Seit dem Frühjahr 2011 tobt in Syrien ein erbitterter Bürgerkrieg, in dem Aufständische gegen die Truppen des syrischen Machthabers Baschar al-Assad kämpfen. Laut den Vereinten Nationen fielen dem Krieg bereits über 100.000 Menschen zum Opfer. Millionen Menschen sind auf der Flucht. Das Land ist zunehmend zerstört und ein Ende der Auseinandersetzung scheint trotz des jüngsten Übereinkommens zur Zerstörung der syrischen Chemiewaffen in weiter Ferne.
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NAHOST/1230: Al Kaida in Syrien bringt NATO in Erklärungsnot (SB)
Al Kaida in Syrien bringt NATO in Erklärungsnot
„Freunde Syriens“ denken angeblich über eine friedliche Lösung nach
Das Bekenntnis der Al-Nusra-Front zur Al Kaida bringt die westlichen Unterstützer des Aufstandes gegen das „Regime“ Baschar Al Assads in Syrien in peinliche Erklärungsnot. Die politische und militärische Führung der NATO sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, in Syrien jenen „internationalen Terrorismus“ selbst zu fördern, den man in Afghanistan, Irak, Somalia, Mali, im Jemen und anderswo zu bekämpfen behauptet. Die syrische Regierung hat bereits bei den Vereinten Nationen beantragt, daß die Jabhat Al Nusra auf deren „Terrorliste“ gesetzt und mit entsprechenden Sanktionen belegt wird. Dies würde die Finanzierung und Aufrüstung der Gruppe zur Straftat und damit erheblich schwieriger machen. Folglich setzt sich die NATO gegen den Vorstoß aus Damaskus zur Wehr. Über die neue Entwicklung soll der UN-Sicherheitsrat erst einmal diskutieren. Am 12. April erklärte Philippe Laillot, Sprecher des Verteidigungsministeriums in Paris, die UN-Vetomacht Frankreich werde den Versuch des Assad-„Regimes“, „alle syrischen Oppositionellen als Terroristen zu brandmarken, verhindern“.
IMI-Standpunkt 2012/021: Bürgerkriegspatenschaft?
Adopt a Revolution muss zur Gewaltfrage Farbe bekennen
von: Christoph Marischka und Jürgen Wagner /
http://www.imi-online.de/2012/04/05/burgerkriegspatenschaft/
Veröffentlicht am: 5. April 2012 auf www.IMI-online.de
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Vorbemerkung: Die Aktiven der Informationsstelle Militarisierung waren in den letzten Monaten immer wieder mit besorgten Anfragen bezüglich des Projektes “Adopt a Revolution (AaR)” konfrontiert. Da auch wir die Befürchtung teilen, dass durch das Projekt – wenn auch in bester Absicht – zumindest indirekt der Übergang von einer Aufstandsbewegung zum Bürgerkrieg befördert werden könnte, haben wir dieser Sorge im untenstehenden Text Ausdruck verliehen und ihn am 23. März als Entwurf an “Adopt a Revolution” sowie an die Organisationen, die die Kampagne unterstützen, geschickt. Dies war verbunden mit dem Angebot, unseren Text zusammen mit einer Stellungnahme zu veröffentlichen (Text und Stellungnahme finden sich unten). Der dadurch ausgelöste Diskussionsprozess erwies sich als schwierig und inmitten dessen wurde seitens des AaR-Beirats und des Projekts am 30. März eine Stellungnahme “Zur Frage so genannter humanitärer Interventionen” veröffentlicht, in der einige der von uns kritisierten Aspekte adressiert werden (unsere Kritik hatten wir bis dahin, um eine solidarische Debatte zu ermöglichen, nicht veröffentlicht). In der Stellungnahe von AaR heißt es u.a.: „Eine militärisch-humanitäre Option von außen zum Schutz der betroffenen Bevölkerung, wie sie jetzt verstärkt in den Medien und von manchen PolitikerInnen von arabischer, türkischer oder westlicher Seite ins öffentliche Spiel gebracht wird, lehnen wir dennoch aus guten Gründen ab.“[1]
Diese Klarstellung ist erfreulich! Allerdings bestehen zwischen dem Vorstand der IMI und dem Projekt AaR (möglicherweise auch innerhalb des Projektes) ganz offensichtlich weiterhin an verschiedenen Punkten grundlegend andere Einschätzungen ob der Problematik und Wirkung von AaR. Dies betrifft u.a. die Haltung zur Bewaffnung von Teilen der Opposition und die Verwendung des Begriffs des „Zivilen“, wie aus unserer Kritik an der Kampagne und der im Anschluss abgedruckten Antwort ersichtlich wird.
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Bürgerkriegspatenschaft? Adopt a Revolution muss zur Gewaltfrage Farbe bekennen
von Christoph Marischka und Jürgen Wagner
Ende 2011 wurde die Kampagne „Adopt a Revolution“ auf den Weg gebracht, die nach Eigenangaben über „Revolutionspatenschaften“ vor allem Geld sammeln will, um die gewaltfreien Teile der syrischen Opposition zu unterstützen. Darüber hinaus geht man davon aus, dass die „Stärkung friedlicher politischer AktivistInnen eine militärische Eskalation unwahrscheinlicher macht.“[2] Die Kampagne findet in der Öffentlichkeit breite Beachtung: „Ob ZDF, taz oder SPIEGEL zahlreiche Medien berichten über die Initiative Adopt a Revolution.“[3] Unterstützt wird die Kampagne u.a. von medico international, der Bewegungsstiftung, dem Netzwerk Friedenskooperative und dem Komitee für Grundrechte und Demokratie, also von Gruppen, die sich stets durch ein positives Engagement für Frieden und Gerechtigkeit ausgezeichnet haben. Mit diesem Rubrum geht Adopt a Revolution auch offensiv hausieren, in der Pressemitteilung zum Kampagnenstart heißt es etwa: „Das Projekt wird von namhaften Nicht-Regierungsorganisationen wie Medico International und breiten Teilen der Friedensbewegung unterstützt.“[4]
Auch wenn dies ganz sicher nicht die Intention der benannten Gruppen darstellt, mittlerweile hat die Kampagne eine derartige Schieflage bekommen, dass sie auch zu einer Plattform für Akteure und Gruppen geworden ist, die einer militärischen Eskalation das Wort reden. Dies ist für „breite Teile der Friedensbewegung“ inakzeptabel. Es ist deshalb zwingend, dass solchen Positionen nicht weiter über die Kampagne ein zivilgesellschaftlich-friedensbewegter Deckmantel umgehängt wird. Noch einmal: Dies ist sicher nicht die Absicht der angesprochenen Gruppen, sie sollten nun aber dieser Entwicklung entgegentreten. Ansonsten setzt man sich der berechtigten Kritik aus, dass die Kampagne nicht Geld für Revolutions-, sondern für Bürgerkriegspatenschaften sammelt.
Intransparenz in Sachen ausländischer Militärintervention
Um es klar zu sagen: Es ist nur allzu verständlich und richtig, wenn Menschen in Syrien (und anderswo) gegen undemokratische und ungerechte Zustände in ihrem Land auf die Straße gehen; ebenso versteht es sich von selbst, dass die gewaltsame Unterdrückung solcher Proteste zu kritisieren ist und den progressiven Teilen solcher Bewegungen unsere Solidarität gehört. Doch wie genau eine solche Solidarität aussehen muss, welche Form sie annehmen soll und darf, ist eine schwierige Frage.
An der Art, wie Adopt a Revolution dies tut, wurde jedenfalls schon frühzeitig Kritik geübt. So wurde zu bedenken gegeben, dass die Kampagne eine extrem einseitige Sichtweise über die Verhältnisse im Land transportiert und ihre Fokussierung auf einen anti-westlichen Akteur, während in vielen pro-westlichen Ländern Aktivisten ebenfalls unterdrückt würden, Fragen aufwerfe.[5] Hierüber – und im Übrigen auch über den extrem unglücklichen paternalistischen Namen der Kampagne – ließe sich sicher trefflich streiten. Manche innerhalb der Friedens- und Antikriegsbewegung mögen mit solchen Widersprüchen leben können und vielleicht sollte man das auch – eine vernünftige Diskussion darüber wäre jedenfalls sicherlich angebracht, steht jedoch aus. Allerdings reichen die Probleme der Kampagne inzwischen deutlich weiter.
Offizieller Kampagnenbeginn war der 4. Januar 2012, an dem das Projekt auf einer Pressekonferenz vorgestellt wurde. Von den damals auf dem Podium sitzenden vier Vertretern der Kampagne haben sich inzwischen drei für eine westliche Militärintervention und/oder die Bewaffnung der Opposition ausgesprochen. So forderte Amer Al Neser, dessen Funktion als Sprecher des Aktivisten-Netzwerkes Syrian Revolution General Comission (SRGC) angegeben wird, auf der besagten Pressekonferenz: “Zum Schutz syrischer Menschenrechtsaktivisten braucht es dringend eine Flugverbotszone im Land – und schlagkräftigere Sanktionen gegen das Unrechtsregime.“[6]
Besonders problematisch sind insbesondere die Forderungen von Hosan Ibrahim und Ferhad Ahma, die beide Mitglieder im Beirat von Adopt a Revolution sind. Zum Beirat heißt es auf der Kampagnenhomepage: „Der Beirat von Adopt a Revolution berät das Projekt bei der politischen Ausrichtung und in der Umsetzung.“[7] Damit erschöpft sich diese Beiratsfunktion jedoch nicht, denn einige der Beiratsmitglieder werden in Deutschland munter in den Medien herumgereicht, teils eben auch in ihrer Funktion als Beiräte und quasi-Sprecher der Kampagne. Sowohl Hosan Ibrahim als auch Ferhad Ahma sind darüber hinaus auch Mitglieder des Syrischen Nationalrats (Syrian National Council, SNC), der ein (großer) Teil des Problems und nicht der Lösung ist. De facto agieren beide als dessen Deutschland-Sprecher. Dabei wird in den Medien oft nicht klargestellt, ob sie gerade Aussagen im Namen von Adopt a Revolution oder des SNC machen. Die Berichte sind häufig so geschrieben, als würden Hosan Ibrahim und Ferhad Ahma in ihrer Doppelfunktion sprechen, zumindest aus den medial verfügbaren Berichten wird nicht deutlich, ob sie Anstrengungen unternehmen, dies zu berichtigen.
Diese muntere Vermischung zweier sehr unterschiedlicher Funktionen setzte bereits ganz am Anfang der Kampagne ein. So nutzte Ferhad Ahma die Pressekonferenz zur Vorstellung von Adopt a Revolution als Plattform, um die Positionen des Syrischen Nationalrats in Deutschland unter die Leute zu bringen – versehen mit dem zivilgesellschaftlichen Deckmantel der Kampagne: „Der Nationalrat setze sich für die Schaffung einer Flugverbots- und Sicherheitszone an der Grenze zur Türkei ein, sagte Ahma. Ziel sei, dass sich Abtrünnige der offiziellen Streitkräfte dort sicher aufhalten könnten. Um diese Zone durchzusetzen, müsse es mindestens mit einer Gewaltandrohung versehen werden.“[8]
Innerhalb der Friedens- und Antikriegsbewegung (und nicht nur dort) ist es weitgehend unumstritten, dass die Durchsetzung einer Flugverbotszone eine kriegerische Handlung darstellt und damit als militärische Intervention abzulehnen ist. Anscheinend ist man sich innerhalb der Kampagne vollkommen uneinig, was die diesbezügliche Position anbelangt. So erteilte Elias Perabo, einer der Initiatoren der Kampagne, im Namen von Adopt a Revolution einer „Libyen-Option“, die als offensichtliches Vorbild für eine Flugverbotszone in Syrien dient, eine klare Absage. „Ja, wir und die Netzwerke lehnen eine ausländische militärische Intervention wie in Libyen ab.“[9] Wie sich seine Aussage mit den oben zitierten Forderungen in Einklang bringen lässt, bleibt ein Geheimnis, das wohl nur die Betreiber der Kampagne kennen. Und hier liegt auch das Hauptproblem, weil diese offenkundigen Differenzen nicht transparent gemacht werden.
Ähnlich gestaltet es sich mit einer Klarstellung von Christine Schweitzer, die ebenfalls im Beirat von Adopt a Revolution sitzt, zur Position der deutschen Unterstützerorganisationen der Kampagne: „Die sich der deutschen Friedensbewegung zurechnenden UnterstützerInnen von Adopt a Revolution lehnen ein internationales militärisches Eingreifen gleich welcher Form, auch als Flugverbotszone, ab, weil wir fürchten, dass dies viel mehr Opfer kosten würde als ein Verzicht auf solche militärischen Mittel. Wir können und werden diese Position unseren syrischen PartnerInnen nicht aufzwingen, legen sie aber offen.“[10]
Das Problem: „Offengelegt“ wurde diese Haltung auf der Internetseite des Netzwerk Friedenskooperative, auf der Homepage von Adopt a Revolution, wo ansonsten jeder kleinste Medienbericht dokumentiert wird, ist davon nichts zu finden. Durch dieses „Versäumnis“ entsteht eine untragbare Situation, nämlich dass Menschen im Namen einer Kampagne, die nach Eigenangaben von „breiten Teilen der Friedensbewegung“ getragen wird, Flugverbotszonen fordern.
Eskalation durch Militarisierung der Opposition
Elias Perabo räumt zur Frage, „ob es einen bewaffneten Arm des Widerstands geben soll“ ein, man sei diesbezüglich innerhalb der syrischen Kooperationspartner „unterschiedlicher Meinung.“[11] Doch gerade zu den Forderungen nach einer Bewaffnung von Oppositionsgruppen muss die Kampagne endlich eindeutig Farbe bekennen. Hierbei handelt es sich um keine Nebensächlichkeit, die stillschweigend ignoriert werden könnte. Durch eine Militarisierung und Aufrüstung der Oppositionsbewegung werden gewaltfreie Gruppen marginalisiert, der Konflikt weiter angeheizt, Verhandlungen erschwert und generell die Gefahr, dass sich der Bürgerkrieg noch über viele Jahre hinziehen wird, massiv erhöht.[12]
In der Adopt-Pressemitteilung zum Start der Kampagne wird Ferhad Ahma noch folgendermaßen zitiert: „Wir wollen keine weitere militärische Eskalation in Syrien, sondern eine Fortsetzung des friedlichen Protests. Ein Bürgerkrieg würde tausende Menschenleben mehr kosten, als die aktuellen friedlichen Proteste. Um das zu verhindern ist es dringend notwendig, die lokalen Komitees zu unterstützen.“[13] Inhaltlich hat er hier natürlich recht, leider trägt er zu einer solchen Eskalation bei, indem er für die Bewaffnung der Opposition wirbt: “Wenn in den nächsten Tagen keine Anzeichen für einen politischen Prozess zur Machtübergabe kommen, wird der Nationalrat die Rebellen selbst bewaffnen. Die Massaker der letzten Tage lassen uns keine andere Wahl. Wir haben ein Jahr lang gewartet.”[14] Man beachte die Wortwahl: Ahma spricht hier von „uns“ im Zusammenhang mit dem Syrischen Nationalrat und bestätigt damit, dass er sich offensichtlich als das deutsche Sprachrohr der Organisation versteht.
Dies ist umso problematischer, da mit der groß angelegten Lieferung von Waffen an die Opposition bereits begonnen wurde und der Syrische Nationalrat offensichtlich sich in der Verantwortung sieht, diese breit über das Land zu verstreuen. So titelte die FAZ: „Nationalrat will sich an Spitze der bewaffneten Opposition setzen.“ Erreicht werden solle dies folgendermaßen: „Der syrische Nationalrat hat ein Militärbüro gegründet, um Kontrolle über die bewaffnete Opposition zu erlangen.“[15]
Plattform für den militärischen Aufstand
Hozan Ibrahim, Adopt-Beirat und Mitglied im Syrischen Nationalrat, fordert die Bundesregierung dazu auf, den Nationalrat als “legitime Vertretung des syrischen Volkes” anzuerkennen.[16] Die Sache hat nur einen Haken: Große Teile der syrischen Opposition fühlen sich von ihm nicht vertreten. Dies liegt vor allem an der Forderung nach auswärtiger militärischer Unterstützung. Für Hosan Ibrahim ist klar: “Die politischen Mittel sind ausgeschöpft. Wir haben uns mehr vom Westen erwartet.” [17] Auch Ferhad Ahma gibt an: „Man kann angesichts eines Regimes, das alle Vorschläge ablehnt, nicht auf eine friedliche oder politische Lösung setzen.“ Er geht davon aus, durch eine Bewaffnung der Freien Syrischen Armee könne die „Zivilbevölkerung zumindest punktuell geschützt werden.“[18]
In seinen offiziellen Stellungnahmen fordert der Syrische Nationalrat ganz offen eine Flugverbotszone und sogar eine Militärintervention. So hieß es Mitte März 2012 in einer SNC- Erklärung: „Wir fordern ein militärisches Eingreifen der arabischen Staaten und der internationalen Staatengemeinschaft.“[19] Bassam Ishak, Mitglied im Syrischen Nationalrat, begründete die Forderung nach einer westlichen Bewaffnung der „Freien Syrischen Armee“ im selben Bericht mit den Worten: „Wir haben keine andere Wahl mehr, als uns mit Waffengewalt zu wehren.“[20]
Nachvollziehbar ist deshalb, dass sich viele Syrer vom Syrischen Nationalrat ganz und gar nicht vertreten fühlen. Stellvertretend sei hier Louay Hussein zitiert: „Seine Art [die des Nationalrats], mit dem Konflikt hier in Syrien umzugehen, ist für uns als Oppositionelle in Syrien unakzeptabel. Sie wollen die Lösung der ganzen Sache in fremde Hände legen. Sie wenden sich an die internationale Gemeinschaft, den Sicherheitsrat, die Großmächte. Wir wollen eine Lösung hier, in Syrien erreichen. Die Mehrheit der politischen Aktivisten in unserem Land ist nicht einverstanden mit der Richtung, die der Syrische Nationalrat eingeschlagen hat. Die Frage, wie wir das Regime überwinden können, ist schwer genug zu lösen. Durch die Bildung des Syrischen Nationalrates ist das noch komplizierter geworden.“[21]
Wie fatal die vom Syrischen Nationalrat betriebene Bewaffnung der Freien Syrischen Armee ist, zeigt sich etwa darin, dass sich die Berichte über schwere Menschenrechtsverletzungen seitens der bewaffneten Oppositionsgruppen häufen. Hierauf und auf die üble Rolle des SNC in diesem Zusammenhang wies unter anderem Human Rights Watch hin: „In einem offenen Brief wirft Human Rights Watch dem Syrischen Nationalrat (SNC) und anderen Aktivisten vor, gegen Entführungen, Inhaftierungen und Folter von Sicherheitskräften und Regimetreuen Milizen nicht genug zu tun. Einige Angriffe der Freien Syrischen Armee (FSA) seien offenbar auch religiös motiviert und richteten sich gegen die schiitische oder alawitische Minderheit, der auch Assad angehört. Es habe zudem Berichte über Hinrichtungen gegeben.“[22] Solche Informationen, die ein etwas differenzierteres Bild des Konfliktes ergeben, werden auf der Internetseite von Adopt a Revolutionen jedoch nicht abgebildet. So etwas sollte sich jedoch von selbst verstehen, so schreibt selbst der Spiegel: „Der Human Rights Watch Bericht stellt einen schweren Rückschlag für die Aufständischen in Syrien dar, denn er stellt die Autorität der Abgeordneten des Syrischen Nationalrats in Frage und scheint Aussagen des Assad-Regimes Glaubwürdigkeit zu verleihen, wonach es sich bei den Rebellen um wild gewordene Freischärler handelt.“[23]
Hieraus wird klar, in welchem Maß sich die Kampagne mittlerweile verrannt hat: Wenn selbst dem Spiegel Zweifel an der Rolle des SNC aufkommen, sollten Organisationen, die sich der Friedensbewegung zurechnen, ebenfalls darüber nachdenken, ob sie daran beteiligt sein wollen, Personen, die sich offensichtlich als Sprachrohre dieser Gruppe sehen, weiter eine Plattform bieten zu wollen.
Fazit
Es wäre ein erster Schritt, wenigstens die Differenzen zwischen einigen Adopt-Beiräten und den beteiligten deutschen Organisationen auf der Internetseite der Kampagne an prominenter Stelle klar auszuweisen. Eigentlich genügt dies angesichts der Rolle, die vor allem Ferhad Ahma spielt, aber nicht. Die richtige Schlussfolgerung wäre es, alle Personen, die einer militärischen Eskalation das Wort reden – in Form von Rufen nach einer ausländischen Militärintervention und/oder einer Bewaffnung der Opposition – nahezulegen, den Beirat zu verlassen. Falls dies aus für Außenstehende nicht ersichtlichen Gründen nicht möglich sein sollte, wäre es wünschenswert, wenn die Unterstützung der Kampagne beendet würde.
Nicht absehbar ist bereits jetzt, ob und wie stark die stark simplifizierende und emotionalisierende Kampagne, die stärker auf moderne Kommunikationsstrategien als auf die Vermittlung von Inhalten setzt, bereits zur Eskalation und damit zur Marginalisierung der gewaltfreien Opposition beigetragen hat. Das Problem, die Deutungshoheit über die Vorgänge in Syrien im Exil lebenden Oppositionellen und interessierten Dritten zu überlassen, hat sie jedenfalls nicht behoben, sondern eher verschlimmert.
Anmerkungen:
[1] Zur Frage so genannter humanitärer Interventionen, Stellungnahme des Beirats von Adopt a Revolution, Stellungnahme des Projekts, 30.03.2012:
[2] Die Idee von Adopt a Revolution:
[3] Adopt a Revolution: Pressespiegel:
[4] Kampagne zur aktiven Unterstützung der syrischen Demokratiebewegung erfolgreich gestartet, Adtop a Revolution, Pressemitteilung vom 4. Januar 2012:
[5] Vgl. zu diesen Kritikpunkten etwa Guilliard, Joachim: »Revolutionspatenschaften« für Syrien
Fragwürdige Solidarität unterstützt einseitige Meinungsmache, junge Welt, 17.01.2012; Wagner, Thomas: Die Scharfmacher. Syrische Exilpolitiker drängen auf „humanitäre Intervention“, Hintergrund.Online, 10.02.2012.
[6] “Der Konflikt droht zu eskalieren”, taz, 04.01.2012:
[7] Zu den weiteren Aufgaben des Beirats heißt es: „Die zentralen Aufgaben des Beirats sind: Festlegung der Förderrichtlinien; Auswahl der Netzwerke, mit denen Adopt a Revolution zusammenarbeitet; Beratende Begleitung des Projekts; Beratung zur rechtmäßigen Mittelverwendung und der finanziellen Transfers ins Ausland; Beratende Diskussion der politischen Situation in Syrien und Deutschland.“ Adopt a Revolution: Der Beirat:
[8] Proteste in Syrien: Syrische Opposition wirbt um deutsche Unterstützung, Focus Online, 04.01.2012:
[9] „Der Maßstab ist nicht Pazifismus“, Jungle World, 23.02.2012:
[10] Schweitzer, Christine: Syrien zwischen Bürgerkrieg und gewaltfreiem Aufstand, Netzwerk Friedenskooperative, 06.02.2012:
[11] „Der Maßstab ist nicht Pazifismus“, Jungle World, 23.02.2012.
[12] Vgl. ausführlich Wagner, Jürgen: Syrien: Die Militarisierung der Proteste und die strategische Unvernunft der Gewalt, IMI-Studie 2012/07.
[13] Kampagne zur aktiven Unterstützung der syrischen Demokratiebewegung erfolgreich gestartet, Adtop a Revolution, Pressemitteilung vom 4. Januar 2012.
[14] Syrische Opposition gibt Kofi Annan letzte Chance, Financial Times Deutschland Online, 13.03.2012:
[15] Nationalrat will sich an Spitze der bewaffneten Opposition setzen, FAZ Online, 01.03.2012:
[16] Schließung der syrischen Botschaft gefordert, taz online, 11.02.2012:
[17] Syrische Opposition gibt Kofi Annan letzte Chance, Financial Times Deutschland Online, 13.03.2012.
[18] “Die Syrer wollen den demokratischen Wandel“, Deutsche Welle, 16.03.2012:
[19] Syriens Opposition bettelt um Militärintervention, Welt Online, 13.03.2012:
[20] Ebd.
[21] »Syrien ist zum Schlachtfeld der Großmächte geworden«, junge Welt, 11.02.2012. In einer Analyse der Stiftung Wissenschaft und Politik heißt es hierzu: „Der syrische Nationalrat […] genießt nur zum Teil die Unterstützung der syrischen Bevölkerung. Als größtes Hindernis für ein gemeinsames Vorgehen verschiedener Oppositionsbündnisse erweist sich dabei die Haltung zur Frage ausländischer Intervention, die von vielen Syrern kategorisch abgelehnt wird. Aus dieser Kontroverse ergeben sich grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten über das aktuelle Vorgehen.“ Siehe Asseburg, Muriel/Wimmen, Heiko: Der gewaltsame Machtkampf in Syrien. Szenarien und Einwirkungsmöglichkeiten der internationalen Gemeinschaft, SWP-Aktuell 12, Februar 2012, S. 4.
[22] Die unbequeme Wahrheit. Der syrische Widerstand foltert und mordet, Hintergrund Online, 22.03.2012:
[23]
Es folgt nun die Antwort auf die im vorigen Text formulierte Kritik:
http://www.imi-online.de/2012/04/05/burgerkriegspatenschaft/
(ebenso am 05. April 2012 veröffentlicht auf www.imi-online.de)
An
Christoph Marischka und Jürgen Wagner
IMI
Betrifft: Eure Schreiben zu Adopt a Revolution an „die Trägerorganisationen“ vom 23. März 2012 und an die deutschen Beiratsmitglieder und Unterstützerorganisationen vom 30.März
Hamburg, 4. April 2012
Lieber Jürgen, lieber Christoph,
Die VertreterInnen der deutschen Unterstützerorganisationen, Mitglieder des Beirats und Vertreter von Adopt a Revolution haben sich zweimal über Euren Text unterhalten. Ich bin gebeten worden, eine Antwort an Euch zu formulieren.
Generell schätzen wir, dass Euer Papier uns vorher zur Stellungnahme zugegangen ist, und dass Ihr in der zweiten Version des Papieres ein paar faktische Irrtümer zur Struktur der Initiative bereinigt habt. Wir wundern uns aber weiterhin, warum Ihr Adopt a Revolution (AaR) nicht direkt in den Austausch einbezogen habt. Wir hatten versucht, in unserer Antwort auf die erste Fassung des Briefes – die sich untenstehend findet – Eure Kritikpunkte anzusprechen, aber Eure neue Textversion geht leider auf diese Punkte weiterhin nicht ein, so dass jetzt doch nur die Dokumentation von Stellungnahme und Gegenstellungnahme bleibt.
1.Was Ihr ansprecht, ist eine Dilemma-Situation, die eigentlich wir alle sehr spüren und mit der wir auch nicht glücklich sind. Aus dem ursprünglich rein zivilen Widerstand ist inzwischen ein „Mix“ von gewaltlosen und gewaltsamen Widerstandsformen geworden, und die überwiegende Mehrheit der Opposition unterstützt das Vorhandensein der Freien Syrischen Armee (FSA). Sogar das ein Motto einer Freitagsdemonstration vor einigen Wochen lautete: „Bewaffnet die FSA“. Es ist ein Problem, zivilen Widerstand zu unterstützen, wenn die Partner sich nicht zu bewaffnetem Widerstand abgrenzen, ja die Bewaffnung fordern. (Nicht ihre eigene – es geht in Syrien nicht um eine Volksbewaffnung, sondern die FSA wird als ‚alternative Armee‘ gesehen.)
Nachdem Anfang des Jahres einige Staaten bereit waren, zudem auch über direktere Formen einer Militärintervention (Flugverbotszone, „humanitärer Korridor“) nachzudenken, sieht es im Moment so aus, als ob diese Intervention nicht mit eigenen Truppen (die berüchtigte Kategorie der „Berater“, wie man sie in so vielen Kriegen findet, mal ausgenommen) stattfinden, sondern das Töten und Sterben den Syrern allein überlassen werden soll. Die Bekanntmachungen und Beschlüsse der Istanbuler Konferenz Ende März, die auch eine Waffenhilfe durch die Golfstaaten in Höhe von 100 Millionen Euro in den nächsten drei Monaten beinhalten, haben die Weichen jetzt wohl endgültig in Richtung eines umfassenden Bürgerkrieges gestellt, sofern der Friedensplan von Kofi Annan nicht doch noch erfolgreich ist. Wie groß die Chancen dafür sind, ist schwer zu sagen, auch wenn die Tatsache, dass er von Russland unterstützt wird, etwas Grund zu Hoffnung gibt.
Ein solches Dilemma wird man, wenn man sich im internationalen Kontext engagiert, immer wieder erleben. (Man denke nur an die Frage der Unterstützung von bewaffneten Befreiungsbewegungen in den 70er und 80er Jahren.) Wie positioniere ich mich, wenn in einem anderen Land Menschen für Gerechtigkeit aufstehen, sie aber entweder geschlossen oder zu einem Teil den Weg eines bewaffneten Kampfes wählen? (Nur eine Anmerkung am Rande: Viele Linke, die heute die syrische Opposition kritisieren, standen damals auf der anderen Seite, als für Waffen für El Salvador gesammelt wurde oder bewaffnete Freiwilligenbrigaden in Nicaragua Erntehilfe leisteten. )
Adopt a Revolution hat sich zu einem Zeitpunkt, als die FSA noch kaum eine Rolle spielte, für den Weg entschieden, den zivilen Widerstand zu unterstützen. Solange es diesen zivilen Widerstand weiterhin gibt, sehe ich keinen Grund, mit der Unterstützung des Projektes aufzuhören. Diesen zivilen Widerstand gibt es weiterhin. Jeden Freitag gehen viele Tausende auf die Straße; im Großraum Damaskus finden bis zu 20 Proteste jeden Tag statt. Wenn in der deutschen Öffentlichkeit der Eindruck besteht, als ob in Syrien inzwischen überall gekämpft würde, so ist das falsch. Leider erfährt man das nur, wenn man sich die Websites und Facebook-Einträge aus Syrien selbst ansieht, denn die internationalen Medien ignorieren ihn weitgehend. Auch Al Jazeera ist da keine Ausnahme mehr – vielleicht kein Wunder, wenn man bedenkt, dass Al Jazeera von denselben Golfstaaten unterstützt wird, die jetzt 100 Millionen Euro für die Aufrüstung der Freien Syrischen Armee zugesagt haben. Über enge Kontakte zu den unterstützten Komitees tut AaR sein Bestes, sicherzustellen, dass die (sehr bescheidenen) Fördermittel zweckentsprechend eingesetzt werden. Viel mehr als das Geld selbst aber ist, glaube ich, für die Syrerinnen und Syrer die symbolische Wirkung der Unterstützung von Bedeutung, nämlich das Gefühl, nicht allein gelassen zu werden. Dies ist für mich ein ganz entscheidender Aspekt: Je mehr Beachtung und Unterstützung der zivile Widerstand findet, desto größer sind die Chancen, dass es nicht zu einem flächengreifenden Bürgerkrieg in dem Land kommt. Ziviler Widerstand hat, wie Ihr ja auch anerkennt, ein sehr großes Wirkungspotential, m.E. ein größeres, als viele Menschen in Syrien derzeit glauben mögen.
2.Ohne Euch unterstellen zu wollen, dass Ihr diese Position voll teilt, so scheint mir Eure Stellungnahme doch in die Kategorie jener Kritik bestimmter linker Kreise zu passen, deren Grundproblem bei der Unterstützung des syrischen Protestes eigentlich nicht die Gewalt ist, sondern etwas ganz anderes: Nämlich dass der syrische Widerstand sich gegen ein Regime richtet, dass als eines der wenigen in der Region nicht die US / westliche neoimperialistische Politik unterstützt. Die Formulierung „So wurde zu bedenken gegeben, dass die Kampagne eine extrem einseitige Sichtweise über die Verhältnisse im Land transportiert und ihre Fokussierung auf einen anti-westlichen Akteur, während in vielen pro-westlichen Ländern Aktivisten ebenfalls unterdrückt würden, Fragen aufwerfe“, erweckt den Eindruck, dass die Situation schon nicht so schlimm sei und wenn man schon jemanden unterstützen solle, dann doch lieber jemanden, der bei der Frage nach Gut und Böse auf der „richtigen“ Seite, sprich: der anti-amerikanischen Seite verortet ist. Dieser Argumentation begegne ich tatsächlich im Moment praktisch jeden Tag, da sie auch gegen das von Andreas Buro, Clemens Ronnefeldt, Karl Grobe-Hagel und mir verfasste Dossier des Monitoring-Projektes zu Syrien erhoben wird. (Auch dieses Dossier müsste übrigens inzwischen überarbeitet werden, da sich die Situation in dem Land so schnell verändert.) Ich bin überzeugt, dass Eure Position hier differenzierter ist – schließlich kenne und wertschätze ich Eure Arbeit zu Fragen von Militarisierung sehr. Aber trotzdem haben wir hier, und ich spreche an diesem Punkt für alle UnterstützerInnen von Adopt a Revolution, tatsächlich einen nicht auflösbaren Dissens, auf den Ihr leider auch in Eurer überarbeiteten Fassung Eurer Stellungnahme überhaupt nicht eingeht:
Für mich / uns geht es bei der Beurteilung der Aufstandsbewegung um deren Anliegen um die Probleme in dem Land. Die herrschenden Regime in Syrien, dem Iran oder Nordkorea, um nur drei Länder zu nennen, die derzeit in den Schlagzeilen stehen, sind weit oben auf den Schwarzen Listen, die sich mit Menschenrechtsverletzungen, Unterdrückung politischer Aktivitäten und willkürlicher Staatsgewalt befassen. Ebenso wie der Irak, Saudi Arabien und manche andere enge Verbündete der USA. Mit ungleichen Maßstäben zu messen ist doch genau das, was wir den USA und den europäischen Regierungen immer wieder vorwerfen – blind zu sein bei den eigenen Verbündeten und mit Gewalt zu drohen denjenigen, die sich politisch gegen den ‚Westen‘ stellen.
3.Was ich (bzw. wir alle) sowohl in dem Papier zu Adopt a Revolution wie auch in Eurer IMI-Studie zu Syrien vermisse(n), ist eine wirkliche Auseinandersetzung mit der Situation und den Anliegen der Opposition in Syrien. Euer Titel spricht provokatorisch von „Bürgerkriegspatenschaft“, aber in dem Text spielt die Arbeit von AaR dann praktisch keine Rolle. Weder setzt Ihr Euch mit den syrischen Partnern von AaR auseinander (LCC, SRGC, ASKYA), noch damit, ob Koordinierungskomitees die richtigen sind, die unterstützt werden sollten. In der von Adopt a Revolution erstellten TAZ-Beilage vom vorletzten Märzwochenende stellt Adopt a Revolution die vier Säulen des syrischen Widerstandes dar. Die Komitees, den Syrischen Nationalrat (SNC) , das Nationalkomitee für den demokratischen Wandel (NCC) und die Freie Syrische Armee. Adopt a Revolution arbeitet nur mit den Komitees zusammen und hat bisher auch nicht die andere Oppositionsarbeit kommentiert. AaR sieht es nicht als seine Aufgabe an, zu definieren, wer eine legitime Vertretung des syrischen Volkes darstellt.
Ihr schreibt, „Große Teile der syrischen Opposition fühlen sich von [dem Syrischen Nationalrat] nicht vertreten“ und zitiert Louay Hussein. Hier eine kurze Einschätzung zum Konflikt zwischen SNC und NCC: Der SNC ist sehr heterogen, besteht aus fast allen wichtigen syrischen Gruppen (religiöse, ethnische, Frauen, Jugend etc.), agiert aber fast nur im Ausland, auch wenn es Mitglieder im Inland gibt (die aus Schutz nicht benannt werden können). Er hat sich im Herbst 2011 gegründet und genoss lange Zeit die Anerkennung des Widerstandes auf der Straße. Allerdings sind die Mitglieder intern zerstritten und der Output des Rates war nach Wahrnehmung vieler SyrerInnen in letzten Monaten gleich null, was dazu führte, dass die Anerkennung des Rates bei den Protestierenden rapide gesunken ist. Auch die lange Zurückhaltung des Rates, was die Bewaffnung der FSA betraf, hat dazu geführt, dass er an Zuspruch seitens der Proteste verloren hat. Jetzt gerade ist auf dem Oppositionstreffen in Istanbul noch ein interner Konflikt mit seinen kurdischen Mitgliedern entstanden.
Der NCC besteht vor allem aus Teilen der historischen Opposition, einigen Linken und kurdischen Parteien. Sie setzen noch auf Verhandlungen mit dem Regime (wenn auch unter Bedingungen), Ein Großteil ihrer Mitglieder ist bekannt. In der Widerstandsbewegung haben sie aufgrund ihrer Verhandlungsbereitschaft von Anfang an nur sehr bedingt Zuspruch. (Es gibt sogar eine große Abgrenzung von Teilen der Proteste gegenüber den NCC).
Daraus folgt für mich, dass Eure Behauptung, dass Hussein für „große Teile“ der Opposition spreche, mindestens ebenso zweifelhaft ist wie der Anspruch des Nationalrates, die gesamte syrische Opposition zu vertreten.
4.Ihr unterstellt Adopt a Revolution, dass es eine „Plattform für Akteure und Gruppen geworden ist, die einer militärischen Eskalation das Wort reden“. Adopt a Revolution ist ein eigenständiges Projekt, getragen von seinen Mitarbeitern (dem „Team“ , wie es auf der Website vorgestellt wird, und einem Förderverein im Hintergrund. Weder die Unterstützerorganisationen noch der Beirat können als solche für Adopt a Revolution sprechen. Ferhad Ahma und Hozan Ibrahim sind beides Mitglieder des SNC, der sich für eine Bewaffnung der Freien Syrien Armee einsetzt. Die Äußerungen, die die beiden gemacht haben, sind in ihrer Funktion als SNC Mitglieder gefallen (in diesem Rahmen standen auch die Interviews) und nicht als Beiratsmitglieder von Adopt a Revolution oder als Sprecher für LCC / Askya. Dies kann ohne Probleme von jedem nachgeprüft werden, siehe z.B. das Interview von Ferhad für die Deutsche Welle vom 16. März (). Dass dies in der öffentlichen Wahrnehmung trotzdem durcheinander geht, ist in der Tat ein Problem, über das wir diskutieren. Aber eine Anmerkung sei noch erlaubt: Wenn Ihr Beiratsmitglieder zitieren wollt, dann solltet ihr auch die anderen Stellungnahmen seiner Mitglieder und unterstützenden Organisationen erwähnen – so die inhaltsreiche Website von Medico, die etliche Texte und einen Blog zu Syrien enthält, das erwähnte Dossier zum Syrienkonflikt im Rahmen des Monitoring-Projektes der Kooperation für den Frieden, das Hintergrundpapier, das ich im Bund für Soziale Verteidigung veröffentlicht habe, die Beträge in dem vom Netzwerk Friedenskooperative herausgegebenen Friedensforum – alles Papiere, die dezidiert gegen eine ausländische Militärintervention sprechen, die Bewaffnung der syrischen Opposition als Fehler bezeichnen und die teilweise genau das vorhersagen, was laut Human Rights Watch auch schon eingetreten ist: Nämlich die Eskalation von Gewalt und von Menschenrechtsverletzungen auf allen Seiten.
5.Eine Klarstellung zu einiger der Fragen wird auf der Website in nächster Zeit erscheinen – entsprechende Papiere sind schon des Längeren in der Vorbereitung. Ihr habt Recht mit Eurer Kritik, dass hier ein Defizit besteht. Es geht hauptsächlich auf Arbeitsüberlastung zurück, so war z.B. ein Text zu militärischen Interventionen schon vor vier Wochen entworfen worden. Auch Aktualisierungen anderer Texte sollen in der Zukunft zügiger erfolgen, um sie der jeweils aktuellen Lage anzupassen. Wichtig ist dabei, zu sagen, dass Adopt a Revolution auf seiner Website in erster Linie versucht, den AktivistInnen ein Sprachrohr zu geben. So wurde z.B. die Erklärung der Komitees zu der Ankündigung von Al Qaida bzw. den Anschlägen auf andere religiöse Minderheiten übersetzt und auf die Webseite gestellt, aber wenig wurde auf die Gräueltaten der syrischen Sicherheitskräfte eingegangen oder auf die Gewalt und Menschenrechtsverletzungen, wie sie von Angehörigen des bewaffneten Widerstandes verübt werden (s. Bericht von Human Rights Watch). Falls Ihr Euch die TAZ-Beilage vom 21./22. März anseht, die von Adopt a Revolution erstellt wurde, dann seht Ihr auch dort, wie das Projekt in der Öffentlichkeit auftritt.
6. Was die Zusammensetzung des Beirats angeht, so liegt die Entscheidung darüber allein im Ermessen von Adopt a Revolution und dem Verein, den das Team im Hintergrund hat, (about:change e.V.), die den Beirat berufen haben, und es ist nicht unsere Sache, dazu Stellung zu beziehen. Meine persönliche Position hierzu ist, dass ein Beirat kein Körper sein muss, der mit einer Stimme spricht, sondern durchaus unterschiedliche, ja sogar konträre Positionen beinhalten kann. Gewiss werden wir im Beirat über diese Fragen sprechen – aber Eure Aufforderung, wir sollten bestimmte Mitglieder ausschließen, empfinde ich als unangemessen.
Mit bestem Gruß
Christine Schweitzer
Mitglied im Beirat von Adopt a Revolution http://www.syrien.dfg-vk.de
IMI-Standpunkt 2012/067: Parlamentsbeteiligung als Farce? Deutschland demonstriert „Verlässlichkeit“ im Konflikt zwischen der Türkei und Syrien
Am Mittwoch, dem 12. Dezember 2012, wurde im Bundestag in erster Lesung über den Antrag der Bundesregierung beraten, Patriot-Systeme und bis zu 400 Soldate in die Türkei an die Grenze zu Syrien zu verlegen. Die Debatte hierüber schwelte bereits seit dem 17. November, nachdem Medien – anders als über die gestrige Debatte im Bundestag – über entsprechende Planungen berichteten. Am 4. Dezember dann beschloss zunächst der NATO-Rat und gleich am Tag darauf das Bundeskabinett die Entsendung von Waffen und Soldaten in die Türkei „zur Verstärkung der integrierten Luftverteidigung der NATO“.(1) Dass der Bundestag bereits eine Woche später hierüber debattierte und die Abstimmung bereits zwei Tage nach der ersten Debatte vorgesehen ist, dafür bedankte sich Michael Link, Staatsminister im Auswärtigen Amt, der für die Bundesregierung sprach, in der Debatte gleich mehrfach. Man habe das „gemeinsam hinbekommen“, so Link. Dabei sei „auch wichtig“ gewesen, „dass aus allen Fraktionen immer wieder die eine oder andere kritische Frage kommt.“
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