausgabe 2/2011 der „Standpunkte“ der Hessischen Stiftung Friedens- und Konliktforschung (HSFK) sparten nicht mit Kritik an der deutschen Bundesregierung. Anlaß war die Enthaltung bei der Abstimmung über die Resolution 1973 des UN-Sicherheitsrates, mit der das militärische Eingreifen zunächst Frankreichs, Großbritanniens und der USA, später der NATO, mandatiert wurde. „Ein Desaster. Deutschland und der Fall Libyen. Wie sich Deutschland moralisch und außenpolitisch in die Isolation manövrierte“ war das – fast möchte man sagen „Pamphlet“ – überschrieben. In diesem schrieb der geschäftsführende Vorstand der HSFK, der Politikwissenschaftler Harald Müller (Uni Frankfurt) u.a.: „man muss intervenieren, wenn man soll, darf, und kann… In diesem Falle [Libyen] sollte, durfte und konnte man. Also musste man auch.“ Und: „Wenn es je eine von den Vereinten Nationen man datierte humanitäre Intervention gab, die Legalität und Legitimität besaß, dann ist es diese.“
Wen auch immer der anerkannte „Friedensforscher“ mit „man“ meinte – seine Regierung vermutlich, für die er sich nach eigenen Angaben „sehr geschämt“ hat – ist mittlerweile ofensichtlich, dass die NATO weder „kann“ noch hätte „sollen“. Dass dies auch Harald Müller bereits zum Zeitpunkt seiner „Analyse“ aus der Tagespresse hätte erkennen können, belegt der Beitrag Lühr Henkens eindrücklich, der aus eben diesen Quellen rekonstruiert, wie Libyen in den Bürgerkrieg und die öffentliche Debatte in pure Kriegshetze abglitt.
Waffenhandel
SPD nickte Saudi- Waffenexporte ab
Von René Heilig
Gespielte Empörung über unlautere G36-Sturmgewehr-Lizenz-Vergabe von Heckler&Koch
Wenn die politische Klasse sich zum Urlaub verabschiedet, dann nimmt sie zumeist auch einige unbequeme Themen mit, um sie im Sommerloch zu versenken. So ist das auch mit dem Thema deutsche Waffenexporte nach Saudi-Arabien.
Kaum war der Aufbau einer »Mauer« durch EADS und die Ausbildung der saudi-arabischen Grenzwächter durch die Bundespolizei bekannt geworden, da »flüsterten« Insider, dass deutsche Rüstungsfirmen 200 deutsche Leopard A2A7-Panzer nach Saudi-Arabien liefern wollen und dazu die Zustimmung der Bundesregierung vorliege. Bei entsprechenden Vergleichstests hat sich der Tank, der für den Kampf in urbanem Gelände optimiert wurde, hervorgetan. Es gab im Bundestag eine erhitzte Debatte über den Deal, denn die komplette Opposition meinte zu Recht, das Fürstenregime in Riad könne keineswegs die Gewähr dafür bieten, dass die Tanks nicht zur Aufstandsbekämpfung in Saudi-Arabien oder in benachbarten Ländern eingesetzt werden.
So rasch die Debatte aufgekommen ist, so rasch versiegte sie. Lediglich ein paar Vertreter der Linksfraktion und der Grünen bekunden weiteres Interesse. Christian Ströbele trug Ende Juli ein Organstreitverfahren zu den Verfassungsrichtern nach Karlsruhe, dem sich zwei weitere Grüne angeschlossen haben. Sie fordern, dass die Bundesregierung zumindest ihrem Auskunftsrecht gegenüber Abgeordneten nachkommt.
Rüstungsexporte müssen weltweit gestoppt werden
Rüstungskonzerne profitieren von leeren Munitionslagern durch Krieg in Libyen
Zur aktuellen Veröffentlichung der US-amerikanischen Rüstungsexporte durch die Defense Security Cooperation Agency (DSCA) erklärt Uwe Hiksch, Mitglied im Bundesvorstand der NaturFreunde Deutschlands: „Es ist eine der zynischen Folgen des Krieges in Libyen, dass die USA in diesem Jahr eine Steigerung ihrer Rüstungsexporte um fast 50 Prozent auf mehr als 46 Milliarden Dollar erreichen werden. 2010 lagen diese noch bei 32,1 Milliarden Dollar.“
Alle US-amerikanischen Rüstungsexporte müssen durch die DSCA genehmigt werden, die direkt dem Pentagon untersteht und jetzt aktuelle Zahlen veröffentlichte. Dabei gab DSCA-Chef Wiliam Landy offen zu, dass diese Steigerungen vor allem auf das Bedürfnis der an der Bombardierung Libyens beteiligten Staaten zurückzuführen seien, ihre Munitionslager wieder aufzufüllen. Um eine schnellere Lieferung von solchen Rüstungsgütern zu ermöglichen, setzt sich die DSCA dafür ein, das US-amerikanische Genehmigungsverfahren von Rüstungsexporten zu beschleunigen.
Aufruf zum 2. Aktionstag der Kampagne TATORT Kurdistan am 1. September 2011
Rüstungsexporte weltweit stoppen
Die Kampagne TATORT Kurdistan möchte mit ihrem 2. bundesweiten Aktionstag ein Zeichen gegen Rüstungsexporte und die damit einhergehenden Menschenrechtsverletzungen setzen. Die weltweit führenden Rüstungskonzerne konnten laut Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) ihren Umsatz 2009 um weitere 8% auf 296 Mrd Euro steigern. In den vergangenen fünf Jahren haben deutsche Firmen ihre Rüstungsexporte fast verdoppelt, die Türkei ist dabei mit 15,2 % weiterhin der wichtigster Abnehmer für die BRD. Deutsche Konzerne profitieren vom Boom im Rüstungsbereich: Rheinmetall, Krauss-Maffei Wegmann (KMW), ThyssenKrupp, Diehl, MTU oder Heckler & Koch.
Die Bundesregierung schreckt nicht davor zurück, Waffenexporte an Staaten zu genehmigen, in denen interne Gewaltkonflikte herrschen und Menschenrechte systematisch durch die Staatspolitik verletzt werden. Die Türkei ist dabei nur ein Beispiel von vielen.
Beim Aktionstag soll dargestellt werden, wie und wo deutsche Waffen bei der Verletzung von Menschenrechten, bei Kriegsverbrechen und bei der Zerstörung von Landschaften in Kurdistan eingesetzt werden. Dabei ist zu erwähnen, dass die Zahl der politischen Inhaftierten in Kurdistan und der Türkei seit Ende der 90er Jahre ihren höchsten Stand erreicht hat, dass Ende 2010 der Einsatz von chemischen Waffen durch das türkische Militär gegen kurdische Guerillas auch in den deutschen Medien und im Bundestag thematisiert wurde und dass das systematische Abbrennen von Wälder in Kurdistan weiter zunimmt.
Kriegsprofiteur EADS
Von Jürgen Grässlin
http://www.wri-irg.org/publications/war_profiteers
in War Profiteers‘ News
, June 2011, No. 29
Bei kaum einem rüstungsproduzierenden Unternehmen klaffen Anspruch und Wirklichkeit weiter auseinander als bei EADS. Während die Konzernführung in der Richtlinie »Integrität & Transparenz» ethische Verantwortung zur Grundlage ihres Handelns erklärt, werden selbst Diktatoren und Scheindemokraten hochgerüstet. Zu einem folgenschweren Beispiel einer rein profitorientierten Geschäftspolitik zählen die Rüstungstransfers an Libyen, wo beim Krieg zwischen dem diktatorischen Regime Gaddafi und der westlich dominierten »Allianz der Willigen« auf beiden Seiten EADS-Waffen zum Einsatz kommen. Krieg ist gut fürs Geschäft – bei EADS werden die neuen Bilanzzahlen gefeiert.
Die European Aeronautic Defence and Space Company N.V. (EADS) mit Verwaltungssitz im niederländischen Leiden wurde am 10. Juli 2000 gegründet und avancierte seitdem zum führenden Luft- und Raumfahrtkonzern und zum zweitgrößten Rüstungskonzern in Europa. Die deutsche Daimler AG als größter Einzelanteilseigner sowie ein Zusammenschluss aus der französischen Staatsholdung SOGEADE, der Waffenschmiede Lagardère und dem französischen Staat, halten je 22,46% der Anteile. Weiterer Großaktionär ist mit 5,47% die spanische Staatsholdung SEPI.
Die Händler des Todes: Die wichtigsten deutschen Rüstungsfirmen
Von Stephan Möhrle
https://zivilcourage.dfg-vk.de
für ZivilCourage 2/2011
Deutsche Waffenproduzenten rüsten hemmungslos Staaten in aller Welt mit Waffen und Rüstungsgütern aus, selbst wenn dort Konflikte gewaltsam ausgetragen oder Menschenrechte massiv verletzt werden. Als Händler des Todes profitieren sie von den derzeit mehr als 30 kriegerischen Auseinandersetzungen. Aus Imagegründen haben sich viele rüstungsproduzierende und -exportierende Unternehmen so genannte „Ethic Codes“ gegeben, de facto aber spielen Moral und Ethik beim weltweiten Waffenhandel keine Rolle.
Die Kampagne „Aktion Aufschrei: Stoppt den Waffenhandel!“ organisiert und unterstützt gewaltfreie Aktionen vor rüstungsproduzierenden und -exportierenden Unternehmen. Sie ruft zur Unterstützung rüstungskritischer Aktionärsverbände auf und beteiligt sich in den Hauptversammlungen mit Gegenanträgen und Redebeiträgen und kreativen Aktionsformen.
Hier wird mit Diehl, EADS, Heckler & Koch, Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall eine erste Auswahl von Unternehmen präsentiert, die besonders im Blickpunkt stehen.