Einen Monat ist unser 22. Bundeskongress nun her. In der neuesten Ausgabe unsere Mitgliedszeitschrift ZivilCourage kann unter anderem nachgelesen werden, was in Frankfurt am Main so los war – mit einem Klick geht es zur neuesten Ausgabe. Außerdem ist vor Kurzem die erste Ausgabe unseres neuen Podcasts erschienen. Die erste Folge des DFG-VCast thematisiert unseren Bundeskongress und unsere zukünftigen Projekte – der Podcast ist hier abrufbar. Wir wünschen gute Information!
ZivilCourage
Neue ZivilCourage erschienen!
Das Heft enthält diese Artikel, die markierten sind hier direkt online abrufbar:
- Kathrin Vogler: Pazifistische Standortbestimmung und Perspektiven
- Margot Käßmann: „Bertha von Suttner ist mir ein Vorbild“
- Guido Grünewald: Frieden ist machbar! 125 Jahre DFG
- Abschlussresolution des Bundeskongresses
- Bernd Drücke:
- Licht und viel Schatten
- Die Wahlergebnisse für den BundessprecherInnenkreis, die Geschäftsführung und weitere Funktionen
BoA und Uno
Bundeswehr kann abgeschafft werden zugunsten einer übergeordneten Organisation (z.B. der Uno)
Von Thomas Rödl
„Bundeswehr abschaffen“ oder „Militär abschaffen“ ist eine richtige Parole, aber noch kein politisches Konzept. „Bundeswehr abschaffen“ meint die bedingungslose einseitige Abrüstung der BRD, aber als Einstieg in und als Beitrag zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung. Es bedeutet also ausdrücklich nicht: BRD ohne Militär – und ansonsten bleibt alles wie bisher in der Staatenwelt.
Braucht es eine bewaffnete Macht, die in Konflikte eingreift, wenn es keine Bundeswehr mehr gibt? Diese Frage sollten wir ernsthaft erörtern – und nicht als Propaganda abtun. Viele Menschen, die mit uns Frieden und Abrüstung wollen, meinen, es sei in bestimmten Fällen notwendig, militärisch einzugreifen – zugunsten von Menschenrechten, zur Verhinderung von Völkermord und dergleichen. Dies zeigen die vielfältigen Diskussionen der letzten 20 Jahre, seit wir BoA (Bundesrepublik ohne Armee) verfolgen. Mir ist dabei völlig bewusst, dass dieses Argument durch die mediale Darstellung der (Bürger-)Kriege der Gegenwart, u.a. in Ex-Jugoslawien, beeinflusst war und ist. Die jeweiligen imperialistischen Interessen und Machenschaften dabei aufzuzeigen, ist notwendig aber nicht hinreichend.
Die Bundeswehr ist die bewaffnete Macht eines Nationalstaates, der BRD, als solche ist sie abzuschaffen, dafür braucht es keinen Ersatz. „Abschaffung zugunsten einer überstaatlichen Organisation wie z.B. der Uno“ ist missverständlich und wird deshalb nacholgend erläutert:
Es braucht keinen Ersatz für die bewaffnete Macht eines Nationalstaates, weil wir nicht an die Notwendigkeit und Möglichkeit des Verteidigungskrieges glauben und auch den Verteidigungskrieg als Verbrechen betrachten. Weil wir den imperialistischen Raubkrieg („Sicherung der Rohstoffe“) ablehnen und verhindern wollen, nicht nur, weil er rechtswidrig ist.
Andererseits können wir nicht ausschließen, dass es zu Konflikten kommt, in welchen Völkermord oder gravierende Verbrechen drohen oder stattfinden, wo politische und zivile Mittel versagt haben oder nicht mehr gegeben sind, staatliche Strukturen nicht vorhanden sind oder Regierungen Verbrechen gegen die Bevölkerung begehen. In solchen Szenarien kann der Einsatz einer Uno-Polizeitruppe sinnvoll sein (Szenarien wie z.B. in Ruanda, Sudan-Darfur, dem Bürgerkrieg in Sierra Leone).
Eine Uno-Truppe wäre im Rahmen von Abrüstung akzeptabel
Meine These: Eine bewaffnete Polizeitruppe im Sinne der Uno-Charta und unter einem neutralen Kommando ist als Struktur und Konzept akzeptabel; und sie kann dazu beitragen, mehr Akzeptanz für unsere Politik zu erreichen.
Eine Beschäftigung mit diesem Konzept kann zeigen, dass diese Polizeitruppe unter den gegebenen Umständen unwahrscheinlich ist, solange wir nicht Abrüstung durchsetzen. Zustimmung zu einem derartigen Konzept kann es nur geben, wenn und insofern es Teil eines Programmes für Abrüstung ist (also nicht: Uno-Polizeitruppe installieren und ansonsten bleibt alles, wie es ist).
Für eine internationale Polizeitruppe der Uno sollte die BRD Finanzmittel, Material, Strukturen und Stützpunkte zur Verfügung stellen, die derzeit von der Bundeswehr genutzt werden.
„Struktur und Konzept“ soll heißen, über einen Einsatz ist im Einzelfall zu entscheiden – er kann auch scheitern oder von vorneherein sinnlos sein.
Fragen zur Uno-Polizei
1) Wer greift ein – eine internationale Polizeitruppe unter Kommando der UNO. Ein gemeinsames Oberkommando der Vereinten Nationen ist in der Charta vorgesehen, aber nie realisiert worden, weil die Großmächte das nicht wollen. Dieses Oberkommando müsste neutral, nur an der UN-Charta orientiert sein, loyal gegenüber dem Völkerrecht bzw. den Menschenrechten und unabhängig von den Interessen der Großmächte, bzw. allgemein unabhängig von nationalstaatlichen Interessen.
2) Wer entscheidet, wer hat die Führung? Der Sicherheitsrat in der jetzigen Form wird nur das beschließen, was den Interessen der fünf Atommächte nicht widerspricht. Diese Fünf, allen voran die USA, haben am häufigsten durch ihre Kriege gegen das Völkerrecht verstoßen. Solange die Veto-Mächte durch ihren Atommacht- Status privilegiert sind, wird sich daran nichts ändern. Solange werden sie auch bei Einsatzentscheidung und Führung mitreden. Die Privilegierung der Atommächte kann nur durch und in einem Prozess der Entmilitarisierung und Abrüstung überwunden werden.
3) Wozu – zur Verhinderung von Völkermord und evtl. Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Kriterien für Eingreifen/Einsatz sind aufzustellen; enge Verbindung mit präventiver (diplomatischer, ziviler?) Konfliktbearbeitung und dem internationalen Strafgerichtshof.
4) Womit – mit angemessenen polizeilichen Mitteln. Solche Mittel und Methoden beinhalten leichte Waffen, Ziel ist immer, Verbrechen zu verhindern und Täter vor Gericht zu bringen – Es gibt keine Optionen und Mittel gegen eine überlegene Militärmacht – d.h. die USA aus Irak oder Afghanistan oder China aus Tibet rauszuwerfen oder die Kriege z.B. der indischen Regierung gegen Separatisten zu beenden ist nicht möglich. Brauchbar ist ein solches Konzept aber für ein Szenario wie in Darfur, Somalia, Ruanda.
Diese kurzen Überlegungen zeigen, dass es eine neutrale, dem Völkerrecht verbundene Polizeitruppe unter den gegebenen internationalen Verhältnissen nicht geben wird. Der „Schutz der Menschenrechte“ kann glaubwürdigerweise nicht von imperialistischen Großmächten, sondern nur von international zusammenarbeitenden Nicht-Regierungs-Organisationen betrieben werden; deren Möglichkeiten und Wirksamkeit sind aber sehr begrenzt ist.
„Bundeswehr abschaffen“ zielt auf einen Einstieg in die allgemeine Abrüstung, zielt darauf, durch Entmilitarisierung bewaffnete Konflikte und Krieg immer unwahrscheinlicher zu machen, völker- rechtliche Konfliktregelungen durchzusetzen, zivile Konfliktbearbeitung zu ermöglichen. Daher ist die Forderung „Bundeswehr abschaffen“ sinnvollerweise zu verbinden mit Stopp der Rüstungsexporte, Unterbindung des illegalen Waffenhandels, Stopp der Rüstungsproduktion, Zivile Konfliktbearbeitung etc., wie wir das mit Schritte zur Abrüstung bzw. Zukunft sichern-Abrüsten getan haben und tun.
Wer mit uns für Abrüstung eintreten will und an die Notwendigkeit einer internationalen Polizeitruppe glaubt, sollte uns willkommen sein. Und: Bisher drückt sich die DFG-VK um das Thema „Responsibility to Protect“ („Verantwortung zum Schutz“, vgl. den Artikel von Christoph Strässer „Das Völkerrecht weiterentwickeln“ in der Zivilcourage 3/2013). Mit der Einordnung in eine Abrüstungspolitik, wie ich sie hier skizziert habe, hätten wir sehr wohl etwas zu sagen.
Thomas Rödl ist Sprecher des DFG-VK-Landesverbands Bayern.
Der Beitrag ist der Zivilcourage 1-2014 im Februar 2014 entnommenhttp://www.zivilcourage.dfg-vk.de
Mehrheit oder Konsens?
Über angemessene Entscheidungsverfahren in der Friedensbewegung
Von Kai-Uwe Dosch und Renate Wanie
Mehrheitlich getroffene Entscheidungen in Friedensgruppen sind manchmal sehr umstritten, wenn nicht umkämpft. Ein gutes Beispiel für diese Widersprüchlichkeit zwischen friedlichen Inhalten und umkämpften Entscheidungen stellt die Beratung über das Programm auf dem letzten Bundeskongress der DFG-VK dar.
Dies ist ein guter Anlass für eine Beschäftigung mit den Entscheidungsverfahren der DFG-VK. Die Mehrheitsentscheidung gilt zwar als fundamentales Prinzip der Demokratie und wird in vielen Bereichen fraglos akzeptiert. Viel zu wenig bekannt ist dagegen das Konsensverfahren, das auf einer herrschaftsfreien Haltung basiert.
„Steigt aus der Kriegsforschun g aus!“
Interview von Guido Grünewald mit dem US-amerikanischen Whistleblower Subrata Goshroy über Lügen, Tricks und Verquickungen der Rüstungsforschung
https://zivilcourage.dfg-vk.de
für Zivilcourage 5-2010
ZivilCourage: Militärische Forschung ist ein Bestandteil des militärisch-industriellen-wissenschaftlichen Komplexes, über den wenig bekannt ist. Wie hat sich die militärische Forschung in den USA entwickelt, welchen Umfang hat sie und wie ist sie strukturiert?
Subrata Goshroy: Es ist richtig, dass selbst gut informierte Menschen wenig über den Umfang der militärischen Forschung wissen. Unter militärischer Forschung verstehe ich im Folgenden die Forschung, die vom US-Militär unterstützt wird. Der Hauptzweck dieser Forschung besteht zwar darin, bessere Technologien für militärische Systeme zu entwickeln, aber das Pentagon finanziert auch Forschung zu Krebs.
In großem Maßstab begann Rüstungsforschung im Zweiten Weltkrieg. Zu dieser Zeit gingen forschungsorientierte Universitäten wie das Massachussets Institute of Technology (MIT) eine enge Verbindung mit dem Militär ein, das große Geldsummen für wissenschaftliche Forschung zur Verfügung hatte. Während des kalten Krieges florierte der Forschungskomplex, da sich die USA darauf konzentrierten, gegenüber der Sowjetunion die technologische Überlegenheit zu erreichen. Das Forschungsbudget des Pentagon namens Research, Development, Test and Evaluation (RDT&E) umfasst verschiedene Kategorien und ist heute auf den enormen Betrag von mehr als 80 Milliarden US-Dollar angewachsen.
NPT-Überprüfungskonferenz: Hoffnung auf Umkehr enttäuscht!
Vom 3. bis 28. Mai fand in New York die Überprüfungskonferenz zum „Atomwaffensperrvertrag“ statt. Dieser 1970 in Kraft getretene und – außer von Indien, Israel und Pakistan – von allen 189 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen ratifizierte „Vertrag zur Nichtverbreitung von Atomwaffen“ (Non Proliferation Treaty – NPT) gilt als das wichtigste multilaterale Rüstungskontrollabkommen der Militärgeschichte. Marion Küpker, die internationale Koordinatorin der DFG-VK gegen Atom- und Uranwaffen hat an der Konferenz teilgenommen und berichtet vom vielfältigen Engagement der zahlreich in New York vertretenen Nicht-Regierungsorganisationen.
(von Marion Küpker für ZivilCourage – Mitgliedermagazin der DFG-VK – 3/2010)
Gespannt hoffte die Friedensbewegung auf die Ergebnisse dieser Überprüfungskonferenz zum Nicht-Verbreitungsvertrag über Atomwaffen bezüglich unserer bundesweiten Kampagne „Deutschland atomwaffenfrei bis 2010“ und zur erhofften Kehrtwende hin zur vollständigen weltweiten nuklearen Abrüstung durch den US-Präsidenten Barack Obama – endlich weg von dem Wahnsinn!
Diese Erwartungen wurden keineswegs erfüllt, und das alltägliche nukleare Bedrohungsszenario wurde auf der Konferenz noch sichtbarer. Trotzdem war diese Konferenz ein Meilenstein ganz anderer Art: Wir sind eine reale internationale Bewegung! Mein Erlebnisbericht beinhaltet auch Informationen über die so genannten Schurkenstaaten Iran und Nord-Korea, da gegen diese nach wie vor ein möglicher Ersteinsatz von Atomwaffen durch die westlichen Atommächte nicht ausgeschlossen wird.