von Jürgen Grässlin
Weltweit toben aktuell mehr als 30 Kriege. Selektiv finden diese martialischen Auseinandersetzungen Niederschlag in unseren Medien. Zurzeit sind dies die kriegerischen Konflikte im Irak, in Syrien, in der Ukraine und – fast schon vergessen und verdrängt – in Afghanistan.
Schön wäre, wenn wir wenigstens bilanzieren könnten, dass wir Deutschen ? nach den Erfahrungen zweier maßgeblich mit verursachter Weltkriege – an den Kriegen und Bürgerkriegen des 21. Jahrhunderts unbeteiligt wären. Wir sind es nicht. Wieder und wieder entsendet die jeweilige Bundesregierung Kampfeinheiten der Bundeswehr. Allein der Kriegseinsatz dauerte länger als der Erste und Zweite Weltkrieg zusammen.
Tödlicher noch als Auslandseinsätze deutscher Soldaten am Hindukusch sind die Waffentransfers, für die die Bundesregierung gemäß Artikel 26 (2) des Grundgesetzes verantwortlich zeichnet. Infolge der hemmungslosen Genehmigungspolitik tauchen in Deutschland gefertigte oder in deutscher Lizenz im jeweiligen Land nachgebaute Waffen in nahezu allen Kriegen der Neuzeit auf ? vielfach beiderseits der Frontlinie. Dabei werden ganz legal – also mit Genehmigung des Bundes ? sowohl kriegführende als auch menschenrechtsverletzende Staaten, darunter Diktaturen, mit deutschen Kriegswaffen und Rüstungsgütern hochgerüstet und deren Regime an der Macht stabilisiert.
Waffenindustrie
Petition: Keine Waffen nach Nahost!
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat eine restriktivere Rüstungsexportpolitik versprochen. Dennoch genehmigt er weiterhin Waffenexporte in Krisenregionen. Mehrere Friedensorganisationen – darunter IPPNW und pax christi haben zum Internationalen Tag der Solidarität mit dem palästinensischen Volk eine Online-Petition zum Waffenhandel mit allen Ländern des Nahen Ostens gestartet. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, den Handel mit Waffen, Rüstungsgütern und „Dual-Use“-Produkten mit allen Ländern des Nahen Ostens einzustellen, die am israelisch-palästinensischen Konflikt direkt beteiligt sind. Dies gelte auch für Rüstungslieferungen, die für die Empfänger unentgeltlich sind oder anders kompensiert werden. Ebenso müsse die Zusammenarbeit mit den Streitkräften dieser Staaten beendet werden, etwa zum Zweck der Ausbildung im Häuser- und Tunnel-Kampf.
Die Forderung bezieht sich auf die Staaten Israel, Ägypten, Libanon, Syrien, Jordanien sowie auf Palästina. Der Bundestag und die in ihm vertretenen Parteien sollen alle politischen und rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, die Bundesregierung und den Bundessicherheitsrat zu einer Umsetzung dieses Beschlusses zu bewegen.
Leere Versprechungen: Rüstungsexportbericht 2014/1 ist ein Offenbarungseid! Fast zwei Drittel aller Kriegswaffenexporte an Drittländer: Die Ausnahme wird zum rechtlich verbotenen Regelfall!
Presseerklärung der Sprecher der Kampagne Aktion Aufschrei Stoppt den Waffenhandel!
Der Rüstungsexportbericht der schwarz-roten Bundesregierung für das erste Halbjahr 2014 stellt einen Offenbarungseid ohnegleichen dar?, kritisiert Jürgen Grässlin, Sprecher der Kampagne ?Aktion Aufschrei ? Stoppt den Waffenhandel!? und der Deutschen Friedensgesellschaft ? Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK). ?Denn der Anteil der Rüstungsexporte in die besonders bedenklichen ?Drittländer? ? darunter zahlreiche menschenrechtsverletzende Staaten, vielfach Diktaturen wurde von 50 auf 63,5 Prozent und damit auf ein erneutes Rekordhoch gesteigert.
Nachdrücklich verweist der Kampagnensprecher darauf, dass Rüstungsexporte in Drittländer, die nicht Mitglied der NATO oder NATO-assoziiert sind, aus rechtlicher Sicht allenfalls in begründeten Ausnahmefällen erlaubt sind. ?Die CDU/CSU-SPD-geführte Bundesregierung aber macht den Ausnahme- zum Regelfall und bricht damit deutsches Recht?, so Grässlins Vorwurf.
Antimilitaristische Fahrraddemo und Kundgebung gegen Kriegskonferenz
Vom 20. bis zum 22. Oktober 2014 findet in Berlin-Mitte im dbb Forum die zweite ?International Urban Operations Conference? statt. Die Kriegskonferenz wird von der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik, einer Lobbyorganisation der deutschen Rüstungsindustrie organisiert. Dort treffen sich Vertreter*innen von Rüstungsunternehmen, der Bundeswehr und von Forschungsinstituten. Die Kriegskonferenz in Berlin ist ein Ort an dem urbane Kriegsstrategien präsentiert werden und ein Austausch von Wirtschaft, Forschung und Militär stattfindet. Wir wollen am 20. Oktober zusammen gegen Krieg und Militarisierung protestieren und die Kriegsprofiteur*innen benennen und markieren. Vom Potsdamer Platz aus werden wir durch die Berliner Mitte radeln und unterschiedlichen Orten der Kriegsvorbereitung einen Besuch abstatten. Dazu gehört auch der Tagungsort der Kriegskonferenz, das dbb Forum. Zum Abschluss wollen wir vor das Hotel Maritim proArte ziehen, in dem die Kriegsstrateg*innen am Abend ihre Eröffnungsveranstaltung abhalten.
[Weiterlesen…] Infos zum Plugin Antimilitaristische Fahrraddemo und Kundgebung gegen KriegskonferenzWaffenlieferungen in den Irak be- und verhindern!
Aufruf zur Rücknahme der Entscheidung und zur aktiven Behinderung der politisch verfehlten und völkerrechtswidrigen Kriegswaffenlieferungen in den Irak
Allein die Bundeskanzlerin und vier Minister von CDU/CSU sowie SPD haben in interner Runde Ende August 2014 entschieden,
– 16.000 G3- und G36-Sturmgewehre mit 6.000.000 Schuss Munition,
– 40 MG3-Maschinengewehre mit 1.000.000 Schuss Munition,
– 8000 P1-Pistolen mit 1.000.000 Schuss Munition,
– 30 Panzerabwehrwaffen MILAN mit 500 Lenkflugkörpern,
– 200 Panzerfäuste-3 mit 2500 Patronen,
– 40 Schwere Panzerfäuste mit 1000 Patronen,
– 100 Signalpistolen mit 4000 Patronen sowie
– 10.000 Handgranaten
in das Bürgerkriegsland Irak auszuliefern.
Die Kriegswaffen stammen aus Beständen der Bundeswehr.
Nicht involviert in diese Entscheidung waren die Bundesregierung und der Bundessicherheitsrat.
Am 01. September 2014 hat der Deutsche Bundestag in seiner Sondersitzung mit den Stimmen der Regierungskoalition von CDU/CSU und SPD diesem Beschluss nachträglich ? gegen die Stimmen der Opposition von Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE ? zugestimmt. Der Bundestagsbeschluss hat rein symbolischen Charakter.
Keine Kriegswaffen in den Irak liefern – sofort humanitär helfen, politisch umsteuern
Warum der Beschluss zur Lieferung deutscher Kriegswaffen in den Irak fundamental falsch ist – und was stattdessen getan werden muss
Warum der Beschluss zur Lieferung deutscher Kriegswaffen in den Irak fundamental falsch ist ? und was stattdessen getan werden muss
?Der Beschluss, ein Kontingent Waffen zu liefern, fällt offenbar leichter als der Beschluss, ein Kontingent Flüchtlinge aufzunehmen.?
Heribert Prantl
?Falsch, falscher, am falschesten? Süddeutsche Zeitung vom 21.8.2014
https://www.dfg-vk.de/thematisches/waffenhandel/2014/973
Aufruf zur be- und Verhinderung der Kriegswaffenlieferung in den Irak vom 10.09.2014
https://www.dfg-vk.de/dateien/argumentationshilfe_keine-waffenlieferung_-_web.pdf
Aktualisierten Argumentationshilfe ?Keine Kriegswaffen in den Irak liefern sofort humanitär helfen, politisch umsteuern? vom 08.09.2014 zum Ausdrucken
Die Entscheidung der Bundesregierung vom 20. August 2014 und die Stellungnahme von Bundeskanzlerin Angela Merkel vom 24. August 2014, kurdische Kämpfer im Norden des Iraks mit deutschen Kriegswaffen hochzurüsten, setzt die Jahrzehnte währende Tradition deutscher Kriegswaffenlieferungen in Krisen- und Kriegsgebiete ungehemmt fort. Neu ist, dass ein nichtstaatlicher Akteur in einem Krieg beliefert wird.