Seit vier Jahren unterstützt die DFG-VK „MACHT FRIEDEN. Zivile Lösungen für Syrien“. Nun wird die Kampagne zum 31. August 2020 beendet. Ihre Beweggründe erläutert die Kampagne in einer Abschlusserklärung.
Eine Facharbeitsgruppe Mittlerer Osten und Nordafrika (AG MENA) ist in Gründung.
Vier Jahre Arbeit für Frieden und politische Lösungen in Syrien
Seit 2016 hat die Kampagne „MACHT FRIEDEN. Zivile Lösungen für Syrien“ die Bundestagsabstimmungen über die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Syrien kritisch begleitet und für gewaltfreie Möglichkeiten der Konfliktbearbeitung geworben. Sie hat mit dazu beigetragen, dass die Unterstützung der Abgeordneten für die Einsatzverlängerungen stetig sank. Ein Großteil der Arbeit der Kampagne galt der direkten Ansprache der Bundestagsabgeordneten und hat dabei erfreulich viel Resonanz erzeugt. Dennoch konnte die Kampagne mit ihren Argumenten zuletzt immer weniger Entscheidungsträger*innen erreichen. Auch die weder politisch noch juristisch nachvollziehbare Vermischung des Syrieneinsatzes mit dem Bundeswehreinsatz im Irak innerhalb eines Mandats, das sinkende Interesse an Syrien in der Öffentlichkeit und in den Medien sowie immer knapper werdende personelle und finanzielle Ressourcen machten die Kampagnenarbeit zunehmend schwieriger. Nach intensiver Diskussion hat sich der Kampagnenrat daher entschlossen, nach vier Jahren intensiver Arbeit die Kampagne „MACHT FRIEDEN. Zivile Lösungen für Syrien“ zum 31. August 2020 zu beenden. Eine Facharbeitsgruppe unter dem Dach des Netzwerk Friedenskooperative soll die inhaltliche Arbeit weiterführen.
Zur Arbeit mit den Abgeordneten des Bundestags
Die Kampagne dankt allen Abgeordneten und ihren Mitarbeiter*innen, die „MACHT FRIEDEN.“ kritisch begleitet und unterstützt haben. Gleiches gilt für diejenigen, die uns an ihren schwierigen Abwägungsprozessen haben teilhaben lassen. Unser besonderer Dank gilt denjenigen, die – teilweise auch gegen die Mehrheitsmeinung der eigenen Partei – mit einem „Nein“ zum Bundeswehreinsatz und einem „Ja“ zu zivilen Lösungen ein Zeichen für den Frieden gesetzt haben.
Der Erfolg der sinkenden Stimmenzahlen für die Mandatsverlängerungen kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich viele Abgeordnete inhaltlich immer weniger mit dem Bundeswehreinsatz in Syrien auseinandersetzten. Fraktionsdisziplin und vage Hinhaltetaktiken aus dem Bundesverteidigungsministerium reichten aus, um sogar zweifelnde Abgeordneten dazu zu bewegen, den Bundeswehreinsatz immer wieder zu verlängern – selbst, nachdem das Ende des Einsatzes längst durch das Bundeskabinett beschlossen und für Oktober 2019 terminiert worden war. Die Begründung, die Verteidigungsministerin der CDU habe es versäumt, den Abzug rechtzeitig zu organisieren, war den Abgeordneten Argument genug für eine weitere Verlängerung. Diese mangelnde inhaltliche Auseinandersetzung ist einer Entscheidung nicht würdig, bei der es für die Menschen vor Ort um Krieg und Frieden, um Leben und Tod geht.
Auch der durch die Coronakrise bedingte Verzicht auf eine namentliche Abstimmung über die nochmalige Verlängerung des Mandats im März dieses Jahres spricht eine deutliche Sprache. Hier wurde noch nicht einmal mehr die Gewissensentscheidung der einzelnen Abgeordneten abgefragt – in Bezug auf Auslandseinsätze der Bundeswehr ein absolutes Novum. Auch die Begründung, die die Bundesregierung diesmal für den Antrag vorlegte, scheint in den Fraktionen nicht näher diskutiert worden zu sein. Sonst wäre dort aufgefallen, dass sie völkerrechtlich nicht zu halten ist: Der Einsatz der Luftwaffe im syrischen Luftraum wird mit einem Briefwechsel des NATO-Generalsekretärs mit dem irakischen Premierminister legitimiert. Selbst für einen Einsatz im Irak ist diese Begründung völkerrechtlich zumindest fragwürdig, weil das irakische Parlament den Abzug aller ausländischen Truppen gefordert hat und der Premierminister im vergangenen Jahr zurückgetreten und nur noch geschäftsführend im Amt ist. Für einen Einsatz in Syrien allerdings spielt sie überhaupt keine Rolle – in diesem Fall wurde auf eine völkerrechtliche Legitimation schlicht verzichtet.
Der Kampf gegen den IS als unglaubwürdige Begründung
Inhaltlich wird der Bundeswehreinsatz weiterhin mit der Gefahr durch den sogenannten Islamischen Staat (IS) begründet. In Presseerklärungen hat die Kampagne immer wieder darauf hingewiesen, dass diese Begründung weder wissenschaftlich noch strategisch haltbar ist. Terrorismus kann nicht militärisch besiegt werden. Im Gegenteil: Militärische Einsätze befeuern ihn immer weiter. Die Ursachen des Terrorismus sind vielfältig, liegen in teilweise jahrzehntelanger wirtschaftlicher und sozialer Ungerechtigkeit, in struktureller Gewalt und nicht zuletzt in der europäischen Kolonialgeschichte. Wer den Terrorismus nachhaltig beenden will, muss ihn an diesen Wurzeln packen – mit zivilen, polizeilichen und präventiven Maßnahmen, mit historischer Aufarbeitung, diplomatischen Initiativen und Investitionen in Bildung, Soziales und Versöhnung. Bei einigen von diesen Maßnahmen könnte Deutschland einen guten Beitrag leisten. Andere können nur von den Menschen in der Region erbracht und gestaltet werden. Externe Einmischung, egal in welcher Form, muss immer dem Prinzip des do no harm folgen – keinen Schaden anzurichten. Der Bundeswehreinsatz in Syrien richtet diesen Schaden an. Sowohl im Land selbst, wo er dazu beiträgt, dass der militärische Konflikt immer weiter schwelt, als auch hierzulande, wo er den Blick auf echte zivile Alternativen verstellt.
Die friedenspolitische Arbeit bleibt notwendig, die Arbeitsweise wird sich ändern
Der zivilgesellschaftliche Einsatz gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr und für die Entwicklung von zivilen Alternativen bleibt somit weiterhin notwendig – gerade mit Blick auf eine der konfliktreichsten Regionen der Welt. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen Themen soll deshalb auch nach Beendigung der Kampagne weitergehen: im Rahmen der Arbeitsgruppe Middle East and North Africa (MENA) unter dem Dach des Netzwerk Friedenskooperative. Die AG soll Sachinformationen über die Lage in der Region, über geopolitische Hintergründe, humanitäre Aspekte und vor allem über zivile Alternativen der Konfliktbearbeitung aufbereiten und zur Verfügung zu stellen. Auch die gewachsenen Kontakte zu Bundestagsabgeordneten sollen genutzt werden, um darauf hinzuwirken, dass deutsche Außen- und Sicherheitspolitik endlich Friedenspolitik wird. Die Arbeitsgruppe lädt interessierte Menschen zu einer ersten Videokonferenz am Abend des 17.09.2020 ein. Bei Interesse an einer Teilnahme bittet das Netzwerk Friedenskooperative um Kontaktaufnahme.
Kontakt
Kampagne „MACHT FRIEDEN. Zivile Lösungen für Syrien“ und AG MENA:
Kristian Golla, Netzwerk Friedenskooperative
Römerstr. 88, 53111 Bonn
Tel. 0228 / 69 29 03, friekoop@friedenskooperative.de